Saturday, 12. October 2013

Autor: Susanne Rowley

Schlag-Wort "Kindeswohlgefährdung" in aller Munde

1-Jährige haben keine Lobby.


Kindeswohlgefährdung!

Ein Schlagwort, das uns in vielerlei Zusammenhängen, wenn wir von Familie und Betreuungsmaßstäben sprechen, begegnet.

Liebe Wigwam-Freunde,

die meisten Menschen stellen sich darunter eine Tat vor, die am Kind ausgeübt sicht- und greifbar ist. Einen Akt, der augenblicklich einen messbaren Schaden beim Kind erkennen lässt.

Aber ist dem wirklich so?

Ist das Wohl eines Kindes nur dann gefährdet, wenn ich es sofort erblicken kann? Sind damit allein Umstände gemeint, die ein Jugendamt dazu bewegen müssten, ein Kind aus seinem gewohnten Umfeld zu nehmen?

Der Rechtsanspruch für 1-jährige

auf einen Kita-Platz ist im August diesen Jahres in Kraft getreten, und es war anzunehmen, dass Eltern von einem Anspruch, der ihnen von Gesetzes wegen eingeräumt wird, ihnen auch als geeignet erscheint, und sie zunächst gerne davon Gebrauch machen.

Ein Anspruch von dem sie denken, dass er im Sinne ihrer Familie und "zum Wohl" ihres Kindes ausgestaltet wurde. Namhafte Experten der Wissenschaft, und auch ich, die sich an der praktischen Front seit 20 Jahren bewegt, wussten aber, welche Folgen es auch haben würde, wenn ein solcher Rechtsanspruch auch dann zur Umsetzung gepeitscht wird, wenn die Machbarkeitsampeln auf Rot stehen.

Und diese Folgen sind nun eingetreten.

Die eiligst aus dem Boden gestampften Kitas und Aufbewahrungscontainer, sowie die bereits bestehenden Kitas, die teilweise nur durch künstlich aufgeblähte Gruppen mit massiver Erweiterung der Kinderzahl bei gleichbleibender Zahl von Erziehern dem Rechtsanspruch genügen konnten, tragen ihre Früchte.

Es hat Folgen auf beiden Seiten. Neben den Erziehern, die sich in der Ausübung der Betreuung völlig überfordert fühlen, melden sich nun nach und nach verzweifelte Eltern, die erleben, was es heißt, ein Kleinkind von nur 1 Jahr in einer Großgruppe untergehen zu sehen.

Aus Briefen und mündlichen Erzählungen erfahre ich nun wöchentlich hautnah, wie Kleinstkinder, die mit nur knapp 1 Jahr völlig alleine gelassen in einer Ecke sitzen, mit voller Windel und ohne nennenswerte Zuwendung. 1 Jahr alt sein heißt, gerade erst ein Erinnerungsvermögen ausgebildet zu haben, gerade so begreifen zu können, dass wenn Vater oder Mutter den Raum verlassen, sie auch wirklich wieder kommen. Kinder, die eine enge Bindung zu bleibenden Bezugspersonen be-NÖTIGEN, um ihre Seele gesund zu erhalten.

Diese Eltern haben keine Lobby,

denn alle kämpfen heute und zukünftig für sich allein! Und so erreichen mich seit August mehr und mehr Briefe und Zustandsberichte dieser Art:

Zitat:

>>Liebe Frau Rowley, ich wende mich an Sie bzw an ihr Team mit einem für mich momentan sehr schwierigen Thema. Unser 13 Monate alter Sohn ist seit 3 Wochen zur Eingewöhnung in einer Krippe. Diese Eingewöhnung sowie der komplette Ablauf in der Krippe ist für unsere ganze Familie und vor allem für Maximilian (Name geändert) eine massive Belastung, und ich bin mir mittlerweile sehr sicher, dass weder er noch wir als Eltern damit auf Dauer glücklich werden können. Die Einrichtung, die wir derzeit besuchen, ist noch sehr neu, und wir waren von der Ausstattung und dem Außengelände zunächst sehr angetan. Aber das, was wir dort an Betreuung vorfinden, können wir unserem Sohn auf lange Sicht nicht zumuten. Zu Beginn kamen auf 2 Erzieher 12 Kinder. Das erschien uns schon sehr ungenügend, aber man beruhigte uns, dass dies normal und gut zu bewältigen sei für qualifiziertes Personal. Im Laufe der Eingewöhnung fielen jedoch erst eine und dann auch die andere Erzieherin durch Krankheit aus, und am nächsten Morgen erwartete uns dort eine Aushilfe, die uns völlig unbekannt war, und die sich plötzlich um alle Kinder gleichzeitig kümmern sollte. Das geht nun schon seit Tagen so, und von einer Eingewöhnung unseres Sohnes kann wirklich keine Rede mehr sein. Leider finden wir keine passende Alternative, und wissen nicht mehr weiter. Und jetzt kommen Sie ins Spiel: mein Mann hat heute erst erfahren, dass Sie vor einiger Zeit einen Vortrag in (…………) bei seinem Arbeitgeber (……… ) gehalten haben. Daraufhin haben wir uns den ganzen Tag über mit "wigwam" beschäftigt und sind sehr angetan. Ich habe tatsächlich die Hoffnung, dass Sie unser "rettender Anker" sein könnten. Ich möchte gerne wieder ab Mitte November arbeiten und wir suchen für 4 Tage pro Woche eine Betreuungsmöglichkeit für unseren Sohn, bei der er sich wohl und geborgen fühlt und bei der er sich frei entfalten kann. Seinen Bedürfnissen sollte nachgegangen werden und ich wünsche mir eine liebevolle Vertrauensperson für den kleinen Mann. Dies alles kann uns die aktuelle Krippe nicht bieten und ich habe mittlerweile richtig gehend Angst, den Kleinen dort lassen zu müssen. Bei meinem letzten Besuch saßen auch andere Kinder im gleichen Alter alleine in einer Ecke, und es schaut einfach niemand nach ihnen. Unser gesamter Plan funktioniert einfach so nicht mehr, und wir müssen schnellstmöglich Abhilfe schaffen. Ich hoffe sehr, dass Sie uns bei dieser Problematik weiterhelfen können, obwohl ich auch schon Sorge habe, dass wir auch für Wigwam zu spät dran sind ? Da ich auf der hompage gesehen habe, dass freitags keine Beratungszeiten vorgesehen sind, habe ich jetzt einfach mal diese email vorab geschrieben. Ich hatte das dringende Bedürfniss irgendetwas zu tun . Ich würde mich noch einmal telefonisch bei Ihnen melden. Aber egal, ob wir gemeinsam eine Lösung finden, ich finde ganz toll, was Sie auf die Beine gestellt haben und wie Sie Eltern und Tagesfamilien zueinander bringen. Bitte melden Sie sich bald. Herzliche Grüße …..<<

Zitat Ende

Ich möchte nicht darüber nachdenken, was es auch für mich und unsere Betreuungsfamilien bedeutet, zukünftig nicht mehr ausreichend planen zu können, sondern ad hock in die "Presche" springen zu müssen..

Es ist offensichtlich,

dass diese Zustände keine Einzelfälle sind und bleiben werden. Und denkt man die Auswirkungen, die es auch auf die Erzieher langfristig haben wird, zu Ende, kann man heute schon erahnen, dass dieser Umgang sich negativ auf den gesamten Berufszweig auswirken wird, und Erzieher, die ihren Beruf mit Erfüllung leben wollten, sich zusätzlich noch abwenden und die Situation somit verschlimmern.

Die Anfänge einer katastrophalen Entwicklung sind jetzt schon erkennbar. Und glaubt man der heute nicht mehr umstrittenen Bindungstheorie, wird sich diese „Aufbewahrung“ von Kleinstkindern in deren Entwicklung negativ auswirken. Die Betreuungsschlüssel sind in vielen Einrichtungen knapp bemessen – mit Krankenständen und Fortbildungen wurde mancherorts nicht kalkuliert.

Und so fragt man sich,

wie eine einzige Aushilfe in der Lage sein soll, kindliche Signale und die dahinter stehenden Bedürfnisse und Wünsche aufzunehmen. Jede Bezugsperson, sowohl Eltern als auch Betreuer müssen im Laufe der Zeit lernen aus welchen Gründen (Hunger, Müdigkeit, Langeweile, Schmerzen, Zuwendung) ein Kleinstkind sich meldet, schreit oder weint.

Sie müssen sich in die Situation des Kindes hineinversetzen,

sich mit ihm beschäftigen, sich ihm zuwenden, es kennen lernen; und dazu braucht es Zeit und Raum. Ein sehr kleines Kind kann noch nicht warten, wie es ein größeres bereits vermag. Es empfindet alle seine Bedürfnisse als lebensnotwendig. Es ist verzweifelt, wenn seine Bezugsperson nicht reagiert, erlebt den Zustand der Nichterfüllung als unveränderlich. Das Kleinkind muss erst noch lernen, dass es einen Bezug zwischen seinem Verhalten und der Reaktion der Eltern oder Erzieher gibt. Durch unmittelbares Reagieren erfährt das Kind, dass es durch sein Verhalten in seiner Umgebung etwas bewirken kann. Es wird hierdurch ermutigt, seine Bedürfnisse mit zu teilen. Werden diese Bedürfnisse aus Zeitmangel ignoriert, wird es klagen und sich nach geraumer Zeit nicht mehr melden…

Ich kann gerade selbst nicht glauben, dass dies womöglich zukünftig Gegenstand meiner Artikel sein soll!

Gesetzesauflagen sind streng geworden in den letzten Jahren, alle Bezugspersonen müssen hohe Qualifikationen nachweisen.

Aber was nützt all das,

wenn die Auflagen in der realen Betreuung nicht umgesetzt werden und ein Anspruch auf Erfüllung wichtiger ist, als die realen Möglichkeiten dazu.

Bislang war meine Beratungsarbeit niemals von der Bevorzugung einer Betreuungsform geprägt,

sondern immer davon, für jede Familie „die richtige“ Betreuungsform zu empfehlen.

ch bin mir nicht mehr sicher, ob ich diesen Anspruch auf Dauer werde halten können, wenn sich dieser Trend fortsetzt.

Währet wenigsten bei den Allerkleinsten den Anfängen - ich hab vergessen, von wem dieser Satz stammt...

herzlich Eure Susanne Rowley

Wigwam 1994
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