Sunday, 18. August 2019

Autor: Susanne Rowley

Der genügsame KTP Wolf gilt unter seinen Kita Artgenossen als Schafskopf.

Ok - hier ist eine Entschuldigung an *Martin Gerhard Reisenberg (*1949), Autor, fällig, dass ich sein Sprichwort ein klein wenig anpasste.

Von Zeit zu Zeit liebe Wigwam-Freunde, schaue ich mich stumm in der Presselandschaft um.

Mit Freude darf festgehalten werden, dass die zeitweise demütigenden Darstellungen früherer Zeiten: Tagesmutter vor der Haustüre, abgebildet oder gefilmt mit gelbem Sack im Hintergrund, dem Tageskind zur Mittagszeit unlustig Nudeln ohne Sauce reinstopfend, der Vergangenheit angehören. 

Allenfalls findet man Artikel dergestalt: Die Sorgen der Tageseltern. Tagesmütter und -väter beklagen, von Amts wegen nicht gesehen und unterbezahlt zu sein. Sie beklagen, ihren Status hart erkämpfen zu müssen und punkten mit dem letzten Ass "der Berufung", das sie mehr oder weniger erschöpft aus dem Ärmel ziehen: 

Ohne eine gehörige Portion Idealismus wäre das nicht durchzuhalten.

Ein sympathisches Kindertagespflege Urgestein, Dorothea Fritzsche, kommt in dem Artikel zu Wort. 28 Jahre ist sie nun schon dabei. Sie kennt ihren Wert. Sie kennt ihre Leistungen. Sie stellt keine Vergleiche zur Kita an. Sie will ihr eigenes Glück und keine Unzufriedenheit. Sie will nichts weiter als ihren Teil vom Kuchen und fordert pragmatisch ein: 

Wir wollen gleichwertig neben den Kitas stehen. So steht es ihr zu: per Gesetz. Die Eltern sollen wählen können zwischen Kita und Tagesmutter. Das können sie gern vehementer fordern. Sie haben eine größere Lobby als wir. 

Das Problem so der Vorsitzende des Landesarbeitskreises Stephan Kirsche: 

Die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen sind fantastisch. Für deren Umsetzung verantwortlich sind die Kommunen. Und das schaffen nicht alle. Kirsche würde gern das Bundesgesetz weiterentwickeln, wie er sagt: damit die Kommunen es nicht mehr nach unten hin auslegen können. Manche Städte und Gemeinden seien sehr bemüht um ihre Tageseltern. Bei anderen haben wir den Eindruck, dass sie die Kindertagespflege lieber los haben wollen - vor allem, wenn sich Tageseltern für ihre gesetzlich festgeschriebenen Rechte einsetzen (..). 

Ok. Die Probleme kennen wir. Sonst alles fein im Kindertagespflege Land? 

Mitnichten. Bekanntlich gehen neue Türen auf, wenn andere klemmen oder sich geschlossen haben. Die Frage ist, welche Türen sind das, wo führen sie hin, und ist es ratsam hindurch zu gehen. Es lohnt sich also näher hinzuschauen, denn es droht durchaus Ungemach aus einer ganz neuen Ecke. 

Findige Kommunalpolitiker haben entdeckt, man kann die ungeliebte Schwester der Kita auch Be-Nutzen. 

Der Druck kommunal Verantwortlicher den Rechtsanspruch in Zeiten des Fachkräftemangels bei zeitgleich klammem Kommunalsäckel erfüllen zu müssen, wächst unaufhörlich. Und wo steigender Druck ist, ist der Weg für Visionen und ein nachhaltiges Umdenken oft zu lang. Gewählt wird dann die Abkürzung, die zuweilen dazu geeignet ist, ihre Akteure LANGfristig den Kürzeren ziehen zu lassen. 

Landauf landab entdecken Kommunalpolitiker die Kindertagespflege ganz neu für sich. Nicht etwa, weil ihnen die unschlagbaren Familien erweiternden Qualitäten in Zeiten der Globalisierung und Vereinsamung der Kleinfamilie aufgefallen wären, oder ihnen die Notwendigkeit von Bindungsqualitäten wie Schuppen von den Kommunal Augen gefallen sind. Nein. Sie entdecken aktuell das Sparpotential, das es zu NUTZEN gilt! 

Und wen wundert’s, dass die Großtagespflege (GTP) in den Fokus der Verantwortlichen rückt. Je größer umso besser. Denn wie sonst ließen sich lästige Aufbau- und Betriebskosten der klassischen Kindertageseinrichtung auf ein Minimum zusammenstauchen. Potential der Kindertagespflege besser nutzen. So ist dem Sprecher für frühkindliche Bildung der Grünen im Freisinger Landtag jüngst aufgefallen:  

Tagesmütter und -väter, insbesondere im Rahmen der Großtagespflege, haben ein immenses Potenzial, den derzeitigen Betreuungsengpass zu entlasten und das müssen wir nutzen. 

Gleich zwei Vorteile sieht eine CDU-Fraktion im Wetterauskreis:

Zum einen könnte die Betreuung von Kindern unter drei Jahren verbessert und für die Eltern flexibler werden. Außerdem könnten durch Tageseltern Kapazitäten in den städtischen Kindertagesstätten eingespart und so der Haushalt entlastet werden. (…) Die Bürgermeisterin begrüßte den Vorschlag der CDU ausdrücklich und fügt an: „(..) die Kindertagespflege biete die Chance, dezentrale Betreuungsstrukturen für Kinder unter drei Jahren zu schaffen und trotzdem zu sparen.

Ist das nicht genial. 

Tagespflege soll ausgebaut werden. Dass der Spargedanke der einzige Ton ist, der die Betreuungsmusik spielen soll, zeigt auch dieser Gedanke der Bürgermeisterin, der im gleichen Atemzug noch viel weitreichendere „Ver(sch)wendungsmöglichkeiten" einfallen.

Sie räumte ein, dass die Situation in den städtischen Kitas für Kleinkinder nicht optimal sei. Weil die Gruppen zu groß seien, könne es vorkommen, dass die Erzieherinnen sich dem einzelnen Kind nicht immer ausreichend widmen könnten. Dazu bot sie Elterninitiativen auch an, in Kooperation mit der Stadt Kindergärten aufzubauen, wenn es in ihrem Stadtteil keine Kita gebe. Die Stadt sei bereit, hierbei mit Räumlichkeiten zu helfen, wenn die Eltern die Betreuung organisierten. 

Toll oder? 

Rechtsanspruch Marke Eigenbau. Wir liefern den kommunalen Baukasten. Ihr betreut selbst. Und was läge da noch näher, als die freiberufliche Großtagespflege in anderen Räumen gleich mit einzubinden. 

Not macht erfinderisch. Wissen wir. Schade nur, dass nicht gegen die Ursachen der Not als solches vorgegangen wird, sondern die gierigen Blicke schweifen zu jenen, die „zur Not“ dafür herhalten könnten. 

Die neue Schein Anerkennung sollte TPPs nicht dazu verleiten, sich des Wesenskerns des Berufsstandes berauben zu lassen! Als Langstreckenläuferin auf dem Gebiet der Kindertagespflege kann ich nur sagen: 

Wer einmal sein Gesicht verkauft hat, wird um den bezahlten Preis kein Neues bekommen. Noch treffender wusste es Wilhelm Vogel (19./20. Jh.), deutscher Aphoristiker) zu formulieren: 

Die Erbschaft entspricht nicht immer der Größe der Todesanzeige.

Wer mir bei dieser Einschätzung nicht folgen mag, der werfe einen Blick zurück. Keine der vielfach zu erduldenden Umformungen und Verhunzungen, die die Kindertagespflege hat über sich ergehen lassen, hat zu mehr Anerkennung, zu leistungsgerechter Vergütung, zu einem bleibenden Standing in der Betreuungslandschaft geführt. Vielmehr ist der Ruf des formbaren Lückenbüßers manifestiert worden. Und so wird es auch der Großtagespflege ergehen, weil ihr die Rolle der schlechten Kopie des Originals auf den Leib geschrieben ist.  

Die Anzahl der Großtagespflegestellen hat sich fast verdoppelt. Kindertagespflege im Wandel. Das niedersächsische Institut für Bildung und Entwicklung nifbe berichtet: 

Ursprünglich aus der Nachbarschaftshilfe entstanden unterscheidet sich die Kindertagespflege in einigen wesentlichen Aspekten von der Kita: Sie ist eine personenbezogene Betreuungsform (..) Neben den kleinen Gruppen mit bis zu fünf Kindern gilt dieser unmittelbare Personenbezug als wesentliches formales Unterscheidungskriterium zur institutionellen Kindertagesbetreuung. Beides wird häufig als Stärke der Kindertagespflege beschrieben (Ahnert 2012). Etwa 70 Prozent der Kindertagespflegepersonen führten im Jahr 2018 ihre Tätigkeit im eigenen Haushalt durch (Statistisches Bundesamt 2018). Ein Grund dafür, dass die Kindertagespflege als »familienähnliche« oder »familiennahe« Betreuungsform bezeichnet wird. Der pädagogische Alltag knüpft an den zeitlichen und räumlichen Strukturen einer Familie an und frühkindliche Bildungsprozesse können in besonderer Weise alltagsintegriert begleitet werden (Heitkötter u.a. 2014).

Und weiter heißt es: 

Die Kindertagespflege wird allerdings immer häufiger auch außerhalb des privaten Haushalts organisiert. So hat sich die Anzahl von Großtagespflegestellen im Zeitraum zwischen 2012 und 2018 fast verdoppelt auf 3.717 Stellen (Statistisches Bundesamt 2018). In der Großtagespflege, im fachpolitischen Diskurs auch kritisch als »Kita light« bezeichnet, führen mehrere Kindertagespflegepersonen ihre Tätigkeit im Zusammenschluss aus, meist in eigens hierfür angemieteten Räumen. Das wirft die Frage auf, inwieweit die charakteristischen Merkmale der Kindertagespflege, wie z.B. die Gruppengröße, die Familiennähe oder der unmittelbare Personenbezug verloren gehen. 

Warum das Großtagespflege Eis aus unserer Sicht so dünn ist, 

zeigt dieser Hinweis, der die Sache vom Ende her denkt: 

Gleichzeitig werden weitere qualitätsrelevante Fragen diskutiert: Es wird befürchtet, dass die bisher erreichten Standards hinsichtlich der Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte in Kitas gefährdet sind (..) 

Warum? 

Weil die Kita light am Ende des Weges diese Frage aufgrund ihrer bloßen Existenz aufwerfen wird. Und die Erkenntnis wird kommen, dass sie sich in einen nicht gewinnbaren Wettstreit mit der Voll Institution Kita begeben hat. Und wer seine Daseinsberechtigung aus der schlechten Kopie gezogen hat, wird schlussendlich zum Original mutieren müssen oder sich abermals mit der Frage seiner Daseinsberechtigung herumschlagen. 

Was folgen muss ist nichts Geringeres als ein Paradigmen Wechsel. 

Ich komme allerdings nach so vielen Jahren des Engagements für die KTP zu der Überzeugung, dass nur die Kindertagespflege selbst einen solchen Paradigmen Wechsel herbeiführen kann. Von staatlicher Seite wird die Einsicht nicht kommen. Zu vielen Zwängen sehen sich politisch Verantwortliche kurzfristig ausgesetzt. Da ist kein Wille, da bleibt keine Zeit eine Vision zu entwickeln. 

Gelingen kann ein solcher jedoch nur, wenn KTP sich geschlossen bewusst wird, welches Profil sie wirklich ausmacht.   

Tut sie dies nicht, wird sie noch viele weitere Jahrzehnte be-nutzt und für alle denkbaren Zwecke geformt, gestutzt und passend eingesetzt. Je nachdem, wo der Schuh des Rechtsanspruches die Verantwortlichen gerade drückt. Das kann die Wiederauferstehung des Randzeiten Dödels, der Kita to go, oder auch die Neuauflage der Kinderfrau sein, die sich in elterlichen GdbR‘s (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) verwursten lässt. 

Sollte dieser Fall eintreten, wünsche ich mir von Herzen, dass dann noch jemand zur Stelle ist, der von den Ursprüngen des wertvollsten aller Betreuungsstände zu berichten weiß. 

Wo sehe ich meine Aufgaben nach so vielen Jahren. 

Den Tagesmüttern und -vätern gegenüber bleibt mir in solchen Zeiten der Appell, neben dem persönlichen Fortkommen den langfristigen Werdegang des Berufsstandes nicht aus den Augen zu verlieren.  

Einen praktischen Beitrag leistet Wigwam an der Front. In den Unternehmen. Denn: 

Wirklich erfolgreiche Unternehmen wissen längst: Nicht die möglichst effiziente Ausbeutung ihrer Mitarbeiter führt zur Gewinnmaximierung, sondern im Gegenteil, die Wertschätzung des Menschen und eine damit einhergehende Befreiung seiner Begabungen und Talente führt unterm Strich zu mehr Innovation und Einsatzbereitschaft und somit zu noch besseren Betriebsergebnissen. Damit einher geht ein Wertewandel, auf dessen Verbreitung ich noch große Hoffnungen setze. An Stelle des rein Ökonomischen und dem Credo eines permanenten quantitativen Wachstums tritt ein qualitatives Wachstum, das seine Grenzen selbst kennt und dem Wohle aller Beteiligter in allen Lebensbereichen dient. 

Wo dieser Geist vorherrscht, setzen wir uns im Wigwam ein, weil das gleiche für uns und unser Netzwerk gilt. Und nur dort, wo unsere lösungsorientierte Herangehensweise an das Thema Vereinbarkeit, der Schutz der Aufbauleistung unserer Tagesmütter und -väter Anerkennung und Schutz findet, werden wir tätig sein. 

Dazu gibt es in naher Zukunft mehr aus dem Wigwam Internen Nähkästchen zu berichten. 

Zum Thema Großtagespflege und/oder der Verwässerung des Berufsstandes samt der Gefahren, die wir hier ausgemacht haben, gibt es in unserem Blog zahlreiche Beiträge zu lesen. Um meine Wigwam Leserschaft nicht mit ständigen Mehrfachbeiträgen zu beschäftigen, verweise ich an dieser Stelle auf 3 Beiträge, die sich dem gleichen Thema aus verschiedenen Richtungen nähern. Wer Interesse hat, gerne hier entlang: 

Kindertagespflege ist das Original.

Vorhang auf für das Affentheater der KTP auf der Kita Bühne

Marktlücke Kinderbetreuung - Hand ans Kind.

Ich wünsche allen Wigwam Freunden noch ein paar schöne sommerliche Tage und verbleibe 

Ihre Susanne Rowley


Wigwam 1994
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Universitätsmedizin Mainz