Tuesday, 13. May 2014

Autor: Susanne Rowley

Kinder - Opfer einer Gesellschaft, die niemals schläft

Eine 24-Stunden-Kita in Ohio.


Liebe Wigwam-Freunde,

möchten Sie mal sehen, was ich kürzlich sah und niemals in Deutschland erleben möchte?

Eine 24 Stunden-Kita in den USA

Bitte rufen Sie hierzu den folgenden Filmbeitrag auf:

https://www.youtube.com/watch?v=L_ZsKpxw1ck

Diese Reportage lief in der ARD als Sondersendung zum Thema – „der Kampf ums Weiße Haus“ – und hier war sie zu sehen, eine 24-Stunden-Kita und deren Abläufe, rund um die Uhr am Beispiel einer solchen Einrichtung in Ohio.

Eine Großmutter, beschäftigt bei der Kette Burger King, kümmert sich um ihren Enkel, der kürzlich eingeschult wurde. Um 4 Uhr morgens weckt sie ihn, weil sie zur Arbeit muss, und bringt ihn in besagte 24-Stunden-Einrichtung. Dort wird er vor dem Fernseher geparkt, mit der Option vor selbigem wieder einschlafen zu dürfen, bis die Schule beginnt. Völlig übermüdet, weil er nicht mehr einschlafen konnte, sitzt der 1. Klässler dann in der Schule, kommt am Mittag mit dem Schulbus nach Hause, erledigt seine Hausaufgaben, um am Nachmittag wieder in diesen Kindergarten zu müssen, denn die Oma absolviert eine Ausbildung zur Arzthelferin, in der Hoffnung auf ein Leben mit geregelten Arbeitszeiten. Die Ausbildungszeit dieser Schule, die die Großmutter besucht, dauert täglich bis 22 Uhr; heißt im Klartext, dass der Kleine um diese Uhrzeit wiederholt aus dem Schlaf gerissen und abgeholt wird, denn schließlich möchte die Oma ihn wieder mit nach Hause nehmen. Dort schläft er dann wiederum nur wenige Stunden - bis 4 Uhr.

Das ganze Trauerspiel beginnt von vorne

am nächsten Tag – Burger King ruft! Zu sehen waren in dieser Sendung auch Berufsgruppen, die tagein tagaus in Dienstleistungsjobs tätig sind, die eine Rundum-Versorgung der Bevölkerung sicher stellen – also 24 Stunden am Tag an grandiosen 7 Tagen in der Woche; Verkäuferinnen, Krankenschwestern, Kellnerinnen. Diese Frauen klingeln sage und schreibe nachts um 1 Uhr an der Kita-Pforte und zerren ihre Kinder aus den Betten. Ich bin erschüttert! Ist es das, was uns in der neuen flexiblen Arbeitswelt erwartet?

Eine Gesellschaft, die niemals schläft?

Eine Gesellschaft, die sich samt ihrer Kinder komplett der Arbeits- und Dienstleistungswelt untergeordnet und angepasst hat? In meinem Bericht vom 1. Oktober (http://www.facebook.com/Wigwam1994) betonte ich bereits, dass es mir nicht darum geht, Eltern, die solche Einrichtungen mangels Alternative nutzen, an den Pranger zu stellen. Was sollen sie auch tun, in Zeiten, in denen ganze Wirtschaftszweige (Beispiel Detroit – mittlerweile eine industrielle Geisterstadt) wegbrechen, und sie sich mit 24-Stunden-Dienstleistern, womöglich noch mit mehreren Jobs gleichzeitig, über Wasser halten müssen. Gerade in den USA, in denen soziale Sicherungssysteme nicht greifen, empfinden sich die Familien immer nur ein Gehalt entfernt vom finanziellen Abstieg.

Mir geht es um die Gesamtverantwortung

für unsere Kinder in dieser Gesellschaft. Und dazu müssen Arbeitgeber und Unternehmen mit ins Boot, die auch hierzulande nicht mit in eine ernstzunehmende Verantwortung genommen, sondern mit freiwilligen „Regelungen“ bei Laune gehalten werden. „Erfolgsfaktor Familie“ heißen dann die inhaltsleeren Worthülsen, die uns eine wundersame Betriebsamkeit vorgaukeln. Da werden Umfragen gestartet, Studien in Auftrag gegeben, aus denen wir dann ablesen dürfen, welche familienfreundlichen Maßnahmen uns bereits zuteil wurden. Familienfreundliche Maßnahmen würden allerorts erweitert, und ständig hören wir, dass eine familienbewusste Personalpolitik in den Unternehmen ganz oben auf der Agenda stünde. Ein ganz besonderes Augenmerk soll in Zukunft auf flexible Arbeitsmodelle gerichtet werden; Unternehmen würden gar „Zeiten der Funkstille“ einführen, in denen Beschäftigte nicht über ihr Mobiltelefon erreichbar sein müssen. Soweit getrieben, dass wir rund um die Uhr arbeiten, für den Chef auch noch auf der Toilette erreichbar sind, müssen wir solche Vorschläge natürlich als Errungenschaft begreifen.

Unsere höchst umtriebige Familienministerin Schröder gab sodann im September 2012 eine umwerfende Erkenntnis preis, die sich ihr aus einer Studie „Monitor Familienleben 2012“ erschlossen hat. Als Ergebnis stand da u.a. zu lesen, dass sich Eltern neben flexibleren Arbeitszeiten auch mehr betriebliche Kinderbetreuung wünschen. Daraufhin forderte sie markig die Unternehmer in Deutschland mit den Worten auf: >> Die Unternehmen in Deutschland sollten diesen Wunsch ernster nehmen und verstärkt auf firmeneigene Betreuungsmöglichkeiten setzen. Denn Eltern, die ihre Kinder gut aufgehoben wissen, können auch stressfreier und effizienter arbeiten <<

Eine spektakuläre Erkenntnis also,

die unsere damalige Familienministerin viel Kraft und Nerven gekostet haben muss! Dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, dass ein Leben unter Dauerstrom, ein Leben nach dem Diktat der Wirtschaft viele langfristige, weit gestreute Auswirkungen hat; Auswirkungen auf unsere Lebensqualität, Lebensfreude und natürlich die Gesundheit, was für uns alle mit imensen Folgekosten verbunden ist. Wer denkt wirklich noch an das schwächste Glied in unserer Gesellschaft – unsere Kinder!

Wie einen Hund an der Leine zerren wir sie notgedrungen mit auferlegtem Zeitdiktat hinter uns her. Natürlich stellt sich der ein oder andere nun die berechtigte Frage, wohin mit den Kindern von Schichtdienst-Familien. Natürlich spreche ich nicht von der Lösung, dass nun keine Krankenschwester im notwendigen Nachtdienst keine Kinder mehr bekommen sollte, oder dieser Job unbesetzt zu bleiben hat. Ich wehre mich stattdessen gegen die chamäleonartige völlige Anpassung der Kinderbetreuungseinrichtungen an jeden nur denkbaren von der Wirtschaft vorgegebenen Arbeitstakt, ohne andere naheliegende Lösungen zu prüfen, bzw. die Weichen gemeinsam dahingehend zu stellen, dass solche Arbeitsmodelle in vielen Bereichen unnötig und anders zu lösen wären. An solchen Lösungen müssten aber alle Beteiligten – auch Unternehmen und Institutionen – mitwirken.

Warum, frage ich,

muss ein Kind nachts um 1 Uhr aufstehen, um ggf. das Schuldgefühl einer Mutter zu beruhigen, die ihr Kind sofort nach Arbeitsschluss bei sich haben möchte – es gäbe auch die Möglichkeit einer Abholung am Morgen danach. Und wie zu vermeiden wäre, dass Familienväter und –mütter 2 oder gar 3 Jobs auf einmal zu erledigen haben, um sich finanziell über Wasser zu halten, muss ich hier nicht näher erläutern. Im gesamten Bericht der ARD war unter anderem auch die Rede von General Motors, die eine Entlassungswelle initiiert haben, um dann die gleichen Menschen in einer Art „2. Rang“ wieder neu einzustellen – heißt gleiche Arbeit für den halben Lohn! Und welchen Sinn hat es, dass eine Tankstelle 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche ihre Pforten offen hält – keinen!

Mini-Jobs und fehlender Mindestlohn

treiben Familien zunehmend in die Armut und liefern sie quasi jedem noch so verrückten Arbeitsmodell aus. Und schließlich ist es Aufgabe der Politik, die Weichen in unserer Kinderbetreuungslandschaft so zu stellen, dass familienähnliche Betreuungsmodelle, die ein großes Potential in Sachen Bildung, Kinderfreundlichkeit und zeitlicher Flexibilität in sich tragen, endlich entsprechend zu fördern.

Denken wir an unsere Zukunft – an unsere Kinder – wissen wir bereits insgeheim, was wir ihnen vorgelebt und zugemutet haben!

Dieser Junge im Film wird, ständig übermüdet, auch keine Spitzennoten nach Hause tragen; vielleicht wird er irgendwann auch „verhaltensauffällig“ und dann muss der Kinderpsychologe ran, der reparieren soll, was nicht zu reparieren ist!

Ich hoffe, der Info-Brief war für Sie „lesenswert“ und informativ. Wir sind offen für Kritik, neue Anregungen, Kommentare, oder einfach für das, was Sie an uns „loswerden“ möchten.

Herzliche Grüße

Susanne Rowley

Wigwam 1994
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