Friday, 2. January 2015

Autor: Susanne Rowley

Ich will nicht der Grund sein dafür, dass es Dir scheiße geht

 sagt das Kind


kleinerdrei.org/2014/10/bruchreif/

Liebe Wigwam-Freunde,

zum Start ins Neue Jahr möchte ich Euch wärmstens diesen berührenden Artikel ans Herz legen. Hakan von „Kleinerdrei“ schreibt wahrlich über das, was ihm am Herzen liegt, und es gelingt ihm zeitgleich ein Essay, das uns einerseits Anteil haben lässt an seiner Erlebniswelt, und andererseits dazu einlädt, innerfamiliär einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Es geht um weit mehr in diesem Artikel als nur um Migration und einen (nicht nur) daraus resultierenden Generationenkonflikt. Es geht um Beziehung, die zwischen Mutter & Kind / Vater & Kind sehnsüchtig Bildern nacheifert, und um das, was sie zeitgleich un-nötig belastet, weil wir immerzu glauben, viel hilft viel, und weniger kann niemals mehr sein. Schon gar nicht in Sachen Kindererziehung.

“Ich will nicht der Grund sein dafür, dass es Dir scheiße geht” sagt das Kind.

Für diesen Satz muss man jedes Kind, das ihn ausspricht, beglückwünschen, denn er zeigt mit dem Finger auf ein unheilvolles System; bricht auf, was im Kern mit vielen Eltern/Kind-Beziehungen los ist. Sie machen ihr Glück insgeheim oder offen sichtlich vom Gelingen des Lebens ihrer Kinder abhängig, bzw. von dem, was sie ganz persönlich für ein gelingendes Leben halten. Dass dies, sofern es bewusst wird, nicht nur unfair ist gegenüber dem Kind, sondern eine lebenslange Bürde für einen jungen Menschen bedeuten kann, sehen wir an unzähligen Büchern zu Generationenkonflikten, die ganze Bibliotheken füllen. Ich denke zu allen Zeiten sind Eltern in diese Falle getappt, ich glaube aber auch, dass es heutzutage noch schwerer ist, sie als solche zu entlarven, denn es kommen Umstände zusammen, die einerseits von Mutter Natur zum Schutz des Lebens so gewollt sind; dazu gehören die bedingungslose Liebe, die ein Kind von seinen Eltern immer erhoffen wird, und deswegen auch bereit sein wird, viel dafür zu tun. Und andererseits die gesellschaftliche Sicht darauf, was gute Eltern eigentlich sind.

Gute Eltern sind per se immer noch die, die viel für ihre Kinder und wenig für sich tun; da ist der Grad zum „Aufgeben“ des eigenen Lebens schnell überschritten. Und so lange man beim Gegenüber noch damit punkten kann, sich geopfert zu haben, so lange nähren wir dieses Familiensystem, das weder Eltern noch Kinder frei atmen lässt. Viel leichter als hinzuschauen ist es, ab und an Pseydo-Ratgeber: Wie halte ich meine Beziehung frisch – zu besorgen. Aber damit ist es nicht wirklich getan, lässt man den Artikel von Hakan ernsthaft auf sich wirken.

So oder so wird – nein muss der Schuss nach hinten losgehen.

Zurück bleiben verbitterte Eltern, die nur „das Beste“ für ihr Kind gewollt haben, denen die ersehnte Dankbarkeit aber verwehrt geblieben ist, weil sie in Wahrheit das Kind dazu be-nutzen, eine diffuse zukünftige Schuld von vorne herein abzuwenden und die daraus entstehenden ungelebten Bedürfnisse aufs Kinderleben zu laden.

Und so fühlen sie sich doppelt gestraft:

Sie haben viel investiert, bekommen scheinbar nichts zurück. Der eigene Zug ist abgefahren, und der des Kindes biegt auch noch in eine unvorhersehbare Richtung ab.

Teufel aber auch.

Ein Selbstausbeutungskonzept, das genau den Schaden macht, den wir vom Kind abwenden wollten. Aber wollten sie das wirklich? Eine böse Frage, aber ich stelle sie trotzdem in den Raum.

Kinder können die Last unseres Verzichts, den wir warum auch immer glaubten üben zu müssen, nicht tragen. Und wenn wir dann noch behaupten, es sei aus Liebe geschehen, ist die Selbstlüge perfekt. Ich habe viel in meinem Leben darüber nachgedacht, was Liebe eigentlich ist. Ich gebe zu, ich bin schneller drauf gekommen, was sie keinesfalls ist. Sie stellt keine Bedingung, und sie sendet unabhängig vom Empfang. Keine leichte Sache. Denn das umzusetzen bedeutet, dass ich mich zu kümmern habe – um mich.

Also ist es immer hilfreich, Druck, der von vielen Seiten kommt, als solchen zu entlarven. Auch nicht leicht, denn der ist meist ziemlich gesellschaftsfähig und hat sich oft so tief eingenistet, dass wir ihn mehr als Aufgabe denn als Störfaktor wahrnehmen. Haben wir als Eltern alles richtig gemacht?

Schon bei dieser Art von Fragestellung schnappt die Falle zu.

Denn wer diesen Anspruch an sich selbst erhebt, wird ihn wohl kaum vom Kinde fernhalten können. Es bleibt uns nicht erspart: Wir müssen als Eltern ggf. zurückschauen in die eigene Kindheit. Woher kommt der Wunsch nach perfekter Arbeit, perfekter Beziehung, perfektem Körper, perfekter Bildung. Ein Leben also unter verschärften Bedingungen, das unser perfektes Kind noch toppen soll? Und dann haben wir den Salat, und all' unsere Mühen werfen nicht die gewünschte Ernte ab. Und nicht immer ist nur das Wetter schuld ;-). Auch ich ertappe mich manchmal dabei, zu prüfen, inwiefern meine beiden erwachsenen Damen „meinem Bild von ihnen“ entsprechen, und ob ich an diesem oder jenem „schuld“ bin. Wenn ich mir aber vor Augen führe, dass sie „ihr Leben“ vor sich haben, und ich meins bis dato selbst verantworte, kann ich die Arme öffnen und sie dahin begleiten, wo sie nunmal hingehen möchten.

Wer sich weiterführend für dieses Thema interessiert, wird auch an anderen Stellen hier im Wigwam-Blog fündig - z.B. hier: www.kinderbetreuungsboerse.de/wigwam-blog/wigwam/nachricht/-8acea9cdb5/.

Wer sich beim Lesen dieser und anderer Themen auf dieser Seite ab und an mal fragt, was dies eigentlich mit Vereinbarung von Beruf und Familie zu tun hat, dem sei gesagt, ganz viel! Denn in kaum einem anderen Bereich ist derzeit familien- und bildungspolitisch der Druck so groß! Und wenn wir uns mal wieder ganz im Urwald der Familien- und Bildungspolitik verlaufen haben, und spüren, dass wir kaum noch frei entscheiden können, was für uns und unsere Kinder "richtig" ist, dann kann es erholsam sein, sich wieder daran zu erinnern, dass es keinem politisch Verantwortlichen auf dieser Welt zusteht, vorzugeben, was ein gelingendes kleines Leben ist. Sondern Aufgabe muss es sein, das gesellschaftliche Feld so zu bestellen, das Leben ganz individuell gelingen darf.

Das bedeutet aber auch, dass wir wieder Verantwortung übernehmen und es wagen, aufzubegehren, statt nur der Obrigkeit auf's Maul zu schauen, und nur die Wege zu gehen, die sie für uns von Amts wegen vorgetrampelt haben.

Das wünsche ich uns und all' unseren Kindern im neu startenden Jahr.

Eure Susanne Rowley

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