Saturday, 11. June 2016
Kindertagespflege als Marke - Zeit für neues Selbstbewusstein!
Keine Angst, ich komme Euch nicht dahin mit einem ermüdenden Artikel wie:
>> In 10 Schritten zum Erfolg oder Ähnlichem <<
Und doch ist es mir wieder mal ein Bedürfnis,
dem lähmenden Umgang von manchen Kindertagespflegepersonen mit ihrem eigenen Berufsstand etwas Erfrischendes entgegen zu setzen.
Ich habe mich hier lange Zeit in den großen Foren, in denen sich Tagesmütter- und väter austauschen umgesehen. Und es ist wirklich kaum zu glauben, mit welchen Diskussionen sich hier immer noch aufgehalten wird.
- Hast Du auch eine Mutter, die die Windeln nicht bringt?
- Verschwinden Deine Eltern auch so schnell in die Kita?
- Wir brauchen das Zuzahlungsverbot, damit wir den Kitas gleichgestellt sind
und echte Wahlfreiheit für Eltern entsteht.
Und das schlimmste ist:
Jene, die Letztgenanntes schreiben, glauben wirklich daran. Wer für das Zuzahlungsverbot plädiert, hat sich nicht nur selbst ein Bein gestellt, sondern auch der Wahlfreiheit für Eltern einen "Bärendienst" erwiesen. Denn mit einer finanziell geknebelten KTP wird die Qualität derselben sinken, die Vielfalt der KTP und damit ihr Ruf weiter leiden; werden Probleme auf den Rücken der betreuenden Leistungsträger verlagert , kommunale Elternbeiträge weiterhin gerechtfertigt und JENE aus der Finanzierungsverantwortung entlassen, die den Gewinn aus der Vereinbarkeit voll abschöpfen (Bund / Sozialkassen / Unternehmen.
Da macht sich also ein Großteil einer Berufsform klein,
während andere an anderen Fronten vehement um echte Anerkennung ringen. Da gibt’s welche, die haben die Zeichen der Zeit, die Zeichen der Bildungslandschaft, die Zeichen des demografischen Wandels, die Zeichen des Fachkräftemangels nicht erkannt. Und statt sich darin gewinnbringend fürs Kind zu positionieren, rühren sie immer noch in ihrer ureigenen egozentrischen Suppe von Anno Dazumal.
Wöchentlich erhalte ich mittlerweile Einladungen
zu Fachvorträgen und anderen Veranstaltungen, in denen es nur darum geht, wie dem Fachkräftemangel im Mittelstand und Großunternehmen zukünftig mit guter Vereinbarkeit begegnet werden kann. Täglich lesen wir alle Berichte von Quantität statt Qualität in Kitas. Elternblogs sind voll vom Aufschrei der Unvereinbarkeit. Ebenso häufig heben Bindungsforscher den Zeigefinger und warnen vor der Institutionalisierung der gesamten Kindheit. Gleichzeitig wissen wir alle, unsere Arbeitswelt ist in einem neuen umfassenden Wandel begriffen, der weit über das hinausgeht, was wir bislang an Flexibilität aufbringen mussten. Unsere Gesellschaft ist modern, bilingual, bildungsorientiert, und dem gegenüber stehen träge Systeme der Jugend- und Familienhilfe, die Motivation noch immer mit Befehlsgewalt von oben verwechseln.
Will sagen: Da spielt sich an anderen Fronten längst ein Szenario ab, zu dem die KTP ganz viel beitragen und sich positionieren könnte, wäre sie sich ihrer eigenen Stärken bewusst, und würde sie ihre unschlagbaren Ressourcen nutzen. Aber nein, da basteln welche immer noch daran, aus 2,34 € Stundenlohn 3,02 € zu machen und zanken bis aufs Blut darum, ob sie sich mit dem Thema Berufung weiter geißeln oder um echte Anerkennung für ihren „zentralen gesellschaftliche Beitrag“ samt Anerkennung eintreten sollten. Da entstehen neue große Räume, die KTP tatkräftig mit einrichten sollten, und ein Großteil wurschtelt immer noch im eigenen verstaubten Hinterzimmer!
Es gibt einen Fachbegriff im englischen Sprachraum, der deutlich aufzeigt, woran es einem Großteil der Tagesmütter und -väter hier mangelt:
Personal Branding
Ja, ich bin auch kein Freund dieser Buzzwords, die Einzug gehalten haben, aber für manche gibt es in good old germany nun mal kein Wort, und doch ist die Botschaft Verbreitens wert.
Beim Personal Branding geht es darum,
die eigene Persönlichkeit und fachlichen Kompetenzen herauszustellen, sich als Eigenmarke zu präsentieren. Man zeigt, dass man Experte und Fachkraft ist auf seinem eigenen Gebiet, und man hat es von daher nicht nötig, sich mit anderen zu vergleichen. Die Marke Eigenbau benötigt natürlich vorrangig eins: Den Glauben an sich selbst und das, was man tut. Nur dann ist man in der Lage, auch sein Gegenüber zu überzeugen. Und noch etwas braucht es: Eine gehörige Portion Reflexionsfähigkeit, die mit Selbstkritik einhergeht. Das heißt, es ist mir eben nicht egal, wie meine Außenwirkung ist. Ich behalte sie im Auge, binde sie in meine Überlegungen mit ein, ohne dass ich mich diesen Dingen soweit anpasse, dass ich meine Ziele verliere. Aber um Ziele zu halten oder zu verlieren muss ich erst mal eines haben!
Wie viele Tagesmütter und -väter ich in meiner Laufbahn kennen gelernt habe, die dies alles nicht tun, kann ich gar nicht mehr zählen. Und ich sage es ganz offen und unverblümt:
Sie schaden dem gesamten Berufsstand und sollten sich wirklich endlich ein anderes Spielfeld suchen.
Ich werde sehr oft gefragt,
was eine gute Tagesmutter/-vater ausmacht: Sie zeigen, was Sie wissen und können. Sie pflegen ihr fachliches Profil und haben eine Botschaft. Sie machen sich unverwechselbar und vergleichen sich nicht mit anderen. Sie bestimmen, was sie bieten und wissen, wo ihre Grenzen liegen. Sie lernen aus vergangenen Betreuungsverhältnissen, reflektieren sich selbst, sind bereit Kritik anzunehmen und für sich sinnvoll zu verwerten. Sie sind Experte in eigener Sache und interessieren sich, ob das, was sie senden auch empfangen wird. Sie bieten Respekt und empfangen welchen. Sie pflegen ein gesundes Nähe-Distanz-Verhältnis, das einer Elternpartnerschaft förderlich ist. Sie sind unabhängig und stolz auf Ihr Angebot, und bleiben sich dennoch immer bewusst, dass es Grenzen gibt in der Einflussnahme auf Familien. Sie sind in Bewegung und damit in Entwicklung mit sich selbst – bereit, sich zu hinterfragen, um ihren Leumund zu pflegen. Sie wissen, dass ihr Angebot steht und fällt mit der Mundpropaganda, die ihrer Betreuungsleistung voraus- und nacheilt.
Mundpropaganda, das wissen viele nicht,
ist vielleicht die mächtigste Kommunikationsform: Im englischen Sprachraum heißt solches Gerede kurz Buzz und hat zwei Funktionen:
• Es transportiert Informationen (Hast du schon gehört ...?)
und es liefert noch etwas Wichtiges auch ungefragt mit:
• Die Wertung der Information (Das ist empfehlenswert...oder nicht).
Der amerikanische Buchautor Jerry R. Wilson hat einmal branchenübergreifend untersucht, wie sich gute oder auch schlechte Erlebnisse verbreiten:
• Positive Erlebnisse werden bis zu 3 Mal weitererzählt.
• Schlechte Erlebnisse jedoch bis zu 33 Mal.
Nicht darauf zu achten, was Eltern sagen und empfinden,
zerstört das größte Potential, das Kinderbetreuung hat.
Vertrauen!
Vertrauen basiert auf gewachsenen Beziehungen. Nehmen Tagesmütter also z.B. Eltern auf, die ihnen zugewiesen und ggf. unsympathisch sind, und zu denen genau deswegen kein Draht entstehen kann, nimmt das Unheil der „Geschäftsschädigung“ der Tagesmutter bereits seinen unaufhaltsamen Lauf. Es wird zu wenig Kommunikation kommen, es entstehen Missverständnisse, oder gar keine Gespräche. Das Kind wird durch sein Verhalten das Nichtverhältnis spiegeln. Der forcierte Übergang in die Kita ist vorprogrammiert, und es scheint nur so, als ob die völlig ahnungslose Tagesmutter davon überrascht wurde.
Professionelle Tagesmütter und -väter passen sich nicht an,
aber sie achten gerade darauf, denn dann sind sie in der Lage, Vertrauen zu schenken, als Angebot, als Investition in die Elternpartnerschaft. Und Eltern werden darauf mit Bleiben reagieren. Immer wieder rufen mich Eltern an, die fragen, ob Tagesmutter xy denn bei Wigwam ist, denn diese wollten sie bitte nicht. Häufen sich solche Gespräche, informiere ich diese privaten oder für das Jugendamt tätigen Tagesmütter über diesen schlechten Leumund. Die Reaktion, die ich in der Regel darauf erhalte, ist ernüchternd: Stimmt alles nicht, oder interessiert nicht. Peng! Sie legen auf, und das wichtigste, was sie mir rückmelden wollten war, dass sie schlussendlich doch im Recht waren. Na ja, wenn’s schee macht ;-).
Vielleicht gibt es jetzt einige, denen mein Beitrag zu provokativ ist, nicht gefällt, oder die das Vorgetragene so gar nicht nachvollziehen können.
Jenen gebe ich gerne ein Nachdenkens wertes Beispiel
aus einem ganz alltäglichen Bereich: Fragen Sie sich doch einfach selbst, warum wähle ich z.B. im Gesundheitsbereich einen bestimmten Arzt oder Heilpraktiker, fahre dafür ein paar km mehr, und nehme nicht unbedingt den ortsansässigen um die Ecke. Weil er/sie es geschafft hat, mich von sich und seinen Leistungen zu überzeugen.
Zu guter Letzt möchte ich nicht unerwähnt lassen,
dass mir natürlich bewusst ist, dass die Strukturen, denen die Kindertagespflege aktuell in vielen Bundesländern unterworfen ist (Zuzahlungsverbot / Belegsysteme etc.) mit verantwortlich dafür sind, dass sich der Berufsstand nicht wirklich entfalten kann.
Darum wird ein Folgebeitrag von mir davon handeln:
Wir brauchen endlich Vereinbarkeitsdiskussionen, die gnadenlos offenlegen, dass die Systeme in denen Vereinbarkeit von Beruf & Familie sich zukünftig bewegen sollen, nicht miteinander funktionieren, sondern kollidieren.
Noch ein Grund mehr, als Tagesmutter/-vater vorauseilend selbst zur Marke zu werden.
Und es wird Zeit, dass soziale Arbeit und familienpolitische Leistungen rauskommen aus der amtlich gegängelten Büßerecke!
Ein schönes Wochenende wünscht
Susanne Rowley