Saturday, 1. July 2006
Von der Unmöglichkeit, Kinder zu betreuen
Wer sind eigentlich "die Mütter"?
Nun haben wir das "TAG" schon seit geraumer Zeit, und es wird Zeit, mal einen Blick auf den praktischen Umgang im Alltag der Tagesmütter, -väter zu werfen. Hierzu stelle ich Ihnen einen privaten Einzelkommentar eines Tagesvaters zur Verfügung, den wir für lesens- und nachdenkenswert halten.
Unsere Themen heute:
Von der Unmöglichkeit, Kinder zu betreuen
Wer sind eigentlich "die Mütter"?
Phase 1: „Kinderbetreuung - find’ ich gut"
Im Kindergarten hängt ein Zettel aus, auf dem für ein Kind eine Tagesbetreuung gesucht wird, wenn es nach dem Sommer in die Schule kommt. Mein Sohn geht auch nach dem Sommer in die 1. Klasse. „Prima", denke ich. „Das könnte ich ja machen". Ich werde mit den Eltern einig über Betreuungsinhalte und -zeiten, und auch über die Entlohnung. So einfach kann Leben sein. Phase 2: Guten TAG, jetzt wird’s kompliziert Einen Monat später erfahre ich zufällig, daß mein Betreuungsverhältnis mittlerweile illegal geworden ist. Ich möchte gerne gesetzeskonform leben, muß also nachbessern.
Das fängt damit an,
daß ich für alle Hausbewohner Gesundheitszeugnisse und ein polizeiliches Führungszeugnis auf meine Kosten beschaffe. Das habe ich nun. Jetzt soll ich einen Kurs besuchen, in dem ich das noch einmal richtig lerne. Aber wohin in der Zeit des Kurses mit meinen eigenen Kindern? Ich bin Alleinerziehender. Mir kommt mal kurz die Idee, eine Tagesmutter zu nehmen und finde das einen guten Witz.
Da fällt mir ein, daß ich ein Pädagogikstudium
absolviert habe, das mich dazu befähigt, in Kindereinrichtungen zu arbeiten, diese zu leiten, und sogar eine solche selbst zu eröffnen. Das sollte doch wohl reichen. Tut es aber nicht. Nach konsequenter Nichtentscheidung durch das Jugendamt und einer Dienstaufsichtsbeschwerde kommt hektische Aktivität auf, die Sache beschleunigt sich ungemein, nur um dann wieder in Ausweichverhalten und Nichtentscheidung zu verfallen. Nach der Drohung mit der nächsten Dienstaufsichtsbeschwerde klappt es dann doch noch, und ich bin nun Tagesbetreuer. Phase 3: Zwischen Baum und Borke Nun dürfte ich zwar Kinder betreuen, weiß aber nicht, ob ich mir das leisten kann. Im Austausch mit Wigwam und anderen Tageseltern erfahre ich immer mehr Details über die Tagespflege. Zum Beispiel über die generelle Pflicht zur Unfallversicherung. Zum Beispiel über die Pflicht zum Einzahlen in die Rentenversicherung, zum Beispiel über die Haftpflichtversicherung für Tageseltern.
Im Geiste rechne ich
das alles mal zusammen und errechne, ganz selbständiger Tagesbetreuer, den break-evenpoint, also die Zeit, die ich Kinder betreuen muß, um nicht noch eigenes Geld mitbringen zu müssen. Der liegt bei ca. 12 Stunden wöchentlich. Uii! Wo kann ich also sparen? An der Haftpflicht? Unklug. An der Unfallversicherung? Darf ich nicht. An der Rentenversicherung, da ich als Selbständiger meine Alterssicherung ohnehin selbst geregelt habe? Darf ich nach neuesten Letztinstanzurteilen nicht. Nun hörte ich, daß bei Betreuungsverhältnissen, die das Jugendamt bezahlt, gewisse Vergünstigungen bestehen. Die Unfallversicherung soll übernommen werden, zur Rentenversicherung gibt’s was dazu, und die Steuer fällt ganz weg. Stimmt das?
Eine Anfrage beim Jugendamt,
das sich in Materialien, die bei der Anerkennung als Tagespfleger beigelegt wurden, rühmte, Informationen und Unterstützung zu gewähren, bringt das übliche Schweigen. Auf Nachhaken immerhin eine Bestätigung, daß beide Schreiben eingegangen seien. Es gibt also doch Leben im Rathaus. Gleichzeitig versuche ich, über den Rentenversicherungsträger und das Finanzamt Informationen zu bekommen. Die antworten zwar, liefern aber widersprüchliche Aussagen, und damit letztendlich eher Rauschen als wirkliche Information.
Die Rentenversicherung weiß nämlich,
daß ich, wenn ich mehr als 400 Euro verdiene, 477,75 Euro Beitrag bezahlen muß. Ich rechne das kurz hoch und verweise das ins Reich der Illusionen. Dann aber vielleicht ein Ausweg: Ich kann auch die Variante wählen, daß ich vom Verdienst 19,5% bezahle. Fein. Aber was genau ist mein Verdienst? Betriebswirtschaftlich gesehen natürlich betriebliche Einnahmen minus Betriebsausgaben. Brauche ich jetzt für die Betriebsausgaben den ganz großen Schuhkarton für die Belege, so richtig mit anteiligen Heizkosten, Quadratmeter zählen usw.? Oder gibt es beim Finanzamt Pauschalen? Anfrage also beim Finanzamt.
Der erste Sachbearbeiter
kennt keine Pauschalen. Anderes Finanzamt, andere Auskunft. Ja es gibt Pauschalen, die aber von 1989 stammen. Ein Fax nennt sogar die Summen. Anruf beim ersten Finanzamt. Ein anderer Sachbearbeiter kennt auch Pauschalen, aber andere Zahlen. Im Geiste bin ich schon auf einer einsamen Insel. Ich nehme mal einen Mittelwert der dargereichten Summen und rechne. Jetzt muß ich bloß noch wissen, ob das, was ich als Verdienst berechnet habe, steuerfrei ist. Hier bekomme ich eine konkrete Antwort: Wenn das Betreuungsgeld durch das Jugendamt bezahlt wird: ja. Ich schiebe die Frage, ob es nur dann eine gute Sache ist, Kinder zu betreuen, wenn es staatlich geregelt geschieht, beiseite und versuche, heraus zu bekommen, ob die Rentenversicherung denselben Einkommensbegriff hat, oder ob sie die Gesamtsumme der Einkünfte, unabhängig von der Finanzamtsbehandlung, für die Beitragsberechnung zugrunde legt. Auf meine Anfrage bekomme ich viele sehr fundierte und exakte Antworten auf Fragen, die ich gar nicht stellte. Aber die Frage, die ich hatte, ist mit den Antworten nicht abgedeckt. Als Unternehmer wäre ich jetzt an dem Punkt,
an dem ich den angebotenen Auftrag entweder ablehnen würde, oder aber mit einem Risikoaufschlag auf den Preis annehmen würde. Das werde ich hier aber nicht tun, denn mit Bruttoeinnahmen von ca. 5 Euro je Stunde (wovon die Betriebsausgaben, Versicherungen und Steuer ja noch abgehen) ist das außerhalb des darstellbaren Bereichs.
Zum Vergleich:
Die Diskussion um einen Mindestlohn, der die Menschenwürde sicherstellen soll, dreht sich um Summen zwischen 7 und 8 Euro pro Stunde. Ohne Betriebsausgaben. Na gut, es geht ja auch ohne Menschenwürde, wenn Kinder zu betreuen sind. Deswegen lege ich meine Zulassung als Tagespfleger an dieser Stelle noch nicht ganz hinten im Ordner „erledigt" ab, sondern versuche weiter, Informationen zu bekommen. Eines ist aber klar:
Es bleibt schwer, weil
alles von allem abhängt, weil niemand nichts weiß, und wenn, dann in mindestens 3 Varianten, und weil der unbedingte Wille zur Information bei dieser Gemengelage gering ist. Wer sind eigentlich "die Mütter"? Viele Anreize werden derzeit politisch geschaffen, um Paare dazu zu ermutigen, eine Familie zu gründen. Staatliche Gängelung kritisieren die Einen, einseitige Konzepte tönt es aus anderer Ecke. Richtig nervtötend ist hierbei die deutsche Angewohnheit, dass es bei allem Wettstreit schon wieder und immer wieder um die Wertung verschiedener Lebenskonzepte geht - und wer schwimmt mittendrin in den höher schlagenden Wogen?
Die Mütter. Was wollen Mütter? Ich bin auch eine! Will ich das, was Sie wollen ? Die Mutter - als Spezies :-) mit diesen und jenen "Merkmalen"..... ! Es wird von uns gesprochen, als seien wir eine bestimmte Rasse von Menschen - alle in gleicher Situation und mit ähnlichen Bedürfnissen. Als befreiend empfand ich somit den STERN in seiner Ausgabe vom 4. Mai mit dem Titel "Wir wollen uns nicht länger rechtfertigen". Hier kamen die unterschiedlichsten Frauen zu Wort (mit und ohne Kinder), und legten endlich ihren "Maulkorb" ab. Keiner dieser Frauen und die im Artikel vorgetragenen Bedürfnisse waren auch nur annähernd zu vergleichen.
"Frau sein"
in der heutigen Gesellschaft hält sich an kein festen Rollenbild in der Gesellschaft. Auch die Frauen, die sich für das Kinderkriegen entscheiden, sind so unterschiedlich in der Ausgestaltung ihres Lebens mit Kindern, dass sie eigentlich nur eine der intensivsten Erfahrungen, die Frauen machen können, wirklich verbindet: Die Geburt
Die einen entscheiden sich ganz traditionell sich zu Hause alleine um Familie und Kinder zu kümmern; andere planen mit ihrem Partner die Erziehungsarbeit zu teilen oder Rollentausch zu praktizieren. Dabei prüfen Sie wohlüberlegt, ob sie ganz im Job bleiben wollen und die Kinder ganztags in eine Fremdbetreuung geben, ob sie ihren Nachwuchs alleine oder mit einem neuen Partner erziehen - dies alles gehört zu den heute möglichen Lebenskonzepten von Müttern. Bei aller Vielfalt der möglichen Lebensformen ist es für Mütter (und Frauen allgemein) jedoch möglich, zumindest gemeinsam an einem Strang zu ziehen, was die Forderung nach Wahlfreiheit und Selbstbestimmung angeht, ohne bestimmte Lebensformen zu idealisieren und andere abzuwerten. Und dies gilt natürlich auch für die Entscheidung für oder gegen Kinder!
Was sich die meisten Mütter jedoch wünschen
würden, ist ganz einfach Akzeptanz, Unterstützung und Anerkennung, egal für welche Form der Umsetzung sie sich entschieden haben. Nicht nur verständnislose Partner, die häufig kinderfeindliche Umgebung und Erwerbswelt sowie fehlende qualitativ hochwertige Betreuungsplätze machen es Müttern schwer. Auch die leidigen Grabenkämpfe von armen gegen reiche Mütter, Hausfrauen gegen Erwerbstätige, Verheirateten gegen Alleinerziehende, Einkindmüttern gegen Mehrfachmütter, Spontan-Entbindenden gegen Kaiserschnittmütter haben wir alle mehr als satt!
Deutschland - ein Land von Schubladen -
in die aber so keiner recht reinpassen will. Wem sollen die immerwährenden Diskussionen über faule, selbstlose, egoistische Mütter nützen. Wer erzieht bitte "richtig" und wer "falsch" All diese Fragen sind in einer offenen Diskussionskultur erlaubt, aber bringen Wertungen der Lebensformen untereinander irgendwen wirklich weiter? Hierzu las ich in einem Artikel, der dieses Thema ebenso behandelte ein altes sehr weises angeblich indianisches Sprichwort (das übrigens meiner Meinung nach in allen Lebenslagen sinnvoll wäre zu beachten): "Urteile nie über jemanden, wenn du nicht mindestens eine Meile lang in seinen Mokassins gegangen bist." Oder, weniger indianisch ausgedrückt: Geben wir einander einfach das, was wir in unserer Mutterrolle dringend (auch von Nichtmüttern, Vätern, Arbeitgebern, Kollegen, Nachbarn, Lehrern usw.) brauchen: Interesse, Bereitschaft genau zuzuhören, großen Vertrauensvorschuss, Unterstützung, Anerkennung und wenn nötig und sinnvoll, allenfalls konstruktive, aufbauende Kritik.
In diesem Sinne,
liebe Leserinnen und Leser wünsche ich Ihnen noch einen langen Sommer dieses Jahr und freue mich wie immer über Kritik und Anregungen zu unseren Themen. Auch unsere Neumitglieder auf Eltern- und Tagesmutterseite möchte ich dazu anhalten, wertvolle Beiträge zu unserem kleinen Info-Brief-Forum hier zu liefern.
Ein kleiner Hinweis noch - der Info-Brief August 2006 wird Sie aufgrund meines Urlaubes vom 24.07. bis 11.08.06 erst nach meinem Urlaub erreichen.
Liebe Grüße
Susanne Rowley