Friday, 1. February 2013

Autor: Susanne Rowley

Kindertagespflegepersonen - die sogenannte Stille Reserve

aus der stillen wird hoffentlich bald eine „laute Reserve“.


www.zeit.de/2013/05/Kinderbetreuung-Tagesmutter-Kommunen

„Stille Reserve“ Kindertagespflege

Liebe Wigwam-Freunde,

aus der stillen wird hoffentlich bald eine „laute Reserve“, und aus der „Reserve“ hoffentlich bald eine anerkannte Betreuungsform werden, die Zukunft hat.

Seit 20 Jahren setze ich mich unermüdlich für den Berufsstand der Tagesmutter ein, und ich bin glücklicherweise schon lange nicht mehr alleine mit meiner Annahme, dass die Kindertagespflege mehr ist, als der Lückenbüßer für überfüllte Einrichtungen mit starren Öffnungszeiten. Gerade für Kleinstkinder ist die individuelle Betreuung mit enger Anbindung an eine liebevolle Bezugsperson, an eine familienähnliche Struktur, an Gruppen mit kleinen Betreuungsschlüsseln, wodurch eine intensive Zuwendung zum Kleinkind erst möglich wird, eine wichtige Grundlage für eine gesunde Entwicklung und nicht nur eine irgendwie brauchbare Alternative.

Warum schreibe ich das jetzt hier? Weil es aus meiner praktischen Erfahrung mit 10.000en von Eltern eben nicht darum geht, die eine Betreuungsform zu forcieren und wiederum eine andere gänzlich zu vernachlässigen, sondern es geht darum, in diesem sehr sensiblen Feld für Kleinstkinder „die richtige Betreuungsform“ zu finden und zu wählen; das kann die eine oder auch die andere Form sein. Darum sehe man es mir heute nach, wenn ich vor allem weiter unten im Text heute wieder einmal deutliche Worte wähle, weil nicht alles Gold ist was glänzt innerhalb der Kinderbetreuungslandschaft, und ich praktisch aufzeigen möchte, was eine Falschberatung von Eltern nach sich ziehen kann. Aber zunächst noch ein notwendiges Hoch auf die Kindertagespflege – (muss ich heute mal wieder los werden) – bevor ich hinabsteige in die Kritik bezüglich der Betreuungsschubladen!

Unser hoher Qualitätsstandard innerhalb der Kindertagespflege, die große Freude unserer Eltern, die innerhalb unserer Tagespflegefamilien und kleinen Kinderstübchen all ihre pädagogischen Wünsche für Ihr Kind, und zeitlichen Rahmenbedingungen, ohne die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Stressfalle wird, erfüllt sehen, zeigen, wir sind auf dem richtigen Weg! Die Ansprüche der Familien von heute an Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind vielschichtig, sowohl die zeitlichen Bedürfnisse, als auch die sensiblen Wünsche der Eltern und Kinder. Von daher wird es Zeit, dass der Schwerpunkt nicht mehr allein auf der institutionellen Betreuungsstätte liegt, die jetzt auf Teufel komm raus zu Lasten der Qualitätsstandards ausgebaut werden sollen, sondern anderen relevanten Betreuungsformen endlich der Stellenwert eingeräumt wird, der Ihnen zusteht.

Es muss endlich Schluss sein mit der Entweder-Oder-Haltung der Kommunen, die in großen Teilen, die Kindertagespflege wie ein Stiefkind der Betreuungslandschaft behandeln, und in Beratungsgesprächen mit Eltern noch Aussagen tätigen wie: dann bleibt Ihnen halt nur eine Tagesmutter! Noch immer gibt es Aussagen von Sachbearbeitern, die ein Bild des Grauens an Eltern heran tragen, wie uns wiederholt bestätigt wird. Es wird suggeriert, eine Tagesmutter sei meist eine ungelernte Frau, die irgendwie auf dem Arbeitsmarkt nicht untergekommen sei, sich lässig durch eine Kurzschulung gehangelt hat, und dann „halt mal Kinder“ betreut; eine Frau die 5 Kinder in eine 2-Zimmer-Wohnung stopft und haltlos durchs Wohnzimmer laufen lässt oder mangels Lust und Laune vor dem Fernseher parkt und dafür auch noch Geld bekommt.

Im Gegenteil, wenn Politik die Rahmenbedingungen für die Kindertagespflege richtig setzt, ist diese Betreuungsform aus unserer Sicht mehr als nur ein Standbein der Betreuungslandschaft, denn sie ist die einzige Betreuungsvariante, die sich dem Wandel der immer flexibler werdenden Arbeitswelt anpassen kann, und die in der Lage ist, die sensiblen Bedürfnisse unserer Allerallerkleinsten zu erfüllen. Eine hochqualifizierte Kindertagespflege erfüllt alle Anforderungen, die man sich für die gesunde und natürliche Entwicklung von Kindern und für die Anforderungen berufstätiger Eltern nur wünschen kann. Eltern, die diese Form wählen, haben Interesse an einer engeren Grundbeziehung in der Fremdbetreuung. Sie genießen diese individuelle Betreuungsform, weil sie hier ein annähernd familiäres Umfeld erwartet und nicht die Institution, in der sie sich die Erzieherin und ggf. deren Aushilfe für ihr Kind nicht aussuchen können, sondern mit ihr auskommen müssen, auch wenn ihnen der Umgang nicht passt. Eine schlechte Chemie zwischen Eltern und Betreuungsperson wirkt sich immer auf Kleinstkinder aus, weil diese spüren, dass hier etwas nicht stimmt!

In der Kindertagespflege erwarten Eltern und Kinder Menschen mit qualitativ hochwertiger Ausbildung, mit gesunden Erziehungsvorstellungen und –zielen, die sie mit ihren eigenen Wünschen dauerhaft abgleichen können. Sie können wählen zwischen einer Kleinstbetreuung oder einer professioneller geführten größeren Gruppe, finden eine Partnerin, die ihnen in der Entwicklung ihres Kindes tagein tagaus engstens zur Seite steht. Welche Form Eltern für ihr Kind favorisieren, hängt von den Grunderfordernissen an den Beruf und den persönlichen Möglichkeiten eines Kindes ab. Die Fülle sozialer Kontakte und Außenreize für ein sehr kleines Kind sind wunderbar steuerbar. Das Kind ist eingebettet in einen natürlichen Tagesablauf, empfindet Aufgehoben sein und Geborgenheit, kann sich an eine feste Bezugsperson gewöhnen und hat dennoch zeitgleich die Chance andere Lebensweisen, andere Umgangsformen und andere Kinder kennen zu lernen. Die Altersstruktur der Kinder in einer kleinen familiären Gruppe sind zudem unterschiedlich und somit natürlich, was den Vorteil hat, dass ein Kind sowohl Rücksicht auf ein kleineres Kind üben kann, als auch sich nach oben strecken, um zu sehen, was die Größeren schon drauf haben. Beide Familien, sowohl die betreuende als auch die abgebende sind Partner, sind an einem Miteinander interessiert, ziehen an einem Strang zum Wohle des Kindes.

Es gibt aus unserer praktischen langjährigen Erfahrung keinerlei Grund, grundsätzlich die Institution Kita zu empfehlen und ihr den Vorrang einzuräumen. Negative Erfahrungen von Eltern, die uns täglich zu Hauf erreichen, kritisieren schlechte Betreuungsschlüssel, starre Öffnungszeiten, wechselnde Bezugspersonen, überforderte Erzieherinnen, ungelernte Aushilfen, distanzierter Umgang mit Eltern und ihren Bedürfnissen, undurchsichtige Tagesprogramme, starre Schlafens- und Essenzeiten, teilweise entgegen der natürlichen Bedürfnisse von kleinen Kindern. Auch die Sicht eines kleinen Kindes darf man als erwachsener Mensch nicht vergessen: Oder wo fühlen sie sich z.B. am Arbeitsplatz wohler, in einem kleinen, liebevoll gestalteten Büro mit netten Kollegen, oder würden sie gerne in einem Großraumbüro sitzen, in dem 20 weitere Mitarbeiter gleichzeitig mit 20 Telefonen jonglieren. Eine Professionalität der Institution und deren positive Wirkung auf Bildung und Wohlbefinden eines jeden Kindes einfach vorauszusetzen, geht an der Realität vorbei. Ebenso verhält es sich mit anderen Betreuungsformen, die oft kritiklos angeprangert werden.

Nehmen wir z.B. die Form des Aupair-Mädchens. Vordergründig betrachtet, scheint es kaum etwas Besseres für Kinder geben - sie sind rund um die Uhr mit einer stets einsatzbereiten Betreuungsperson zu Hause, niemand muss sich an Öffnungszeiten halten, oder seinem Kind An- und Abfahrten zur Krippe oder Tagesfamilie zumuten. Eltern, die diese Form wählen, haben sich im Vorfeld viele Gedanken zu dieser Form gemacht, eine teure Agentur aufgesucht, viele Glanzprospekte gewälzt, Fotos von potentiellen Babysittern gesichtet. In Wahrheit muss man schon sehr viel Glück haben mit der Person, die man dann ohne Vorwarnung am Flughafen abholt. Will sagen – Eltern können sich hier zwar vorinformieren - aber eine Probezeit haben beide Seiten definitiv nicht. Überlegt man sich die praktischen Gesichtspunkte, die wir bei der Wahl dieser Form noch beeinflussen können, bleibt kaum noch Luft zum Atmen. Eltern benötigen ein ausreichendes Wohnumfeld, ein separates Zimmer für ein Au-Pair, müssen ggf. auf Dauer (mindestens 1 Jahr) ertragen, das Badezimmer mit der Dame und ihren Gepflogenheiten zu teilen; auch bei Tische wird immer ein zusätzlicher Kopf anwesend sein, der das ein oder andere deutsche Essen ggf. verschmäht. Auch mit der eigenen Privatsphäre ist dann nichts mehr, wie es war – mal eben unbekleidet über die Flure huschen, bedeutet vielleicht, dem Gast zu begegnen. Was tun, wenn die Sprachkenntnisse, Eigenarten, Umgangsformen, erzieherische Einstellungen nicht so gut sind, wie Ihnen geschildert wurde? Was, wenn die Dame keine militante Nichtraucherin ist, wie versprochen? Hat man die Nerven vom Pflaster bis zum Trennen des Bio-Mülls alle häuslichen Gepflogenheiten stets immer wieder und vielleicht mit Händen und Füßen zu erläutern? Bringen Eltern genug Grundvertrauen mit, um einen fremden Menschen bei sich zu beherbergen, evtl. auch alleine mit dem Sparstrumpf im Haus zu lassen? Will man sich die Zeit nehmen, oder hat man überhaupt welche, um dem Au-Pair auch ein bisschen heimische Lebensart nahe zu bringen? Haben die Eltern innerlich gehofft, die Dame würde auch mal den Putzlappen schwingen und stehen jetzt verblüfft vor einer „Ukrainerin“, die auf ihre vertraglich zugesicherten Aufgaben pocht und locker über die Bügelwäsche steigt. Bei dieser Betreuungsform ist auch stets zu bedenken, dass sie gänzlich ungeeignet ist, wenn man zeitgleich z.B. im Home-Office zu Hause arbeitet oder an seiner Diplom-Arbeit ungestört basteln will. Und: Nicht jedes „Fränzchen“ respektiert eine andere Bezugsperson, wenn Mama oder Papa nebenan greif- und hörbar ist. Und: nach unserer Erfahrung ist hier ein wirklich nennenswerter pädagogischer Ausbildungshintergrund meist nicht vorhanden.

Und zu guter Letzt: Was würde einem Kind besser gefallen oder besser bekommen, würde man es fragen können: eine Einzelbetreuung – heißt, immer mit derselben Frau die Förmchen im Sandkasten wälzen, oder würde das Kind ein paar Spielkameraden, soziales Miteinander im Spiel und bei Tische nicht den Vorzug geben?

Ich plädiere hier nicht für die gute Betreuungsform und verteufele die schlechte, sondern mir geht es um die die Wahl der „richtigen Betreuungsform“ für Kinder und Familien. Familien brauchen ordentliche Beratung und eine sensible Hand in der Wahl der Betreuungsform, denn nur dann ist gewährleistet, dass ein Kind sein Plätzchen auch behält und somit eine Bindung zu einer Person aufbauen und halten kann. Was liebevolle Bindung für Kinder langfristig bedeutet, muss ich hier nicht mehr ausführen. Menschen sind verschieden – Kinder sind auch Menschen, und sie entwickeln sich nicht „automatisch“ vorbildlich, wenn wir nicht auf ihre menschlichen Bedürfnisse eingehen!

Ich bedanke mich für Ihren langen Lese-Atem.

Ihre Susanne Rowley

Wigwam 1994
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