Thursday, 25. February 2016
Klappe zu - Affe tot! Von neuen Klagewellen an bekannten Ufern
Von neuen Klagewellen, die an alte Ufer schwappen
Liebe Wigwam-Freunde,
Zurzeit werden die Kommunen mit Klagen von Tagesmütter und -vätern zunehmend geflutet. Ich muss zugeben, so viele Tüten Mitleid hab ich grad gar nicht greifbar ;-).
Siehe diese beiden Artikel aus Dresden und Ingolstadt
https://mopo24.de/nachrichten/dresden-tageseltern-schulden-millionenhoehe-anklage-50576
http://www.ovb-online.de/bayern/klagen-tagesmuetter-6155466.html
Um zu verstehen, warum Kommunen zunehmend in diese missliche Lage kommen, schrauben wir mal kurz an der Uhr und schauen, was im Kern dazu führte, und warum ihnen diese Klagewellen auch zukünftig nicht erspart bleiben werden. Ich könnte es auch kurz machen und sagen: um die Klagewellen von Eltern abzuwenden, wurden die Klagewellen von Tagesmüttern und -vätern erzeugt.
Das verstehen Sie nicht? Aber gleich.
Wie wir alle wissen, entstand das Dilemma bereits an jener Stelle, an der die bundesgesetzliche Regelung des SGB VIII bei der Kindertagesbetreuung einige Fragen offen gelassen und deren Beantwortung den Kommunen und Ländern zur Ausgestaltung überlassen hat. Dieser Umstand für sich genommen wäre gar nicht so tragisch, könnten die verantwortlichen Stellen mit dieser Freiheit samt Chance richtig umgehen. Heißt: Kräfte dahin lenken, wo Leistung rauskommen soll, statt sie sinnentleert walten zu lassen.
Im Rahmen der Finanzierung der KTP (Kindertagespflege)
sind unterschiedliche Anspruchszusammenhänge und Rechtsverhältnisse von Vertragspartnern entstanden, die auch durch das KiföG aus dem Jahr 2009 nicht wirklich ausgeräumt werden konnten. Die Tatsache, dass die gesamte Finanzierung ein Mischmasch geblieben ist, aus teilweise einseitigen Verwaltungsakten, gepaart mit schwammigen gesetzlichen Begrifflichkeiten und zivilrechtlichen Möglichkeiten hat dazu geführt, dass das Ziel einer qualitativ guten Kindertagespflege völlig aus dem Focus geraten ist. An die Stelle ist ein sinnloses Hauen und Stechen getreten, das jeder Beschreibung mittlerweile spottet. Was der Gesetzgeber will, kommt beim Kind nicht an. Dass nun Richter sich der Sache zunehmend annehmen müssen, zeigt deutlich, dass der Finanzierungsflickenteppich sich langsam dem Wahnsinn nähert, dabei könnte es so einfach sein.
Bis der Wahnsinn uns ergriffen hat,
möchte der Gesetzgeber gerne sehen, dass öffentliche Jugendhilfe sich den leistungsberechtigten Eltern gegenüber voll verpflichtet fühlt, aber das schafft sie nun mal nicht alleine. Im Klartext, der Anspruch der Eltern auf Betreuung wird in einem Leistungsdreieck erfüllt - nämlich mit der öffentlichen Jugendhilfe und „durch“ die Tagesmutter/-den vater. Aber einer stört da dauernd: Der Dritte im Bunde, die Tagesmütter und -väter; sie sind prinzipiell Erfüllungsgehilfen dieses Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und der öffentlichen Jugendhilfe und stellen sich zunehmend quer.
Da hilft es auch nur bedingt weiter, dass § 23 Abs. 1 SGB VIII die Finanzierung der KTP näher regelt, denn was „angemessen“ ist an laufender Geldleistung / Sachleistung etc. darüber lässt sich bekanntlich trefflich streiten. Der springende Punkt, der das Fass zum Überlaufen bringen muss, ist neben der grundsätzlich falschen Herangehensweise auf dem Weg zur erhofften Zielgeraden, dass der Erfüllungsgehilfe auch noch (Gott sei's gedankt) selbständig ist, mit ihm aber nicht „verhandelt“ werden muss. Im Gegenteil, öffentliche Jugendhilfe kann einseitig festlegen, welche Vergütung sie als leistungsgerecht ansieht. Da haben wir den Salat, oder die Lösung schon auf dem Tablett – ganz wie Sie das sehen möchten. Würden Verantwortliche begreifen, was gute Unternehmer schon lange wissen, nämlich dass gutes Personal in Zeiten von zunehmender Knappheit besser zufrieden gestellt, statt auf die Palme gebracht werden sollte, wäre allen geholfen. Würde dann der große Bruder Bund noch mit ins Finanzierungsboot hüpfen, könnte öffentliche Jugendhilfe zudem die gierige Hand aus der Hosentasche der Eltern herausnehmen. Perfekt. Ein frommer Wunsch.
Wir sehen alle, das Eingangsdilemma an der praktischen Betreuungsplatzfront
spitzt sich insgesamt noch weiter zu, seit wir den Rechtsanspruch haben. Denn nun ist die öffentliche Jugendhilfe dazu verpflichtet, eine bedarfsgerechte Anzahl von Betreuungsplätzen in der Kindertagespflege zu schaffen und vorzuhalten, was ihnen auf weiten Strecken nicht gelungen ist. Und anstatt die Vergütung der Erfüllungsgehilfen auf ein Niveau zu heben, dass die Gesamtsituation nicht nur extrem entspannen, sondern das Feld der Interessierten an Kindertagespflege erweitern würde, greifen sie weiterhin zum Sparstrumpf und erzeugen immer neue Brennpunkte, die garantiert zu keiner nachhaltigen (neues Lieblingswort der Verantwortlichen) Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Seiten der leistungsberechtigten Eltern führen wird. Im Gegenteil. Das Sinken von Qualität in der KTP gepaart mit einer sichtbaren Abwanderung der guten Tagesmütter und -väter, wird die fortwährende Folge sein und das Kernproblem verschlimmern. Eltern werden sich weiterhin privat umsehen, mehr bezahlen, um sich dann mit ihrem Anspruch gegen die verantwortliche Kommune zu wenden, die ihnen zusätzlich das Geld aus der Tasche zieht. Ein Teufelskreis aus dem es so kein Entrinnen geben kann!
Wer jetzt noch gedanklich mitkommt,
muss doch eine Ahnung davon bekommen, dass der Ausbau der Kindertagesbetreuung schlussendlich an jenen hängt, die ihn ausführen sollen. Seinen Erfüllungsgehilfen schlecht zu vergüten, ihn gleichzeitig zu knebeln, um Klagen der anspruchsberechtigten Seite zu vermeiden, kann doch nur ein Schuss ins eigene Knie werden.
Die Klagewelle hat sich verlagert – mehr ist nicht passiert.
Man muss ein solches Denken nicht verstehen – man kann es maximal versuchen.
Ursächlich ist nicht allein der Rechtsanspruch seit dem Jahr 2013; er hat aber als Auslöser diese Lawine erst richtig ins Rollen gebracht, weil eine Ernte angeordnet wurde, ohne das Feld bestellt zu haben.
Schauen wir in die Kommune, wo ich schwerpunktmäßig tätig bin, stellt man fest, dass Verantwortliche unserer Landeshauptstadt Rheinland Pfalz sich gerade anschicken, in die gleiche Falle zu tappen. Eine Wissensschaftsstadt, in der die Nachfrage nach Betreuungsplätzen stetig ansteigt. Die Kindertagespflege als bedeutsamer Baustein ist hier vor Ort aus der Betreuungslandschaft keinesfalls mehr weg zu denken. Die vorhandenen Platzkapazitäten reichen nicht, und die Klagen auf Zuweisung eines Platzes sowie die Ansprüche auf Sekundärleistungen – sprich Kostenersatz für privat beschaffte Betreuungsplätze - sowie Schadensersatzklagen wegen Verdienstausfall nehmen stetig zu. Auch Androhungen von gerichtlichen Auseinandersetzungen gehen dort regelmäßig ein.
Flux hat die Stadt den bundesweit gesponnenen falschen Gedankenfaden aufgenommen und spinnt ihn wohl in gleicher Weise fort: Klagen von Eltern muss im Vorfeld auf Teufel komm raus begegnet werden. Der Blick der kommunal Verantwortlichen ist extrem verengt, fällt sofort auf die Zuzahlung, die Tagesmütter und -väter verlangen. Die Keule schon im Anschlag machen sie sich auf, motivierende Anreize totzuschlagen. Die Stadt folgert aus den Beschwerden von Eltern aktuell, dass KTP Plätze zu teuer und daher unattraktiv seien, und Eltern sich aus diesem Grund schneller von der Betreuungsform verabschieden, um in die (noch) nicht ausreichend vorhandenen Kitaplätze zu drängen.
Man muss verstehen, wie die ticken,
dann weiß man, Schlachten aus anderen Bundesländern wurden weder analysiert noch verstanden, positive Erfahrungen in der Förderung und der Zusammenarbeit aller vorhandenen Betreuungsformen wurden nicht wahrgenommen. Ein Modellprojekt wird zur Umsetzung kommen, in der Belegplätze für Eltern geschaffen werden ohne Zuzahlung von dritter Seite. Schaut man sich Beschlussvorlagen, die Gedankengänge dahinter, samt fehlender Antworten auf noch nicht gestellte Fragen an, ist sicher, sie sind losgegangen ohne zu wissen wohin mit Menschen ohne spezifischen Sachverstand, die nicht wissen warum. Alle Informationen, die mir bis dato zu diesem Projekt vorliegen, würde ich in meiner Erfahrungskiste von 23 Jahren erfolgreicher Aufbau- und Vermittlungserfahrung mit stichhaltigen Gegenargumenten in einer Viertelstunde versenken.
Man erhofft sich Zitat: >>eine verbesserte Auslastung der TPPs (Tagespflegepersonen), da diese "besser vermittelt" werden könnten.<<
Ein Beispielsatz von vielen, so sinnig wie: Klappe zu – Affe tot – und zur Sicherheit, damit auch alle drin bleiben in der Kiste, wird sich mit dem Hintern noch draufgesetzt.
Eine gute Auslastung erreicht man, in dem Angebot und Nachfrage stimmig und geplant sind, und beide Parteien vorberaten in die Lage versetzt werden, beieinander bleiben zu können und zu wollen. Schon der Akt des „Belegens“ und „Zuweisens“ von Plätzen ist in sich Hauptverursacher von Fluktuation und Wechsel in diesem Berufsstand. Der nächste Übeltäter sind Randzeiten und damit die zum Teil sogar gewollte und wissentlich herbei geführte Konkurrenzsituation zwischen Einrichtung und der KTP, die auf dem Rücken der TPPs nach gut Dünken ausgetragen wird. Zusammen mit Gängelung und Verboten fallen dann auch noch wertvolle Betreuungsplätze dem Schredder zum Opfer, und die Qualität der verbleibenden Plätze sinkt.
Nimmt man dann noch zur Kenntnis, dass aus berechtigten Gründen kaum Interesse besteht, hieran teilzunehmen, bleibt abzuwarten, welche Zusatzkeule demnächst aus der Kiste muss, um zu erzwingen, was nicht natürlich wachsen darf.
Für Modellprojekte sind übrigens die Mittel in der Regel begrenzt - so auch hier. Das heißt aus dem jetzt bald aufgeblasenen Luftballon, wird nach kurzer Anlaufphase von Amtswegen die Luft wieder rausgelassen. Ein unschlagbarer Anreiz, vor dem Aufhören gar nicht erst anzufangen - finden Sie nicht?
Betrachtet man Landauf Landab diese sinnlosen kostenverschlingenden Strampeleien, möchte man so gar nicht an das kommende Bundesqualitäts-Gesetz und seine mögliche Umsetzung durch diese "Fach-Leute" denken.
herzliche Grüße
Susanne Rowley