Saturday, 2. April 2016

Autor: Susanne Rowley

Vermittlung von Tagesmüttern. Misserfolgsgeschichte mit amtlicher Ansage

Wenn 3 Parteien zusammen kommen, von denen Einer nicht will, der Zweite nichts weiß und der Dritte nicht kann,

dann reden wir von der Vermittlungsarbeit in der Kindertagespflege - eine dauerhafte Misserfolgsgeschichte mit Ansage und leider auch ohne Aussicht auf zukünftigen Erfolg!

Liebe Wigwam-Freunde,

nachdem ich jetzt den 3. Artikel zum Thema "Rückgang der Tagesmütter" in verschiedenen Regionen in Händen halte, möchte ich das Problem heute beleuchten.

http://www.noz.de/lokales/bramsche/artikel/671742/zahl-der-tageseltern-geht-in-bramsche-stark-zuruck

Neben den üblichen, stimmigen Verdächtigen, wie Vergütung, dem unbefriedigenden Einsatz als Randzeitenlückenbüßer, sowie dem immer noch verbreiteten Außenbild „Rumsitzen und ein bisschen spielen“ – mehr machen die ja nicht, kommt in obigem Artikel auch die nicht umgesetzte Wahlfreiheit der Eltern zur Sprache. Zweifelhaften Trost spendet da der ärmliche Hinweis:

>> Angst vor dem Aussterben der Kindertagespflege müsse man sicher nicht haben. Auch wenn es nicht der lukrativste Job ist, wird es immer die Nischen geben. Es gibt immer mehr Alleinerziehende, es gibt immer mehr Schicht- und Wochenendarbeit. << Das klingt nicht nur furchtbar, sondern verdeutlicht, dass die, die sich eigentlich im Sinne der Kindertagespflege einsetzen sollten, selbst keine realen Chancen dafür sehen. Was ist das denn bitte für eine miese Ausgangslage!

Angebot & Nachfrage? 2 unbekannte Größen begegnen sich in der Amtsstube 

Es stimmt mich traurig, dass offensichtlich keiner in der Lage ist, in weiteren Zusammenhängen zu denken. Ansätze dazu sind durchaus vorhanden, denn in diesem Artikel aus Heidenheim http://www.swp.de/heidenheim/lokales/heidenheim/Der-Kindertagespflege-gehen-die-Tagesmuetter-aus;art1168893,3748097

sind sie immerhin schon auf den Trichter gekommen, dass Angebot und Nachfrage nicht auf einen Nenner zu bringen seien. Hier steht, dass 250 Kinder 180 Tagespflegepersonen gegenüberstünden. Wenn ich jetzt mal kurz den örtlichen Umkreis, auf den sich die Tagespflegeplätze verteilen, außer Acht lasse, macht das grob gerechnet, 1,4 Kinder pro Tagesmutter/vater. Dennoch seien 72 Elternpaare derzeit vergeblich auf der Suche. Ein erster Erklärungsversuch im Artikel wird zunächst auf Elternseite unternommen:

>> Viele fahren auch zweigleisig und melden ihr Kind bei uns in der Krippe an. Dennoch sind darunter auch Anfragen, die der Verein schlicht nicht erfüllen konnte (..) sagt Stefanie Quick, die zusammen mit Sandra Hirner für die Beratung und Vermittlung der Eltern zuständig ist. Das habe es in dem Ausmaß wie momentan noch nie gegeben. (..) Grund ist, dass Angebot und Nachfrage oftmals nicht zusammenpassen <<

Und weiter geht die Ursachensuche auf Tagesmutter-Seite:

>> Manche Tagesmütter können Betreuung nur zu bestimmten Zeiten anbieten, für die es wiederum keine Nachfrage gibt. Hinzu kommt, dass die Wohnorte nicht zusammen passen <<

Und damit kommen wir dem Übel schon sehr nahe,

und man stellt sich die Frage, warum tun die für Beratung und Vermittlung Verantwortlichen nichts dagegen? Der Kernpunkt ist die Nichtkoordination von Angebot und Nachfrage! Und gleich im zweiten Schritt wird deutlich, dass sowohl Eltern als auch Tagesmütter und -väter eins nicht genießen, und das ist echte Beratung.

Überspitzte, aber reale Beispiele aus der Wigwam-Praxis,

die verdeutlichen, wie solche Misserfolgsgeschichten eingeleitet werden:

Auf Tagesmutterseite:

Wöchentlich melden sich qualifizierte Tagespflegepersonen auch bei uns aus Regionen, in denen Hund und Katze sich nicht mal mehr gute Nacht sagen. Ungeachtet der Tatsache, ob in der Region, in der sie wohnen, überhaupt Nachfrage besteht, haben sie sich in den Qualifizierungskurs gesetzt und anschließend ein Tageskind-Bonbon beim örtlichen Jugendamt bestellt: Sie hätten gerne ein blondgelocktes Tageskind an 3 halben Tagen in der Woche. Montags bitte nie, freitags nur manchmal. Gerne nicht vor 9 Uhr und selten nach 15 Uhr. Da vom Jugendamt offensichtlich keine entsprechende Nachfrage reinkommt, versucht man es dann bei mir.

Fazit: Warum werden durch Jugendhilfeträger wahllos Tagespflegepersonen in Hintertupfingen ausgebildet, ohne eine regional bezogene Analyse und Vorberatung vorzunehmen. Warum möchte man sich als potentielle Tagesmutter/vater in die selbständige Freiberuflichkeit begeben, ohne sich zuvor Gedanken darüber zu machen, wer die spätere Kundschaft sein könnte?

Beide Seiten ruhen sich aufeinander aus. Keiner hat was davon. Und keiner kommt auf den Trichter, dass hier etwas falsch laufen könnte.

Auf Elternseite:

Ebenso häufig rufen Eltern an, die „morgen“ wieder in den Beruf einsteigen wollen. Wie genau hätte der Arbeitgeber noch nicht verlauten lassen. Man stünde auf diversen Wartelisten von Kitas, und wann und ob man da einen Platz bekomme, sei unsicher. Sicher sei nur, wenn man einen Platz bekäme, dass eine Restbetreuungszeit von 2 Stunden verbleibe, und die solle dann eine Tagesmutter stopfen. Da man sehr ungern zu einer Tagesmutter ginge, weil man ja nicht wisse, was einen da erwarte, würde man im Falle, dass kein Kitaplatz zur Verfügung gestellt werde, versuchen, die Arbeitszeit zu reduzieren und/oder die Oma mit ins Boot zu holen. Selbstverständlich wäre die Tagesmutter-Lösung auch nur so lange gewünscht, bis der richtige Kitaplatz dann frei würde.

Fazit: Solche Eltern, die alles haben wollen, aber nichts bieten, weil sie es nicht anders kennen, treffen auf kommunal Beschäftigte, die sich ungefiltert mit „Aufträgen“ bombardieren lassen. Als Ergebnis sehen wir dann die unlösbare „Nachfrage“, die nicht zum Angebot passt, und die niemand auf betreuender Seite befriedigen wird.

Wir haben also genau genommen 3 Parteien,

von denen der eine nicht will (Kommune), der zweite es nicht besser weiß (Tagespflegeperson), und einen dritten der nicht kann (Eltern).

Wie könnte das besser laufen?

Haltung der Kommune:

Zunächst einmal muss das gesetzte Ziel auf Seiten einer Kommune vorhanden sein, den Berufsstand wirklich fördern und in Arbeit bringen zu wollen. Tagesmütter und -väter als Notnagel „auf Halde“ auszubilden, gleichzeitig sein Augenmerk auf Kitaplätze zu richten, bringt das Ende, bevor der Anfang gemacht ist. So dann müsste eine intensive Unternehmensberatung, gespeist aus Erfahrungswerten in Sachen elterliche Nachfrage, die eine Kommune durchaus hat, erfolgen.

Tagesmutter/vater Beratung:

Eine verantwortungsvolle Tagesmutter/vater sollte durch Beratung dazu in die Lage versetzt werden, ihr Angebot inhaltlich, räumlich und finanziell attraktiv zu gestalten. Sie muss wissen, wer sie ist, was sie kann und wo ihre Grenzen liegen. Sie reflektiert, inwieweit sie bereit ist, sich „zu bewegen“, um ihren beruflichen Zielen näher zu kommen. Sie ist interessiert daran, ihren Leumund eigenständig aufzubauen und zu erhalten. Sie lernt zu trennen zwischen Kritik, die haltlos ist, und solcher, aus der sie lernen und sich entwickeln kann. Auf keinen Fall legt sie sich als Unter-nehmer wie ein Käfer auf den Rücken und wartet, dass ihr ein Amt Kinder an die Tür trägt. Sie nutzt Notlagen von Eltern nicht aus, verkauft sich ebenso wenig unter Wert, und kommt durch Erfahrung dahin, „ihre Kundschaft“ auszuwählen. Sie gewährt Wertschätzung und empfängt infolge welche.

Elternberatung:

Auf Elternseite ist es ebenfalls nicht damit getan, als Kommune den Auftragserfüllungsgehilfen zu spielen, sondern es ist geboten, sich sowohl dem Betreuungswunsch als auch den Hintergründen dazu zu nähern. Nur so kann eine Fachberatung herausfinden, wo Eltern durch Unwissenheit und Mangel an Vertrauen, Betreuungskonstrukte basteln, denen sich keine Tagesmutter kurz- oder langfristig annehmen kann. Auch hier gilt es, die elterliche Verantwortung und damit das Bewusstsein für die betreuende Seite und deren Erhalt zu schärfen (schlage nicht die Hand, die Dir gereicht wird). Das bedeutet in der Praxis, den Kern der elterlichen Wünsche von den Komponenten zu trennen, in denen Flexibilität möglich ist. Flexibel können z.B. sein: Betreuungsbeginn – gibt es hier ein Zeitfenster, ab wann ein Platz frühestens oder spätestens besetzt werden muss. Wären Eltern bereit für einen Wunschplatz 5 Stunden mehr Betreuung zu buchen. Ist Eltern klar, dass Kleinstkinder, die Betreuungszeitlücken haben, oft jede Woche eine neue Eingewöhnung empfinden. Wissen sie, dass ein Betreuunsmix sich auf das Wohl des Kindes auswirken kann. Ist es nicht sinnvoll, einen um 3 km weiteren Fahrtweg in Kauf zu nehmen, um bei einer Tagesmutter die bessere Chemie oder das gewünschte Konzept zu finden. Um Eltern wirklich eine Wahl zu bieten, muss es Auswahl geben. Nur so haben Eltern, die in der Regel alle „frisch gebacken“ sind, die Chance, ihre Bedürfnisse überhaupt erst zu ermitteln, um dann Prioritäten zu setzen.

Fromme Wünsche

Ich gebe zu, dass ich nach 23 Jahren Wigwam-Arbeit zu dem Schluss gekommen bin, dass eine gute Vermittlungsarbeit und damit der "freiberufliche Anteil", der die Kindertagespflege erst zum Blühen bringt, nicht in den Händen von Ämtern liegen sollte. So sehr sich Beschäftigte dort auch bemühen, es fehlen ihnen einfach die strukturellen Rahmenbedingungen und die Ausbildung, um unternehmerisch erfolgreich zu arbeiten.

Das klingt bitter, aber man muss doch auch mal eingestehen, wo Behörden ihre Grenzen haben. Um zu verdeutlichen, wie ich das meine, gebe ich ein Beispiel, dass zugegeben hinkt, aber sehr wohl verdeutlicht, wo ich hin will. Stellen Sie sich das Klientel der Rechtsanwälte in einem Zustand vor, in dem sie darauf angewiesen wären, dass ihnen staatliche Pflichtverteidigungen übertragen werden. Wie gut könnte sich ein solcher Berufsstand entwickeln? Wie motiviert wäre er. Wie hochwertig wäre die Verteidigungsleistung, und könnte er sich langfristig ernähren? 

Da mir niemals daran gelegen wäre, die freiberufliche Tagesmutter als eine beim Jugendamt Angestellte je wieder zu finden, plädiere ich immer wieder dafür, den Jugendhilfeträgern die Ausbildung und die Qualitätssicherung im Nachgang zu übertragen, nicht aber Aufgaben, die dem Aufbau und dem Erhalt des Berufsstandes dienen. Sie können es einfach nicht!

Und zuguter Letzt stellen wir uns jetzt noch das deutschlandweite Zuzahlungsverbot in der Kindertagespflege vor, dann haben wir 3 Parteien, von denen einer nicht will, der andere nicht darf, und der letzte nicht kann. Bravo!

In diesem Sinne wünsche ich meinen Leserinnen und Lesern noch ein schönes Wochenende und verbleibe mit

herzlichen Grüßen

Ihre Susanne Rowley

Wigwam 1994
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