Saturday, 20. October 2018
Stellungnahme Wigwam 1994 zum "Kita Zukunftsgesetz RLP"
Familienpolitisch Verantwortliche schicken sich an, an Gesetzesgrundlagen zu drehen.
Liebe Wigwam Freunde,
Auf die üblich verdächtigen elementaren Schwachstellen des neuen Gute KiTa Gesetzes haben Verbände, Gewerkschaften sowie Bundeselternvertretung bereits ausreichend hingewiesen. Man begrüßt die formulierten Ziele und beklagt zeitgleich die mangelhafte Umsetzung. Es soll einen sogenannten Instrumentenkoffer geben, aus dem sich Länder und Kommunen das Passende heraussuchen können. Kern des Übels wird wie immer die Finanzierung sein, die weder punktuell noch zweckgebunden langfristig sichergestellt ist, was logischerweise dazu führen wird, dass Kommunen nur bedingt Planungsrisiken eingehen werden, von denen sie heute nicht wissen, ob sie morgen noch finanzierbar sein werden.
Es fehlt Verantwortlichen weiterhin der feste Wille und die Vision, wie Kindeswohl und Vereinbarkeit von Familie & Beruf auf hohem Qualitätsniveau in modernen Zeiten zusammengeführt werden können. Obwohl die Fachkräftemangel Ampel schon gestern auf Rot geschaltet hat, erwartet uns wieder ein verstaubtes Formulierungsgewürge von ausgeklügelten Kann und Darf Lösungen, die unsere Gerichte in Arbeit halten, Kindeswohl dem dauerklammen kommunalen Geldsäckel opfern werden, und Eltern und Betrieben keine Planungssicherheit geben.
Besonders beklagen wir die Unart, Gesetze auf die mögliche Verhinderung von Ansprüchen hin auszurichten, statt einen bunten Blumenstrauß von Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine moderne Entfaltung möglich machen!
Zum geplanten Kita Zukunftsgesetz Rheinland-Pfalz
Wir in Rheinland-Pfalz sehen uns aktuell einem Gesetzentwurf unserer Landesregierung gegenüber, den es zu kommentieren gilt. Bereits auf den ersten Blick kann dem Entwurf entnommen werden, dass Kindertagespflege als Betreuungsform zurückgedrängt werden soll.
Hier geht es zum Gesetzentwurf: Gesetzentwurf
(Sie finden die entsprechende PDF Datei an 3. Stelle rechts außen im Kasten)
Die IG RLP – Interessengemeinschaft Kindertagespflege Rheinland-Pfalz hat obigen Gesetzentwurf bereits kommentiert und uns freundlicherweise ihre Stellungnahme zugänglich gemacht. Wigwam möchte festhalten, dass wir in Teilen die Kritik der IG RLP unterstützen; an anderen Stellen jedoch unsere Interessen und die Interessen des Berufsstandes nicht vertreten sehen; bzw. die Risiken für die Zukunft des Berufsstandes an anderer Stelle verorten.
Vorab: Weiterhin steht im Entwurf des neuen KiTa Bundesgesetz zu lesen:
Tageseinrichtungen und die Kindertagespflege haben den gleichen gesetzlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag zu erfüllen (vgl. §§ 22 ff. Achtes Buch Sozialgesetzbuch). Trotz der gesetzlichen Gleichstellung des Förderauftrags der beiden Angebotsformen weist die Kindertagespflege ein eigenes Profil auf, das es zu stärken gilt.
Ich sehe weder in der gängigen Praxis noch im Entwurf des Kita Zukunftsgesetzes eine angestrebte Gleichstellung und erst recht kein Bewusstsein, für das großartige Profil und Potential der Kindertagespflege, das gestärkt werden soll. Im Gegenteil. Ich sehe Vorboten einer gezielten Verdrängung.
Wigwam Stellungnahme zum Entwurf des Kita Zukunftsgesetzes RLP
- Zu § 2 Begriffsbestimmungen
Die Kindertagespflege wird definiert als eine „familiennahe“ Betreuungsform. Dieser Begriff hat es per se schon immer in sich, denn anders als der Begriff „familiär“ erlaubt er, die eigentliche Kern Mission der Kindertagespflege, nämlich Kindern in familiärerer Umgebung Bindung und Geborgenheit zu vermitteln, wie es die Großfamilie vor der Globalisierung vermochte, auf vielfältige Weise zu verwässern.
Und das war auch das Ziel.
So finden wir auch heute schon eine „Tagesmutter“ im Haushalt der Eltern oder in von Unternehmen bereitgestellten Räumen.
Unsere Auffassung:
Niemand hat etwas dagegen, wenn Babysitter und Kinderfrauen zum Einsatz kommen, aber sie sind weder dem Berufsstand der Kindertagespflege zuzuordnen, noch ist es hilfreich, eine weisungsabhängige Betreuungsform, die es schon immer gab, als "Kita to go“, umzuetikettieren; so geschehen vor Monaten durch eine Senatorin im hohen Norden.
Ziel dieser unsäglichen Verklausulierung ist
a) Qualität zu suggerieren, wo keine ist und
b) den Berufsstand der Kindertagespflege für alle möglichen und unmöglichen Betreuungslagen zu missbrauchen.
Von daher begrüßen wir es außerordentlich, dass weiterhin ausgeschlossen bleibt, dass Tagesmütter und -väter für sogenannte Randzeitenbetreuung in Kitas hinzugenommen werden können. Eine weiterführende Aufweichung des Berufsprofils der Kindertagespflege ist nicht wünschenswert, wenn man das Ziel verfolgt, ihr ureigenes Profil und damit ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten.
Vielmehr vertritt Wigwam die Auffassung,
dass es Aufgabe der Einrichtungen selbst bleiben muss, für moderne Öffnungszeiten zu sorgen, sofern der Bedarf bei Fachkräften vorhanden ist. Kindertagespflege bietet auf selbständiger Basis flexible Öffnungszeiten schon lange im eigenen Profil an. Insofern Einrichtungen auf moderne Berufsbilder selbst keine Antwort finden, ist es vielmehr Zeit, darüber nachzudenken, ob Kita überhaupt noch die erste Wahl beim Thema Vereinbarkeit von Familie & Beruf sein kann, oder ob dies nicht sinnvollerweise die Kindertagespflege übernehmen soll.
Es ist nicht Aufgabe der Kindertagespflege hier als Randzeitenfüller zu fungieren, weder durch Abholung der Kinder, wie dies in früheren Zeiten oft gehandhabt wurde, was viele Tagesmütter und -väter in den finanziellen Ruin führte, noch in den Räumen einer Kita Einrichtung.
In Sachen Kindeswohl ist zudem die grundsätzliche Überlegung angebracht, ob Kinder, die zu ungewöhnlichen Zeiten betreut werden sollen, nicht besser aufgehoben sind in einem familiären Kontext. Unser Wigwam Verständnis von Kindeswohl & Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht also in der Praxis schon lange dahin, eine Betreuungsform, die das bietet, zu fördern und auszubauen, statt sie permanent zurecht zu stutzen, um sie für eine Kita Einrichtung, die selbiges nicht kann, nutzbar zu machen.
- § 3 Grundsätze der Erziehung, Bildung und Betreuung
Es ist für uns vollkommen unverständlich aber bezeichnend, dass der gesamte Paragraph die Kindertagespflege mit keinem Wort erwähnt, sondern sich explizit nur auf Tageseinrichtungen bezieht. Das deutliche Ausklammern der Kindertagespflege aus allen qualitativen Fördermerkmalen, die im § 22 Abs.2 und 3 SGB VIII eindeutig gleichrangig formuliert sind, wirft die Frage auf, wozu strebt der Gesetzgeber dann eine intensive Qualifizierung der Kindertagespflege an, wenn ein Land sie in diesem Aufgabenbereich nicht benennen will.
Wir sehen darin erste Vorboten, dass im Zuge des fortschreitenden Ausbaus der Kita Einrichtungen vorsichtshalber schon mal die Weichen gestellt werden, den unliebsamen Nebenbuhler Kindertagespflege rechtzeitig kalt zu stellen.
- § 6 Grundsätze der Kindertagespflege
(1)
Es ist abermals schön zu lesen, dass die „5 gleichzeitig anwesenden FREMDEN Kinder“ erwähnt werden. Wünschenswert bleibt weiterhin, dass Kommunen sich auch in der Praxis daran halten.
(2)
Großtagespflege. DAS Tabu des Landes Rheinland-Pfalz
schlechthin findet oh Wunder seine Aufweichung. Wo?
In der freien Wirtschaft. Da wo der Rubel rollen und die Steuereinnahmen sicher sprudeln sollen, sind alle Vorbehalte wie von Geisterhand verschwunden.
Wer hätte das gedacht:
2 Tagespflegepersonen dürfen plötzlich in Räumen eines Unternehmens „so ganz familiennah“ ;-) zusammenwirken. 10 Tageskinder dürfen es sein, vertraglich jeder einzelnen zuzuordnen. Ordnung muss schließlich sein.
Kindertagespflege wird also abermals an Stellen zurecht gebogen, wo politisch Verantwortlichen keine anderen Lösungen einfallen. Dass die restriktive Haltung der Landesregierung, die sich immer darauf stützte, dass Kindertagespflege „Familien nah“ sein und bleiben soll, sich damit ad absurdum führt, muss nicht näher ausgeführt werden.
Unsere Auffassung:
Wie eingangs bereits erwähnt, bleibt es jedem Unternehmen, ob groß oder klein, unbenommen, in firmeneigenen Räumen Kinderfrauen oder Babysitter zu beschäftigen.
Mit Kindertagespflege hat dies aus Wigwam Sicht allerdings nichts zu tun!
Aufgrund dessen widersprechen wir an dieser Stelle der Auffassung der IG Kindertagespflege Rheinland-Pfalz, die den Vorstoß der Landesregierung aufgenommen und nur dahingehend kritisiert, dass ein sogenanntes firmeninternes „Belegsystem“ in den Räumen eines Unternehmens nicht installierbar, weil finanziell für die Tagespflegepersonen nicht tragbar wäre, da unternehmensfremde Tageskinder nicht hinzu genommen werden dürften, insofern die erlaubten 10 Kinder innerhalb einer Firma nicht zusammen kämen. Die IG Rheinland-Pfalz sieht bei diesem Denkkonstrukt zudem ein Ungleichgewicht zwischen großen und kleinen Betrieben.
Unsere Wigwam Lösung:
Insofern ein Unternehmen echte Kindertagespflege nutzen möchte, gibt es eine sehr einfache Lösung, die sowohl in kleinen als auch in großen Unternehmen gut umzusetzen ist:
Statt eines Belegsystems, dass davon lebt, dass bestimmte Tagespflegeplätze frei zu halten sind, bietet man Unternehmen die benötigte Anzahl von Plätzen in einem „freien Kontingent“ an. In einem freien Kontingent ist nur die Anzahl der gebuchten Tagespflegeplätze festgehalten, die im Fall der Fälle zum Einsatz kommen; es sagt aber nichts darüber aus, welche Plätze das im Einzelfall zu sein haben.
Dies setzt selbstverständlich den Zugriff auf ein gut organisiertes Netzwerk und straffste Planungsarbeit innerhalb desselben voraus. Wigwam verfügt über dieses Netzwerk, gewachsen in 25 Jahren Aufbauleistung. Wir haben auch keinerlei Vertretungsprobleme. Somit kann zu jedem Zeitpunkt auch Kleinstunternehmen im Rahmen seines Bedarfes ganz wunderbar geholfen werden.
Für Mitarbeiter Eltern und die Tagespflegepersonen birgt dies den unschlagbaren Vorteil, dass sie einander nicht wahllos zugewiesen werden, sondern beide Parteien sich nach diversen Kennenlernen frei füreinander entscheiden können.
Weiterhin ist die Auslastung der Wigwam Tagesmütter und -väter zu jedem Zeitpunkt sichergestellt, auch dann, wenn von der entsprechenden Firma kein Bedarf ausgeht oder Mitarbeiter Familien in ihrem Betrieb kündigen oder gekündigt werden.
Man darf nur eins nicht tun:
Dem fortgesetzten Aufweichen des Berufsstandes permanent Vorschub leisten, um wirtschaftlich teil zu haben!
Kindertagespflege wird selbstverständlich dringend in Unternehmen gebraucht! Aber der Berufsstand sollte seine Betreuungskraft nur nach den „eigenen Regeln“ zur Verfügung stellen. Und diese Regeln gelten außer Haus in den Räumen der Tagesfamilie. Es gibt Unternehmen, die aufgrund unserer Jahrzehnte langen Überzeugungsarbeit verstanden haben, dass gute Betreuungsleistung kontinuierlich und planbar nur dann zu haben ist, wenn es den Leistungsträgern der Betreuung gut geht.
Und dafür stehen wir im Wigwam seit 25 Jahren.
Abschließend sei zur Großtagespflege warnend zu sagen:
Die Erschaffung dieser Betreuungsform hat nur eines zum Ziel:
Die schnell verfügbare Billig Kita zu installieren, an Stellen, wo gespart werden soll. Ich warne also eindringlich davor, darauf herein zu fallen, denn auch der Großtagespflege Mohr kann gehen, wenn der Kita Ausbau seiner Erfüllung entgegen geht.
- § 17 Bedarfsplanung
Einen Bedarf zu planen, ist immer gut.
Bleibt zu hoffen, dass hierbei auch dem Umstand begegnet wird, dass Eltern ihre Kinder mehrfach in verschiedenen Einrichtungen anmelden. Absatz 4, letzter Satz, sieht vor, dass öffentliche Jugendhilfe bestimmen kann, dass Eltern innerhalb einer Frist ihren Betreuungsbedarf anzumelden haben. Zukünftig kann es also heißen: Pech – Frist versäumt?
Mit starren Vorgaben auf individuelle Gegebenheiten zu antworten, ist nie zielführend. Statt sich mit neuen Lösungsansätzen von Problemstellungen zu befassen, wird nach sicheren Instrumenten gesucht, sich vor elterlichen Ansprüchen zu schützen; nicht Bedarfe sollen geordnet werden, sondern kommunales Chaos.
Unsere Lösung:
Zeitgemäß und sinnvoll ist, Eltern eine frühzeitige Betreuungs- und Wiedereinstiegsberatung anzubieten, statt zu versuchen, Schubladen auf und zuzumachen, in die kein Wiedereinsteiger hineinpasst. Wenn man als Kommune möchte, dass Wirtschaftsunternehmen sich ansiedeln, kann man nicht auf Kriegsfuß mit deren Mitarbeitern stehen!
Elternberatung ist fester Bestandteil unserer straffen Wigwam Planungsarbeit! Unserer Erfahrung nach ergeben sich im engen persönlichen Kontakt mit Eltern große Handlungsspielräume Prioritäten von Eltern mit gebotenen Betreuungsangeboten zum Wohle beider Parteien sinnvoll abzugleichen.
- § 22 Qualitätssicherung und -entwicklung
Hier gehen wir mit der IG Rheinland-Pfalz auf ganzer Linie konform und fragen uns:
Warum kommt die KTP hier nicht vor. Wer eine Betreuungsform in ihrer Weiterentwicklung nicht vorsieht, scheint eine Weiterentwicklung nicht zu wünschen.
Eine andere Erklärung sehen wir nicht.
- § 24 Elternbeiträge – Beitragsfreiheit
Ab dem 2. Lebensjahr wird die Betreuung in Tageseinrichtungen beitragsfrei gestellt. In der Kindertagespflege nicht!?
Wer an dieser Stelle noch nicht verstanden hat, dass das Totenglöckchen für die Kindertagespflege schon mal in Form gegossen wird, dem ist nicht zu helfen.
Das ist das Aus des Gleichstellungsgrundsatzes der Betreuungsformen und unterläuft auf massivste Weise das ohnehin schwach umgesetzte Wunsch- und Wahlrecht von Eltern. In Sachen Kindeswohl wird dies dazu führen, dass Eltern auch die Tagespflegestellen verlassen (müssen), in denen ihr Kind gut integriert angekommen ist.
An dieser Stelle möchten wir einmal lobend die Stadt Mainz erwähnen, die ganz ohne gesetzliche Vorgaben, beide Betreuungsformen ab dem 2. Lebensjahr Elternbeitrags frei stellt!
Im krassen Gegensatz dazu praktiziert die Kommune Alzey – Worms folgende unverantwortliche Vorgehensweise: Hier wird Eltern ab dem 2. Lebensjahr nicht nur vorrangig eine Kita offeriert, sondern mitgeteilt, dass die Kindertagespflege Förderung gestrichen wird. Dies wird sogar bereits angekündigt, wenn Eltern mit einem sehr kleinen Kind, sich für die Kindertagespflege entscheiden und noch überhaupt nicht absehbar ist, ob ein Kitaplatz zum Zeitpunkt X zur Verfügung stehen wird.
Es liegt auf der Hand, dass es weder um Eltern noch um Kindeswohl geht. Es geht einzig darum sicher zu stellen, dass teuere Kita Plätze zu keinem Zeitpunkt leerlaufen.
Mein Appell richtet sich also an alle Tagespflegepersonen in Rheinland-Pfalz:
Wenn es jetzt nicht Zeit ist, für den Berufsstand Kindertagespflege mit all seinen Alleinstellungsmerkmalen offensiv einzutreten.
Wann dann?
Lasst nicht fortlaufend zu, dass Kindertagespflege ihr Gesicht verliert. Wenn Ihr erstmal keins mehr habt, gibt es überhaupt keinen Grund mehr, KTP zu erhalten.
Lasst Euch nicht verbiegen an Stellen, an denen ihr nicht zuständig seid oder andere Betreuungsformen versagen. Nur dann wird Euer Alleinstellungsmerkmal sichtbar.
Und zieht endlich die richtigen Schlüsse daraus, wenn ihr an bestimmten Stellen plötzlich einbezogen, um an anderen Stellen wiederum ausgesondert zu werden!
Tretet ein für einen eigenen selbständigen Berufsstand der tut, wozu er einst angetreten ist.
Übernehmt Verantwortung für Eure berufliche Autonomie, die das Herzstück der Kindertagespflege bleiben muss!
Den Verantwortlichen des Familienministeriums werden wir unsere Haltung in schriftlicher Form zukommen lassen.
Herzlich
Susanne Rowley