Thursday, 14. November 2013
Pfusch am Bau der Kindertagespflege
Notnagel Tagesmutter.
www.wdr.de/tv/frautv/sendungsbeitraege/2013/1121/tagesmutter.jsp
Was nicht ist, kann ja noch werden?
„Notnagel Tagesmutter“- Pfusch am Bau der Kindertagespflege
Liebe Wigwam-Freunde,
wir haben diesen TV Beitrag unseren Mitgliedern angekündigt; viele haben ihn sich angesehen, und der Rücklauf ist entsprechend dem, was auch ich gesehen habe:
Im Ansatz gut, in der Ausführung ein bisschen dünn auf der Brust und auf jeden Fall noch stark ausbaufähig - gemessen an der vielversprechenden Überschrift.
Wir sind ja schon dankbar, dass keine Stilmittel wie „gelbe Säcke“
in der Auffahrt zum Haus der Tagesmutter zum Einsatz kamen , aber dennoch wäre wesentlich mehr rauszuholen gewesen, würde der Kern des Notnagel-Problems vollumfänglich verstanden worden sein.
Das Problem wurde also beherzt angerissen,
konnte aber dem interessierten Zuschauer nicht wirklich nahe gebracht werden. Einzig der oder die Insider des Themas konnten erahnen, worum es hierbei eigentlich hätte gehen müsste.
Zunächst einmal freuen wir uns, das besagte Tagesmutter im Bericht deutlich ausspricht, was wir bereits seit Jahren weitertragen:
Die Kindertagespflege hat einen völlig anderen Auftrag in der Betreuungslandschaft;
von daher hinkt jeglicher Vergleich mit anderen Betreuungsformen, und der Versuch ihr durch den Vergleich die ersehnte Anerkennung zu verschaffen, schadet mehr, als das er nutzt.
Die Kindertagespflege hat diesen Vergleich auch nicht nötig, denn sie ist die eindeutig bessere Betreuungsform für unsere Allerkleinsten, und soll neben der vielbeschworenen Bildung und Förderung vor allem eines erreichen – durch Nähe und intensive Zuwendung die Bindungsfähigkeit der Kleinen fördern und damit eine der wichtigsten Grundlagen schaffen und erhalten, die ein Mensch in seinem gesamten weiterführenden Leben braucht.
Und richtig ist auch,
dass die Tagesmutter in dem Beitrag davon spricht, dass die Gesellschaft nicht erkannt hat, dass aus der Kindertagespflege längst ein vollumfängliches und anerkennenswertes Berufsbild entstanden ist. Aber nicht nur die Gesellschaft hat dies nicht erkannt, sondern leider auch die, die für das weitere Fortkommen und die Entwicklung dieses Berufsstandes verantwortlich zeichnen. Und dies wird besonders deutlich, als die Tagesmutter im Beitrag von den massiven Auswirkungen spricht, die der Rechtsanspruch auf einen Betreuungplatz jetzt und später auf die Kindertagespflege hat.
Und damit sind wir am Kernpunkt des eigentlichen Problems angelangt –
es macht absolut keinen Sinn, wenn wir weiterhin vordergründig an der Anerkennung der Kindertagespflege psydomäßig schrauben, die Rahmenbedingungen zum Gedeihen aber in der Realität immer schlechter werden. Und damit ist bei weitem nicht „nur“ die leistungsgerechte Vergütung gemeint, die aus meiner Sicht ganz selbstverständlich sein sollte.
Nicht nur schlechter Lohn für gute Arbeit lässt einen Berufsstand vor die Hunde gehen, sondern auch die Art und Weise, wie er zum Einsatz kommt.
Es ist also die Rede davon, wie wir mit Betreuungsressourcen, deren Entstehen uns eine Menge Geld und Schweiß gekosten haben umgehen.
Hört man im Beitrag genauer hin, spricht diese Tagesmutter im in einem scheinbar unbedeutenden Nebensatz davon, „wie“ sie seit dem Inkrafttreten des Rechtsanspruches plötzlich zum Einsatz kommt: Kinder kommen von heute auf morgen – Kinder gehen von heute auf morgen.
Hiermit legte sie die eigentliche Wurzel des Notnagel-Syndroms
deutlich frei, an dem die leistungsgerechte Vergütung allein lleider nichts ändern wird. Sicher ist dieses Problem keinesfalls neu, wurde aber durch den Rechtsanspruch massiv verschärft. Zustande kommt dieser fliegende Wechsel hin und weg zur Tagesmutter zum einen dadurch, dass vielen Eltern von heute auf Morgen bewusst wird, dass sie die falsche Betreuungsform für ihren ausgeübten Beruf gewählt haben, z.B. durch entstehende Randzeiten, die keine zuarbeitende Person mehr abfangen kann, darf und möchte.
Hinzu gekommen ist jetzt lediglich, dass diese Erkenntnis bei den Eltern noch häufiger und noch schneller auftritt, wenn sie den qualitativ schlechten Aufbau der Betreuungsplätze erkennen und ihrem Kind ad hock nicht mehr zumuten möchten. Dann kommt es dazu, dass sie fluchtartig von heute auf Morgen zur Tagespflege wechseln.
Andersherum läuft es aber auch nicht anders – Tagespflege wird mal eben schnell gewählt, wenn die Warteliste der Kita noch zu lang ist, um dann beim Freiwerden eines solchen von heute auf morgen die Betreuung bei der Tagesmutter abzubrechen.
Abgesehen davon, was diese Wechselmentalität für die Kleinen bedeutet, weil sie dadurch gewohnte Bezugspersonen verlieren, hängt dies auch mit der nicht stattfindenden Elternberatung zusammen, die die Träger der Jugendhilfe einfach nicht leisten. Aus Angst vor der Klagebereitschaft der Eltern wird der Fokus zwar scheinbar auf die Eltern und deren Wohlergehen gelegt, aber nicht damit es ihnen und den Kindern gut geht, sondern damit erst mal Ruhe herrscht im Amtskarton.
Und so wird die betreuungsanbietende Seite auf Teufel komm raus vor sich her gepeitscht, bis der Gaul, der die Kutsche eigentlich längerfristig ziehen soll, schlapp macht.
Dass die wahre Fürsorge für Eltern und Kinder eben auch bedeuten müsste, sie mit in die Verantwortung für den pfleglichen Umgang ihres „Zugpferdes“ und damit zum Erhalt ihrer eigenen Ressource anzuleiten, auf diese Idee ist noch keiner gekommen. Wo ich auch hinschaue, beschränkt sich seit Jahren das Ver-mitteln der Jugendämter zum einen auf das bloße Weiterreichen einer Telefonnummer und zum anderen auf das bloße Reagieren eines sich aktuell durch Elternmund darstellenden Betreuungswunsches/problems.
Wir predigen seit Jahren,
dass Eltern Begleitung und Unterstützung sowohl in der Planung als auch in der Wahl der für sie richtigen Betreuungsform benötigen, und dazu gehört die Betrachtung ihrer Arbeitszeiten ebenso, wie die Betrachtung ihrer absehbaren langfristigen beruflichen und familiären Vorhaben.
Es ist eben nicht so, dass dieses Heranführen an die richtige Betreuungsform nur Ruhe in den Familienalltag bringt, sondern es ist auch unerlässlich, um die wertvollen Betreuungsplätze zu erhalten. Denn was nützt es, wenn ich Tagesmütter auf ihre Eignung hin geprüft, sie Schulungen und weiterführenden Fortbildungen unterzogen habe, wenn ich hernach aber nichts tue, um den Schatz, den ich gehoben habe, auch zu erhalten. Kein normaler Mensch würde mit langwierigen Planungen ein Haus hochziehen, um es danch nicht zu beziehen, zu heizen, sondern verkommen zu lassen.
Und das findet in der Kindertagespflege tagtäglich statt.
Richtige Planung und sorgfältige Vermittlungsarbeit, also das Zusammenführen von betreuungsanbietenden und betreuungssuchenden Familien würden das Problem vollkommen beseitigen.
Leider erleben wir hier täglich das Gegenteil und müssen mehr als einmal am Tag den Gaul wieder aus dem Dreck ziehen.
Eltern auf Arbeitssuche werden abgewiesen, um sie dann beim Fündig werden eines Jobs überfallartig auf irgendeinen freien Platz zu schieben, statt sie dazu anzuhalten, sich zum Wohle aller mit 1 oder 2 Vormittagen einen guten Platz zu sichern, um dann bei Eintritt in den Job sowohl eine ausgelastete Tagesmutter, als auch ein zufrieden eingewöhntes Kind zu haben. Eltern, die in Teilzeit mit dem Aufbau ihres Berufsstandbeines befasst sind, um in aller Kürze in Vollzeit überzugehen, werden auf Teilzeit freie Plätze verschoben, der dann gewechselt werden muss, sobald die erlaubte Stundenzahl gesprengt wird. Tagesmütter, die alleinstehend und auf Vollzeitbesetzung angewiesen sind, bekommen stundenweise Kinder oder Abholaufgaben aus Einrichtungen zugewiesen, die sie dann auch annehmen, um fortgesetzt nach einem Vollzeitkind Ausschau zu halten. Oder sie haben sich weitere Vermittlungen mit der Annahme gleich selbst verbaut, weil kein weiteres Ehepaar noch freie Plätze besetzen möchte, so lange die Tagesmutter in der Gegend herumfährt, statt ihren Betreuungsauftrag zu erfüllen.
Das alles und noch viel mehr liegt daran,
dass überhaupt kein Interesse daran besteht, eine langfristige Pflege in die vorher so intensiv getätigten Investition zu stecken; dabei wären es oft nur 1 bis 2 Fragen, die Eltern gestellt werden müssten, um die Chancen auf einen Erhalt der Verbindungen abzuklären. Auch Eltern, die sich ein völlig absurdes Eigenkonstrukt der Lösung ihrer Betreuungsprobleme aus Kinderfrau am Morgen, tagsüber Krippe und Abholung am Abend von einer vollqualifizierten Tagesmutter zusammen gebastelt haben, werden nicht darauf hingewiesen, wie sie ggf. alles in einer Betreuungsform vereinen könnten und damit Schaden von einem wertvollen Tagespflegeplatz abzuwenden.
Gleiches gilt
auch für Tagesmütter, die durch diese völlig unsachgemäße Vermittlungsarbeit geradezu genötigt werden, Familien und Kinder anzunehmen, denen sie eigentlich gar keinen Platz geben dürften. Ebenso wird keiner frischgebackenen Tagesmutter erläutert, welches differenzierte Angebot sie denn in ihrem Gebiet offerieren und gestalten könnte, damit sie dem Betreuungsmarkt für sich und die Eltern langfristig attraktiv und für beide Seiten gewinnbringend zur Verfügung stehen könnte.
Das alles mutet an,
wie eine unheilige Pilgerreise, die ich mit 10 verschiedenen Fortbewegungsmitteln ausgestattet hinter mich bringen muss, um dann völlig erschöpft am Ziel zusammen zu brechen.
Auch die flächendeckend dringend erforderliche, gleichgestellte Vergütung würde hier erste Abhilfe schaffen – denn zu Recht erwähnt die Tagesmutter im Beitrag, dass sie derzeit ungern ein Kind aus der Kommune aufnehmen würde, aus der derzeit die schlechteste laufende Geldleistung kommt und/oder bei der die private Zuzahlung der Eltern gekappt wurde.
Noch kurioser wird es dann, wenn in der einen Kommune die laufende Geldleistung an der tatsächlichen Betreuungsstundenzahl festgemacht wird, in Fehlzeiten der Eltern also gar kein Zuschuss fließt, und in der Nachbargemeinde aufgrund des horenden Verwaltungsaufwandes längst wieder zu einer pauschalen Abrechnung übergegangen wurde.
Ein völliger Genickbruch i
st es dann, wenn alles auch noch zusammen kommt:
Verbot von privater Zuzahlung gepaart mit stundengenauer Erfassung der tatsächlich betreuten Stunden und viel zu niedrigem Stundensatz. Solche Kommunen könnten eigentlich die Schulung der Tagesmütter gleich ganz einstellen, denn keine wird lange bei der Stange bleiben (können).
Wir hier bei Wigwam erarbeiten im Vorfeld mit beiden Seiten eine gute „Lösung„ der vielschichtigen Lebenssituationen beider Seiten – zum Wohle aller – aber vor allem für das Kind.
Es macht keinen Sinn, eine Langstreckenfliegerin nach einem Kitaplatz schielen zu lassen, und wir sind so frei und ziehen der Lehrerin, die 14 Fehlwochen im Jahr aufgrund der Ferien zusammenbringt den Zahn, dass sie eine alleinstehende Tagesmutter auslasten kann, und wir sagen dem Wissenschaftler-Ehepaar deutlich, dass nach der Auslands-Forschungsreise der Platz, den sie gerne behalten würden, leider vergeben werden muss, wenn keine gute Pauschallösung gefunden wird, die es ihrer Tagesmutter ermöglicht, ihnen und ihrem Kind erhalten zu bleiben. Und wir helfen der Ergotherapeutin, die nur 3 Vormittage zu ihren Kunden rausfährt, einen 4. Vormittag anzudenken, damit sie genau den Tagesmutterplatz ihres Herzens besetzen kann, der aber auf die Vergabe eines 20-Wochenstunden-Platzes angewiesen ist.
Und - oh wunder,
wie oft stoßen wir dabei offene Türen ein, denn welche Mutter hat nicht noch gerne ein wenig zusätzlichen Freiraum für stressfreie Einkäufe. Aber Eltern sind mittlerweile bereits so auf Betreuungsplatzknappheit dressiert, dass sie fast alle grundsätzlich davon ausgehen, je weniger Betreuungszeit sie einfordern, umso höher die Chancen, auch einen zu bekommen. Dass es aber genau anders herum sein könnte, auf die Idee müssen wir sie oftmals erst bringen.
Aufklärung bringt Klarheit
und ermöglicht Bewegung beider Seiten aufeinander zu. Vermittlungsarbeit muss immer beide Seiten mit einbeziehen, und der Ver-mittler steht in der Mitte, wie der Name schon sagt, und sollte tunlichst seine Erfahrungen machen und dann auch zum Einsatz bringen.
So wie Pfusch am Bau leider meist zum Abriss des Hauses führt, so pfleglich muss auch mit dem „Haus der Betreuung“ umgegangen werden.
Und so sind die Menschen bei Sachen und Dingen relativ schnell lernfähig, bei unseren Familien und den Kleinsten allerdings versagt die Pflege und Fürsorge auf breiter Front. Und so werden wir wohl deutschlandweit weiter zusehen müssen, wie wertvollste Betreuungsressourcen vorne vollmundig aufgebaut werden, um sie hinten verkümmern zu lassen.
Schade drum - aber wir sind ja auch noch da :-)
herzliche Grüße
Susanne Rowley