Saturday, 15. June 2019
VOR dem Betreuungsvertrag scheiden sich die Geister!
Der beste Betreuungsvertrag ist der, der nie mehr aus der Schublade muss.
Liebe Tagesmütter und -väter, liebe Eltern, liebe Wigwam Freunde,
Sehr oft werde ich darum gebeten, Tipps und Anregungen zu geben für das Abschließen eines guten Betreuungsvertrages.
Sowohl privat arbeitende TPPs als auch Eltern melden sich, um das ein oder andere an Erfahrungswerten zu erfragen. Auch mit Fachberatungen stehen wir im Austausch, die uns berichten, dass die Vertragsebene eine schwierige ist, und man stets bemüht sei, TPPs Versionen an die Hand zu geben, die man guten Gewissens empfehlen kann.
Ziel soll sein,
eine Grundlage zu finden, die die Bedürfnisse beider Vertragsparteien im Blick hat, so dass keiner das Gefühl habe „über den berühmten Tisch gezogen zu werden“. Insbesondere Eltern melden sich bei uns und Fachberatungen und klagen darüber, dass Forderungen auf TPP Seite hier und da überzogen seien, insbesondere bei Regelungen zu Krankheit, Urlaub, Vorauszahlung etc. Andererseits habe man auch Verständnis für die TPPs, die als Freiberufler ja schließlich von der Tätigkeit lebten und gut für sich sorgen müssten.
Ziel meines Beitrages ist nicht, meinen LeserInnen den EINEN Vertrag vorzulegen.
Jede TPP ist durchaus alleine in der Lage, sich juristisch kundig zu machen, sich geprüfte Versionen aus dem Internet zu besorgen, den Bundesverband anzusprechen etc. Persönlich habe ich schon die wildesten Vertragsvarianten gesehen, die darauf abzielten, auch das letztmögliche Vorkommnis zu regeln. Der Knackpunkt, an dem sich die meisten Vertragsgeister scheiden, ist das Geld. Sind die Regelungen zu Ausfallzeiten. Sind die Kündigungsfristen etc.
Mir geht es vielmehr darum, einmal darauf hinzuweisen, dass auch der korrekteste Betreuungsvertrag nicht weiterhilft, wenn die Basis auf der er geschlossen wird, nicht stimmt.
Wie der Begriff „BetreuungsVertrag“ zeigt, enthält er das Wort "vertragen“.
Und schon da können heute die Ursachen für die Probleme von morgen sichtbar werden.
Das Papier selbst muss nichts weiter leisten, als das Verhalten der Parteien untereinander zu koordinieren, Leistungen freiwillig durch gegenseitige Selbstverpflichtungen festzulegen. Es ist ein Versprechen, das sich die Parteien geben, bestimmte Dinge zu tun und zu unterlassen. Der Verlauf eines Verhältnisses soll im Prinzip für beide Vertragsparteien berechenbar werden.
Damit das gelingen kann, ist die Hauptvoraussetzung, dass Eltern und TPP das gleiche Ziel verfolgen.
Wenn sich aber die Ziele im Vorfeld schon nicht „vertragen“, kann es ein Betreuungsvertrag kaum richten.
Ein Beispiel:
Eltern, die eine Tagespflegeperson nur zum Übergang in eine Kita Einrichtung wählen, oder bei Reservierung eines Platzes bei der TPP privat weitersuchen, verfolgen von Vorneherein ein anderes Ziel, als die Tagespflegeperson, die alles tun möchte, damit eine Verweildauer des Tageskindes sinnvoll gestaltet wird. In der Regel werden die unterschiedlichen Zielsetzungen auch nicht offen kommuniziert. Heißt: die Parteien gehen bei Abschluss des Vertrages von völlig verschiedenen Voraussetzungen aus.
Genau genommen muss Vertragsproblemen vor Abschluss bereits begegnet werden durch Abgleich der Ziele!
Gar nicht so einfach, denn Vertrauen ist etwas, was sich nicht in einen Vertrag packen lässt.
Tagesmütter und -väter, denen es nicht gelungen ist,
die „Spreu vom Weizen“ auf Elternseite zu trennen, die schon des öfteren Ent-täuschungen erlebt haben, schieben dann die Hürden nach oben, verschärfen die Bedingungen, unter denen sie ihre Betreuungsleistung anbieten. Das wiederum kann dazu führen, dass auch willige Eltern sich infolge unter Druck gesetzt fühlen, durch hohe Vorauszahlungen, durch überlange Kündigungsfristen etc.
Eltern, die nicht wirklich am Erhalt eins Pflegeverhältnisses interessiert sind, wollen in der Regel vertraglich sicherstellen, dass sie nur das Bezahlen, was sie an realem Betreuungsnutzen zu erkennen glauben, und wird die Kita frei, wollen sie so schnell als möglich raus aus der Nummer.
Die Folgen für eine TPP, die sich verständlicherweise durch strenge Regeln zu schützen versucht, kann man nun gedanklich weiterspinnen. Bis hin zu dem Punkt, an dem sie durch knebelartige Verträge ihren guten Leumund in den Sand gesetzt und langfristig mit viel weitreichenderen Problemen in der Selbständigkeit zu kämpfen hat.
Einen vertraglichen Mittelweg zu suchen, der Parteien beieinander hält, die nicht in die gleiche Richtung schauen können oder wollen, ist zwecklos.
Es bleibt nur, einer derart gebeutelten TPP den dringenden Rat zu geben, diese vorvertraglichen Missstände früh zu ermitteln, und sodann noch einmal ganz zurück auf LOS zu gehen.
Knebelverträge führen nie zum Ziel und machen schlussendlich auch unfrei. Denn bei allem Verständnis für das Entstehen der selben durch unlautere Elternanfragen, muss man auch bereit sein zu reflektieren, ob man nicht auch einen Anteil an der Schieflage hat, weil man ab einem gewissen Punkt den Wert der eigenen Betreuungsleistung untergraben hat. Und wie in vielen anderen Lebensbereichen auch, kann Verlustangst den Verlust einläuten.
Aber auch bei beidseits willigen Vertragsparteien kann es u. U. mal knifflig werden.
Denn neben guter Betreuungsleistung geht es auch immer um Geld. Hier ist die freiberuflich Tätige TPP in der Pflicht, ihre Vertragsinhalte einerseits getreu des freiberuflichen Standes zu gestalten, und gleichzeitig darauf zu achten, dass ihr Angebot erhalten bleibt. Eltern hingegen sollte vor Abschluss klar sein, dass auch sie am langfristigen Erhalt eines guten Betreuungsplatzes mitwirken, und es eben nicht in ihrem Interesse sein kann, dass dieser aus der Betreuungslandschaft verschwindet.
Einen guten Vertrag kann also schließen, wer das Wohl der jeweils anderen Seite im Blick hat!
Der Umgang mit Fehlzeiten:
In vielen Betreuungsverträgen entdecke ich allgemeine Regelungen zu Fehlzeiten, die nur dahingehend eine Unterscheidung vornehmen, ob die TPP fehlt oder aber das Kind. Dann werden Zeiträume eingetragen, die das Durchbezahlen bzw. das Abziehen von Geldern im ein oder anderen Fall ab einem bestimmten Zeitpunkt regeln. Kommt es infolge dann zu mehr Fehlzeiten auf der einen als auf der anderen Seite, gerät das gute Gefühl für ein Halt gebendes Konstrukt auch dann aus dem Lot, wenn am Betreuungsvertrag selbst nichts auszusetzen ist. Entweder fehlt der TPP kalkulierbares Einkommen, und sie ist versucht, den Platz anderweitig zu vergeben, oder aber Eltern fühlen sich ihrerseits zu mehr Fortzahlungen herangezogen, als sie sich das bei Abschluss real vorgestellt haben.
Es kann hilfreich sein, Fehlzeiten differenzierter zu betrachten,
weil es den Blick auf die andere Vertragspartei weitet. Urlaube sind eine gewollte Fehlzeit auf beiden Seiten. Krankheit hingegen ist eine unverschuldete Angelegenheit, die jederzeit beide Parteien treffen kann.
Im Wigwam bringen unsere TPP gewollte Fehlzeiten im Jahresdurchschnitt selbsttätig zum Abzug. Dadurch werden sie nicht nur in vollem Umfang ihrer Freiberuflichkeit gerecht, sondern verschaffen sich auch ein kalkulierbares Einkommen. Im Gegenzug hält eine Wigwam TPP in gewollten Urlaubszeiten der Eltern den Platz frei, und lenkt im Verhandlungsgespräch den Blick der Wigwam Eltern automatisch auf den Umstand, dass auch eine Bereitschaft zu vergüten ist, da kein anderes Tageskind den Platz besetzen kann.
In unverschuldeten Fehlzeiten, also bei Krankheit auf beiden Seiten, bauen Wigwam TPP gemeinsam mit Eltern Zeitfenster ein, die beiden Parteien die Chance auf Genesung und Erhalt des Betreuungsverhältnisses geben können, bevor ein Vertrag durch nicht erbrachte Betreuungsleistung oder das Nichtbesetzen des Platzes in Schieflage gerät. Wird dies im Vorfeld von einer TPP gut kommuniziert, entsteht ein Verständnis auf beiden Seiten für den unvorhergesehenen „Fall der Fälle“. Wir durften hierbei die gute Erfahrung machen, dass beide Parteien nach Ablauf dieser Zeitfenster von ihrem vertraglich festgehaltenen Kürzungs- oder Kündigungsrecht so gut wie nie Gebrauch machten.
Die Haltung von Eltern zur eigenen Zahlungsmoral oder auch die Haltung einer TPP zum gestrengen Vertragskorsett kann sich also durchaus positiv relativieren, wenn nicht alleine auf Cash gegen Leistung abgestellt wird, sondern der Erhalt des Verhältnisses unter verschiedenen Bedingungen beleuchtet wird. Keine Vertragspartei möchte der anderen im Grunde Schaden zufügen, auch dann nicht, wenn auf die eigenen Vertragsvorteile aus gutem Grund geschaut werden muss.
Wigwam hat einen entscheidenden Vorteil:
Noch heute wird mir manches Mal noch der Satz von privaten TPPs außerhalb von Wigwam zugetragen: Was Wigwam da macht, kann ich auch alleine.
Wigwam hat an vielen Stellen entscheidende Vorteile. Durch eine interne Kooperation, zwischen Wigwam und den TPPs leben wir eine klare Aufgabenteilung, die es den TPPs ermöglicht, sich voll und ganz auf ihre Schwerpunkte der Betreuung selbst zu konzentrieren. Wigwam ist also dafür zuständig auf Elternseite solchen Paaren Zugang zu den Betreuungsangeboten zu gewähren, die sich klar für die Kindertagespflege entscheiden können und möchten. Es gibt also berechtigte Hürden, Eltern auch mal keinen Zugang zu geben. Das ist legitim, denn die betreuende Seite hat Investitionen getätigt, die für solche Eltern vorgesehen sind, die diese nicht nur nutzen, sondern auch erhalten wollen.
Diese Hürden finden sich in den Verträgen zwischen Wigwam und Eltern - oder Wigwam und den Unternehmen, die uns angeschlossen sind. Daher können Wigwam TPPs in ihren Verträgen „entspannter“ herangehen.
Dies tun wir nicht "nur", um unsere Wigwam Tagesmütter und -väter zu schützen, sondern auch Wigwam Eltern haben verstanden, dass auch ihnen keine Plätze mehr zur Verfügung stehen, nutzten sie wertvolle Betreuungsressourcen aus. Wir vertreten die Ansicht, dass es Eltern zuzumuten ist, im Vorfeld eine Entscheidung zu treffen für oder gegen eine Betreuungsform. Man kann nicht von einer Vertragspartei etwas verlangen, was man selbst nicht bereit ist zu geben. Das gilt für beide Seiten.
Und eines haben wir in 26 Jahren Wigwam Engagement gelernt:
Es wird immer ein grundsensibles Feld bleiben, Betreuung, die ganz viel mit anvertrauen und Treue zu tun hat, in ausgehandelte Verträge zu packen, weil viele Eltern sich noch heute aus tiefstem Herzen "die Liebe zu ihrem Kind" wünschen, die eine Großfamilie in früheren Zeiten ganz selbst-los geboten hat.
Macht man sich jedoch bewusst, dass das gute Ansinnen der Großfamilie mitnichten verloren gehen muss, schauen beide Parteien ehrlich und zum Wohle ihres Kindes in die gleiche Vertragsrichtung, dann kann sehr viel Gutes daraus erwachsen, und das einmal verfasste Papier darf getrost in der Schublade vergilben.
Der beste Betreuungsvertrag ist immer noch der,
der nie mehr aus der Schublade muss!
Stimmt die Ausgangsbasis zwischen den Parteien, wäre also mein wichtigster Tipp:
Weniger zu regeln, ist mehr.
Nur dann bleibt beiden Parteien Raum für persönliche Absprachen, die es braucht, wenn es um "echtes Leben" geht.
Je mehr geregelt wird, umso mehr Diskussionsstoff gibt es im Nachgang.
In diesem Sinne verbleibe ich mit einem herzlichen Gruß
Susanne Rowley