Wednesday, 1. September 2004

Autor: Susanne Rowley

Wir backen uns eine Traum-Tagesmutter

Geplauder aus dem Nähkästchen


Liebe Eltern, liebe Tagesfamilien, 

Nein, hier schreibt Ihnen nicht Frau Rowley,

sondern Frau Vanderwege von Wigwam 2 (Raum Wiesbaden/Frankfurt). Der August-Infobrief von heute kommt aus dem sonnigen Hessen, da sich Frau Rowley in Ihrem wohlverdienten Urlaub befindet bis einschließlich 13.08.2004.  Von hier aus wünsche ich ihr viel Sonne und vor allen Dingen sehr viel Erholung. Mit diesem Brief möchte ich mich hauptsächlich an die Eltern und Tagesmütter wenden, die noch nicht so viel Erfahrung in Sachen Tagespflege sammeln konnten und ein bisschen aus dem

Nähkästchen plaudern. 

Immer wieder stelle ich fest, dass Eltern beim Erstgespräch gar nicht so recht wissen, auf was sie bei einem Kennenlernen achten sollen. Es ist alles neu, und man wünscht sich nur das Beste für sein Kind. Das nicht alles so läuft, wie man es zu Hause von seinen eigenen Abläufen kennt, ist vielen schon klar; aber was genau ist denn nun wichtig? Die Größe der Wohnung? Die Einrichtung? Was macht man denn, wenn einem die Tagesfamilie sympathisch ist, aber man das Sicherheitsgitter an der Treppe vermisst – sucht man dann gleich eine andere Tagesfamilie auf? Gibt es einen besonders günstigen Zeitpunkt für ein Kennenlernen? Kann man alles im Vorfeld schon klären. All diese Fragen beschäftigen sowohl die Eltern als auch die Tagesmütter. Aber auch während der noch so erfolgreich abgeschlossenen Eingewöhnungsphase warten „Stolpersteine“ auf alle Beteiligten. Ich möchte mal versuchen, ein bisschen Klarheit in dieses Durcheinander dieser Fragen zu bringen und beginne einfach mal mit dem Anfang. 

Die richtige Uhrzeit zum Kennenlernen 

Grundsätzlich sollte immer genug Ruhe und Zeit für ein Erstgespräch da sein. Verständlich ist natürlich der Wunsch, den Ehepartner mit zum Treffen zu nehmen. Oft ist es aber so, das die Väter erst am Abend von der Arbeit nach Hause kommen. Wenn dann noch der Besuch bei der Tagesmutter absolviert werden soll, kann es sehr häufig vorkommen, dass man einen „ungünstigen“ Augenblick erwischt und somit einen ganz falschen Gesamteindruck von der Tagesfamilie erhält: Die Kinder der Tagesmutter sind vielleicht gerade vom Spielen gekommen und haben jetzt Hunger. Der Ehemann der Tagesmutter kommt von der Arbeit nach Hause und ist mit seinen Gedanken noch bei dem Ärger, den er heute hatte. Das kleinste Kind ist supermüde und quengelt weil es immer um 19.00 Uhr ins Bett geht. Wenn man zu so einem ungünstigen Zeitpunkt ein Gespräch führen will, kann schnell der Eindruck entstehen, dass ein weiteres Kind hier nur noch mehr Durcheinander anrichten würde. Dabei sieht der Alltag der Tagesmutter eigentlich ganz anders aus. In der Regel sind die etwas größeren Kinder in Schule und Kindergarten untergebracht und nur noch die Kleinsten zu Hause. Die Tagesmutter beschäftigt sich dann mit den täglichen Aufgaben und integriert die Kinder in Ihren „Arbeitstag“. Es ist genug Zeit, um mit den Kindern zu spielen, zu basteln und zu musizieren. Essen kochen ist ein feststehender Bestandteil des Tages. Es geht in der Regel alles sehr ruhig und harmonisch zu, und es bleibt auch noch genug Zeit für einen Ausflug auf den Spielplatz. Grundsätzlich sollten Eltern und Tagesfamilien versuchen, den ruhigsten Zeitpunkt abzusprechen um ein Erstgespräch zu führen. Man will sich ja auch ungestört mit all den Fragen beschäftigen, die zu klären sind. Wenn dann beim Erstgespräch nicht Mutter und Vater dabei sein können, besteht ja noch die Möglichkeit sich ein zweites Mal mit der Tagesfamilie zu verabreden. Der Vorteil besteht darin, dass alle wichtigen Dinge schon besprochen sind, man sich insgesamt schon einen Eindruck verschaffen konnte, und der zweite Elternteil „nur noch“ den Eindruck bestätigen muss. 

Weiße Ledercouch oder Plüschtiere 

Die Geschmäcker sind verschieden. Wir Erwachsenen haben da so unsere Vorstellungen. Je nach dem wie wir selbst leben, sieht auch die Wertung der Wohnqualität bei der Tagesfamilie aus. Sei es nun, dass wir uns ein Haus mit Garten für unser Kind wünschen oder eine große Wohnung mit eigenem Spielzimmer. Wie schön ist es, wenn man die Wohnung der Tagesmutter betritt, die Einrichtung der Tagesmutter unseren Vorstellungen entspricht und alles nur so blitzt vor Sauberkeit. Wenn dann die Tagesmutter noch absolut adrett daher kommt und völlig entspannt mit Ihnen ein Tässchen Kaffee trinkt und sich liebevoll nach Ihrem Sprößling erkundigt, ist doch alles perfekt – oder?! Also mal ganz ehrlich – ich habe auch zwei kleine Kinder und weiß, wie eine Wohnung wirklich aussieht, in der Kinder aktiv leben. Wenn ich persönlich, einer Tagesfamilie begegnen würde, deren Wohnung fast steril wirkt, dann würde mich das mehr beunruhigen als erfreuen. Ich würde mich fragen, ob die Tagesmutter stets diesen Aufwand betreibt oder ob die Tagesmutter vor dem Treffen extra einen Hausputz veranstaltet hat. Sollte sich herausstellen, dass die Sterilität hier üblich ist, würde ich mir ernsthaft überlegen, wann die Tagesmutter noch die Zeit haben will, sich sinnvoll um mein Kind zu kümmern. Sollte die Tagesmutter nur für den Erstbesuch alles auf Hochglanz gebracht haben, dann kann ich den Tagesmüttern nur anraten, sich diese Zeit zukünftig zu sparen. Eine gewisse Grundreinlichkeit sollte ohnehin selbstverständlich sein; und jede Tagesmutter kann gewiss sein, dass es fast jeder Mutter egal ist, ob die Gardinen frisch gewaschen und die Gläser in den Schränken poliert sind. Grundsätzlich sollte der Reinlichkeitsgrad beim Erstgespräch doch den wahrenAlltag wiederspiegeln. Tja – und wie bewerten wir nun Haus und Garten und die stilvolle Ledercouch? Vielleicht sollten wir uns diese Frage "aus Kindersicht" stellen - vielleicht uns auch mal an die eigene Kindheit erinnern. Was meinen Sie, wieviel Wert Ihr Kind selbst auf die Wohnungseinrichtung legt. Was bedeutet Ihrem Kind mehr - ein Wohnzimmer, in dem viele Plüschtiere wohnen, mit denen man auch spielen darf, oder die weiße Ledercouch, die bestenfalls zum Anschauen dient, auf die man sich nur mit saubersten Hosen setzen darf, weil sonst die Tagesmutti ganz blass wird? Was findet ein Kind spannender: ein großes Haus, in dem es die Tagesmutter suchen muß, weil die ständig mit dem Staubwedel in einem anderen Zimmer wütet, ein Garten in dem zwar ein Sandkasten seht aber keine anderen Kinder zum mitspielen da sind? oder eine Wohnung, in der eine Tagesmutter lebt, die viel Zeit zum spielen und schmusen hat und obendrein noch der Gang zum Spielplatz auf dem Prgramm steht. Ich will damit nicht sagen, dass eine Tagesmutti kein weißes Sofa haben darf, was ich vermitteln will ist, dass wir allzuoft vergessen, dass unsere Kinder andere Bedürfnisse haben als wir Erwachsenen. Ihr Kind sucht Zuwendung, Sicherheit und Geborgenheit. Wenn ich meine Kinder frage, wie es ihnen denn bei der Familie einer Freundin heute gefallen hat, würde ich niemals eine Beschreibung der Wohnungseinrichtung als Antwort erhalten, sondern immer erzählt bekommen, was unternommen wurde und ob die Kinder und Erwachsenen dort sympatisch waren. 

Das fehlende Treppengitter 

Oft erlebe ich, dass Eltern nach einem Besuch bei der neuen Tagesfamilie berichten, dass die Familie zwar sehr nett sei, aber man das Kind doch nicht dort betreuen lassen möchten, weil zum Beispiel diverse Sicherheitsmängel nach Ansicht der Eltern zu bemerken waren oder andere Kleinigkeiten nicht den Vorstellungen der Eltern entsprachen. Wenn ich dann nachfrage, ob dies auch zum Gegenstand des Gespräches wurde, dann erfahre ich, dass diese Dinge eben nicht thematisiert wurden. Warum ist das so? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Treppengitter nicht installiert sind, weil kurz zuvor eben kein Kleinkind betreut wurde und ein Gitter nicht nötig war - ein Nähkörbchen auf dem Boden nur deswegen stand, weil die Tagesmutter kurz vorher damit gearbeitet hat. Scheuen Sie sich nicht, Ihre Fragen zu stellen, Ihre Sorgen zu benennen, Ihre Vorstellungen zu beschreiben. Häufig ist es nämlich so, dass die Tagesmutter einfache Lösungen anbieten kann, da das Treppengitter im Keller schon parat steht und das Nähkörbchen seinen eigentlichen Platz auf dem Kleiderschrank hat...

Immer miteinander reden – aber wie?

Mütter und Tagesmütter berichten mir immer wieder von Differenzen während des Betreuungsverhältnisses. Sei es nun, dass die Mutter sich beim Abholen des Kindes permanent verspätet, oder umgekehrt bei der abgebenden Mutter der Eindruck entstanden ist, dass mit dem Kind zu wenig unternommen wird. Auch hier bekomme ich auf meine Nachfrage, ob das Thema bereits besprochen wurde, oft ein NEIN zur Antwort. Es ist den Beteiligten unangenehm, Ärgernisse auf den Tisch zu bringen.

Irgendwie auch verständlich, wenn in der Erwartungshaltung beider Seiten die Harmonie im Vordergrund steht. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, eine Gesprächsathmosphäre im Vorfeld zu schaffen, die später geübte Kritik möglich macht. Gerade im Alter von 0 –3 Jahren durchleben die Kinder so viele Entwicklungsschritte, dass der dauernde Austausch zwischen Tagesmutter und Eltern unumgänglich ist. Sei es nun die Umstellung der Nahrung, bis hin zur Sauberkeitserziehung. Solche Gespräche sollten nicht zwischen Tür und Angel statt finden. Planen Sie von Beginn des Verhältnisse an ein festes viertel Stündchen pro Woche ein, für unverbindliches Plaudern, wenns nichts zu berichten oder zu beklagten gibt, oder für kleine Meckereien am Rande aber auch für handfeste Kritik. Es gibt so viele Möglichkeiten, das Miteinander Reden praktisch zu üben schon bevor ernsthafte Probleme auftauchen. in dem regulären Viertelstündchen kann man die Woche Revue passieren lassen, weitere Vorgehensweisen zum Beispiel beim Umstellen der Nahrung oder wie gesagt der Sauberkeitserziehung bereden. Beim Durchführen solch regelmäßiger Gespräche, fällt es im "Ernstfall" leichter, echte Ärgernisse offen anzusprechen. Ist im Gegensatz dazu über Monate alles scheinbar reibungslos gelaufen und plötzlich wird von der ein oder anderen Seite eine "massive Aussprache" fällig, leidet das Gesamtvertrauen und die wichtigen Inhalte treten in den Hintergrund. Wenn man aber lernen würde, seine Anliegen und Bedürfnisse regelmäßig zu formulieren, entsteht Vertrauen, auch wenn das etwas mehr Anstrengung bedeutet, als die Dinge unter den Teppich zu kehren. Dann werden aus Mücken auch keine Elefanten, nur weil man den frühzeitigen Austausch versäumt hat. Nach monatelangem Schweigen etwas wirklich wieder ins Lot zu bringen, gelingt leider den wenigsten.

Ja liebe Eltern und Tagesfamilen, das waren ein paar Tipps aus meinem Nähkästchen. Ich hoffe, dass Sie den ein oder anderen verwerten können und und wünsche Ihnen von hier aus noch eine schöne Sommerzeit. Im September schreibt Ihnen - wie gewohnt - Frau Rowley - frisch erholt und sicher voller Tatendrang.

Ihre

Anette Vanderwege
Wigwam 2 - Hochheim / Massenheim


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