Friday, 1. April 2005

Autor: Susanne Rowley

Schweigepflicht in der Kindertagespflege

Heute möchte ich mich einem Thema widmen, an das die wenigsten Tagesmütter und Eltern denken, 

wenn sie ein Betreuungsverhältnis eingehen, es sei denn, es betrifft sie ganz plötzlich schmerzlich, oder sie werden schon zu Beginn darauf gestoßen

Die Schweigepflicht in der Kindertagespflege "Selbstverständlich bin ich verschwiegen" -

sagte kürzlich eine neustartende Tagesmutter zu mir, die im Begriff war, das erste Elternpaar und ihr potentiell zukünftiges Tageskind kennenzulernen. Kurz darauf - nach dem 1. Schnupperbesuch der Eltern - erreichte mich ein Anruf der gleichen Tagesmutter: "Wissen Sie Frau Rowley - das Kind ist echt ein süßes, die Eltern auch total nett - ich würd's ja auch gerne nehmen - aber die beste Freundin der abgebenden Mutter ist eine Mitarbeiterin meines Mannes - das geht leider nicht - und Sie können sich ja denken, was alles so geredet wird !" 

Die "Welt ist ein Dorf"

kann ich da nur sagen - und habe Lust, das Thema mal näher unter die Lupe zu nehmen. Sicher, kann ich mir vorstellen, was alles so geredet wird. Aber, wir haben es hier nicht mit "Hempels unterm Dach" zu tun, sondern mit einem professionellen Berufsstand, der sich dessen auch bewußt sein sollte. Würden wir dieser Sorge wirklich nachgeben, so müßten wir uns doch fragen, ob sich Ärzte auch nach diesem Motto ihre Patienten aussuchen ? Man hätte Lust, auch noch ein Stück weiter zu denken - wie steht es denn in unserem Lande mit der Grundbereitschaft, Vertrauensverhältnisse aufzubauen und ihnen auch mal zu vertrauen ? Sprechen wir uns mit der voreingenommenen Weigerung, sich auf so etwas einzulassen, die eigene Fähigkeit dazu nicht ab ? Und warum können wir uns nicht vorstellen, dass wir mit gutem Beispiel vorangegangen nicht das gleiche von der Gegenseite erwarten können ? Gut - ich will nicht abschweifen in weitreichendere Betrachtungen - ich denke jeder weiß, was ich damit meine und kehre insgeheim vielleicht vor der eigenen Tür :-). 

Betrachten wir das ganze mal konkret:

In der Tagespflege bekommt nicht nur die Tagesmutter, sondern auch die abgebende Mutter/Vater einen recht großen Einblick in die privaten, ja sogar intimen Bereiche der jeweils anderen Seite. Zu Beginn bereits wird über die Familienverhältnisse, Anschauungen, Wertvorstellungen und Entwicklungsstadien des Kindes bis ins Detail gesprochen. Schon da fällt es oft beiden Seiten auf, wie sehr die jeweiligen Lebensweisen, Wertvorstellungen und Einstellungen mit der der anderen Seite kollidieren oder abweichen können. Im fortgesetzten Betreuungsverhältnis erlebt man den anderen jeweils in Streß- und Alltagssituationen, erfährt Neuigkeiten familärer, finanzieller oder arbeitstechnischer Art. Hinzu kommen scheinbar beiläufige Bemerkungen und Geschichten, die das Tageskind in der Gastfamilie erzählt - oft zusammenhanglos oder nur bruchstückweise. Oft hat die Tagesmutter durch Verhaltensweisen des Tageskindes auch ausreichend Raum für freie Interpretationen, die vielleicht gar nicht stimmen mögen - sie denkt sich halt ihren Teil. Wie geht man mit dieser Situation, die gar nicht zu vermeiden ist, verantwortungsbewußt um? Bewußt eben! - fällt mir hier spontan ein! Die Eltern des Tageskindes sehen die Tagesmutter zurecht als Vertrauensperson und erwarten zu Recht, dass das Gehörte und Gesehene nicht weitergetragen wird. Dies gilt aber auch umgekehrt! 

Nun muß man einer Tagesmutter aber auch zugestehen,

dass sie - wie jeder andere fühlende und arbeitende Mensch auch - das Bedürfnis hat, sich über das Erlebte des Tages auszutauschen. Wenn Sie die Gelegenheit hat, sich mit anderen professionellen Kolleginnen zu treffen oder auszutauschen, so ist davon auszugehen und zu verlangen, dass auch hier die Schweigepflicht - bezüglich Namensnenneung etc. - beachtet wird. Die Tagesmutter muß und soll eine Unterstützung erfahren, um einer möglichen Isolation in ihrer Tätigkeit vorwiegend im Hause entkommen zu können. Die Tagesmutter sollte aber explizit unterscheiden, welche Informationen nicht dem Austausch dienen und somit die Schweigepflicht verletzen würden. Sie könnte also z.B. mit Kolleginnen besprechen, wie am besten in einer schwierigen Erziehungssituation reagiert werden könnte, sollte sich aber tunlichst davor hüten, nebenbei familiäre Intimitäten der abgebenden Eltern mit auszuplaudern. Auf jeden Fall sollte sie all dies anonym tun. Das bedeutet, keine Namen zu nennen und keine so eindeutigen Beschreibungen und Wertungen zu liefern, dass die entsprechende Familie oder Person leicht zu identifizieren ist. Diese feine Grenze sollte man übrigens als Tagesmutter auch gemeinsam mit dem Lebenspartner/Ehemann ziehen. Da der Ausstausch im innerfamiliären Bereich der Tagesfamilie wohl selbstverständlich ist, ist auch der Gatte der Tagesmutter an die gleiche Schweigepflicht gebunden; dies sollte jede Tagesmutter auch zu Hause ganz klar formulieren. In unserem Eingangs beschriebenen Fall, wäre es also durchaus möglich eine Betreuung erfolgreich durchzuführen, wenn sich beide Parteien über die Ernsthaftigkeit der Schweigepflicht im klaren wären, und diese fix vereinbarten. Warum sollte es nicht möglich sein, beiderseits zu vereinbaren, dass der Austausch mit der Kollegin des Ehemannes der Tagesmutter ganz einfach unterbleibt, oder ganz grob allgemein gehalten wird. Da beide Seiten - Eltern und Tagefamilie - gleichermaßen betroffen sind, sollte das Thema nicht unter den Teppich gekehrt werden. Dies sollte durchaus Gegenstand der ersten Gespräche sein. Einmal angesprochen, beruhigt es beide Seiten und signalisiert auch die gewünschte Professionalität. Wichtig ist, dass man beachtet, dass die Schweigepflicht auch über das Ende des Betreuungsverhältnisses hinaus Bestand hat. 

Der Tagesmütter-Bundesverband empfiehlt sogar, diesen Passus mit in den möglichen Betreuungsvertrag mitaufzunehmen. 

So könnte die Passage z.B. so aussehen: "Die Vertragsparteien verpflichten sich, über alle Angelegenheiten, die den persönlichen Lebensbereich der jeweils anderen Vertragspartei betreffen, und ihrer Natur nach eine Geheimhaltung verlangen, Stillschweigen zu bewahren." Selbstverständlich kann es auch Situationen geben, in denen die Tagesmutter von der Schweigepflicht ganz oder teilweise entbunden sein muß. Wenn das Tageskind bsp.weise bereits im Kindergarten- oder Schulalter ist, so läßt es sich oft nicht vermeiden, dass auch sie Kontakt zu Erzieherinnen und Lehrern teilweise unterhält. In solchen Fällen bedarf es ganz einfach zusätzlicher klarer Absprachen mit den Eltern. Hier gilt es, sich dann im Einzelfall von den Eltern eine entsprechende Vollmacht ausstellen zu lassen. Vor allem auch in Notfällen - plötzlichem Auftreten von Krankheiten - ist dies eine unerläßliche Maßnahme. Die Tagesmutter sollte neben der üblichen Arztvollmacht (zu erhalten bei Wigwam) immer auch eine Kopie des Impfausweisses sowie die Angaben zur Krankenversicherung parat haben. 

Man sollte dabei aber nie vergessen,

dass wir alle Menschen sind und unsere Neigung in der Gesellschaft zunehmend alles in Verträge zu pressen, statt auf Vertrauen zu setzen, auch schonmal zum Erreichen des Gegenteils - nämlich Mißtrauen zu schüren - beitragen kann. Erlebte positive Erfahrungen tragen zum Wachsen von Vertrauen bei - und hier kann jeder bei sich selbst beginnen. Es ist im Grunde ga nzeinfach-wirsolltenden1.Schrittmachen, es einfach vorleben, statt alles niederzuschreiben oder leere Versprechungen zu machen.

Schreiben Sie mir doch mal, welche Erfahrungen Sie mit diesem Thema gemacht haben; das würde mich sehr interessieren.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch einen schönen Frühlingsanfang - genießen Sie die ersten Sonnenstrahlen - das tue ich auch, wenn ich meine Nase mal aus dem Büro stecke.

Es grüßt herzlich
Susanne Rowley

Wigwam 1994
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