Sunday, 1. May 2005

Autor: Susanne Rowley

Gesetzentwurf zur Stärkung Kindertagespflege

im Anmarsch / TAG


Hallo liebe Wigwam-Freunde, 


CDU-Gesetzentwurf zur Stärkung der Kindertagespflege

im Anmarsch Leserbriefe zum "TAG" Februar-Info-Brief 

Ich fürchte und hoffe zugleich liebe Tagesmamas und Eltern, dass dieses Thema jetzt zum Dauerbrenner wird. Nicht nur immer neue interessante Statements erreichen uns, sondern auch die politische Ebene kommt mehr und mehr in Bewegung. Da möchte ich nicht versäumen, Ihnen diese zaghaften Versuche unserer Politiker zugänglich zu machen und wenn nötig, natürlich auch entsprechend zu kommentieren. Aber zunächst noch ein Statement zum Info-Brief-Februar vorweg. 

Sie erinnern sich?

In unserem Februar-Info-Brief haben wir recht ausführlich über die Betreuungssituation in unserem Lande gesprochen und dabei auch eine Wigwam-Mutter ihre derzeitige Situation schildern lassen. Viele kritische und zustimmende Kommentare kamen bei mir an - dieser Brief hier einer anderen Mutter, erreichte mich etwas später - der Inhalt ist sehr lesenswert :-). 

>> Hallo Frau Rowley,

jetzt muß ich doch noch auch ein paar Sätze zum Thema loswerden. Kurz zu meiner Person: Ich bin frisch gebackene Mami, meine Tochter Jenny ist 7 Monate alt, und ich arbeite jetzt seit einem Monat wieder erst mal halbtags in meinem Architekturbüro. Ich sehe das ganze Thema also aus dem Blickwinkel einer Selbständigen und habe mich beim letzten Telefonat mit meinem Steuerberater wieder aufregen müssen: Betreuungskosten sind so gut wie nicht absetzbar mit dem Argument, dass diese Ausgaben nichts direkt mit meinem Tätigkeitsfeld als Architektin zu tun hat. So weit so gut. Wäre ja schön, wenn unser Steuerrecht immer so klar und eindeutig wäre. Denn im Punkto Dienstwagen, Werbungskosten und Bewirtungskosten ist das ja nicht mehr der Fall ( sprich absetzbar). Und was ist nun wichtiger für die Ausübung des eigenen Berufsfeldes, die Betreuung des Kindes, die eine Berufstätigkeit überhaubt ermöglicht oder die schicken Leasingwagen meiner beiden Partner? Damit Sie mich richtig verstehen. Das Problem wird nicht dadurch gelöst, dass ich meine Kosten endlich absetzen könnte. Dadurch würde ein an sich ungerechtes System ausnahmsweise mal zu meinen Gunsten funktionieren (was natürlich auch mal nett wäre...) Mein Lösungsvorschlag sähe wie folgt aus: Das Betreuen von Kindern ist ein vollwertiger Beruf, egal ob als Mutter oder als Tagesmutter oder als Betreuerin einer Kindertagesstätte! Diese Betreuung muß vom Staat (= Gemeinschaft) finanziert werden, da die Gemeinschaft ja auch ein Interesse an den Kindern hat (wurde ja endlich erkannt...) Die Kosten und Standards für einen qualitativen öffentlichen Betreuungplatz müssen definiert werden. Eltern haben die freie Wahl, ob sie einen Betreuungsplatz in einer Enrichtung bei einer Tagesmutter in Anspruch nehmen wollen oder ob Sie sich selbst um die Kinder kümmern wollen. Im letzten Fall bekommt die Mutter oder der Vater ihre Leistung vom Staat als selbständige Enkünfte quasi wie die Tagesmutter vergütet. Die Betreungsmodelle, Kinderkrippe oder Tagesmutter sollen bewußt gleichermaßen gefördert werden. Je mehr "Angebot", desto eher finden Familien das für sie passende Modell. Und Konkurrenz hat ja bekanntlich noch nie geschadet. Sehr wichtig ist mir jedoch, dass auch private Betreungsangebote organisiert und auch von öffentlicher Seite kontrolliert und betreut werden. Um einer gesellschaftlichen Segregation nicht noch weiter Vorschub zu leiseten: Alle Betreungsplätze sind für jedermann und jedefrau zugänglich und kosten gleich viel, bzw für die Eltern nichts. Teurere Betreungsplätze müssen vollständig privat finanziert werden. 

Nun das war ein kurzer Ausflug nach Utopia...

Was ich mir endlich wünschen würde, dass Mütter, ob berufstätig in ihrem Job oder "berufstätig" als Mutter erkennen, dass Sie gemeinsame Interessen haben und diese auch politisch EINFORDEN MÜSSEN. Das Thema ist NICHT Tagesmutter gegen Kinderkrippe oder Gluckenmutti gegen Rabenmutter... Mit freundlichen Grüßen S.M.  << 

Liebe Eltern, liebe Tagesmütter, was sagen Sie nun dazu?

Sind Sie auch dieser Ansicht ? Wigwam hätte zu Finanzierungsfragen solcher Modelle noch ganz andere Ideen - aber insbesondere den letzten Absatz und auch die Äußerungen zum Berufsstand würde ich unterschreiben wollen. Wichtig: Der im folgenden dargestellte Texte enthält Textstellen & Kommentare von meiner Seite. Aber schauen wir doch lieber mal, was sich in der Parteienlandschaft derzeit so tut. Die CDU in Rheinland-Pfalz möchte sich nun auf die Fahnen schreiben, den Beruf der Tagesmutter zu stärken und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Somit sei ein Anreiz gegeben;* Zitat: "die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nachhaltig zu stärken und die 84 % aller Frauen, die sich laut Umfragen Nachwuchs und Vollzeitjob gleichzeitig wünschen, zu mehr Kindern zu ermuntern" sagte Böhr, der CDU Bundesvize und -Landeschef. *Einen entsprechenden Gesetzentwurf stellten Böhr und der Verfassungsrechtler Ferdinand Kirchhoff in Mainz vor. Den 17-Seitigen Gesetzentwurf habe ich mir in aller Ruhe angeschaut und muß sagen, dass alle Ziele, die dort verfolgt werden sollen, wichtige sind und alle gesellschaftlichen Betrachtungen, warum Deutschland auf eine kinderarme Zeit zusteuert, nachzuvollziehen sind. Am Ende dieses langen Entwurfes wartet man dann beim Lesen gespannt auf die Umsetzungsvorschläge, die einen dann schlagartig ins "Diesseits" zurückholen.* 

Zunächst die positiven Betrachtungen zusammengefaßt: 

Es steht dort zu lesen, dass die Zukunft unseres Landes nicht allein durch die Sicherung von Wettbewerbsfähgikteit, Wachstum und wirtschaftlichen Wohlstand bestimmt wird, sondern wir nur dann eine Zukunft haben, wenn Menschen sich auch zukünftig für die Gründung einer Familie entscheiden. Es wird gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es möglich machen, dass Kinder in unserer komplexen Arbeitswelt willkommen sind. Es wird angeführt, dass soziale Anerkennung und Prestige in unserer Gesellschaft nicht nur auf beruflicher Leistungsfähgikeit und auf materiellem Wohlstand gründen sollen, sondern auch auf Anerkennung von sozialem, gemeinwohlorientierten und familiärem Engegement ausgehen soll. Es soll zukünftig flexibel organisierte, bezahlbare und bedarfsgerechte Betreuungsangebote geben. Der Entwurf hebt dann hervor, dass besonders der Bereich der Tagespflege aufgrund seiner Struktur in der Lage wäre, diese Aufgaben zu erfüllen; deshalb müßten dringend die Rahmenbedingungen für diesen Berufstand verbessert werden - aber auch die Qualität. Es wird sogar zugegeben, dass Regelungen des Berufstandes in Bezug auf Sozialversicherung und Besteuerung in mancher Hinsicht *welcher Hinsicht ?? * als zu kompliziert und damit unattraktiv gelten. 

Wir finden in dem Entwurf ebenso die Forderung nach der Wahlfreiheit

der Eltern; d.h. Nicht nur Eltern die erwerbstätig sind mit z.B. einem Kind sollen Anspruch auf Angebote zur Kinderbetreuung haben, sondern auch kinderreiche Familien mit nur einem erwerbstätigen Eltenteil. Desweiteren beschäftigt sich der Entwurf mit dem Finanzierungskonzept der rot-grünen Regierung zum Tagespflegeausbaugesetz und moniert, dass die Kommunen in Deutschland schon längst "mit dem Rücken an der Wand stünden". Die CDU betrachtet diese Vorschläge als eine reine "Luftnummer". Es dürfe nicht sein, dass am Ende doch wieder nur die Eltern den Ausbau der Kinderbetreuung über höhere Beiträge selbst bezahlen müßten. Einige Bundesländer hätten bereits die Beiträge erhöht, was zu zahlreichen Abmeldungen von Kindern aus Einrichtungen geführt habe, und somit für diese Familien nicht mehr gewährleistet sei, dass die Kinder eine gute frühkindliche Förderung erführen. 

Dann folgt die klare Forderung im Entwurf,

die Kinderetagespflege aus der "Grauzone" zu holen.

Jetzt wirds spannend:

Dies soll geschehen, durch ein Gesetz zur einkommenssteuerlichen Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Tagesmütter und -väter, denn dadurch erführen diese eine Aufwertung !! *man beachte: Der Vorteil auf Elternseite liegt auf der Hand, denn die Eltern können sich nun die Aufnahme einer Berufstätigkeit eher leisten.* Der Entwurf stellt weiter fest, wie groß das Angebot an Tagesmüttern derzeit sei und dass der Staat dieses riesige Arbeitsplatzpotential bislang vernachlässigt habe. Der Entwurf behauptet: Die Abzugsfähigkeit würde wieder eine echte Wahl zwischen Beruf und Familie ermöglichen - und auf der anderen Seite Tagesmüttern den Zugang zu einem eigenständigen Arbeitsmarkt ohne Verdrängung anderer ermöglichen. * wo ist der Unterschied zu vorher ?* Zudem ginge von dieser Änderung ein klares Signal aus, dass dem demographischen Problem Deutschlands entgegenwirke. *Seitenweise folgt in dem Entwurf dann noch eine positive Zukunftsbetrachtung unserer gesamten demografischen Probleme, die allesamt an der Absetzbarkeit festgemacht werden. Diese weitern Ausführungen erspare ich Ihnen - liebe Leser.* 

Der Entwurf sieht also nur vor,

dass Eltern ihre Aufwendungen für die Betreuung eines Kindes durch eine Tagesmutter vom zu versteuernden Einkommen abziehen können. Mal davon abgesehen, dass eine Entlastung der abgebenden Eltern auch ein wichtiges Ziel ist, so kann ich in diesem Vorschlag keine "Stärkung des Berufsstandes der Tagesmutter" erkennen ? Es kommt bei mir statt dessen der leise Verdacht auf, dass nicht die Stärkung und Verbesserung des Berufsstandes der Tagesmutter das Ziel ist, sondern die "Schwarzarbeiter-Quote" in diesem Berufsstand zu senken. Die CDU setzt dabei auf den Wunsch, dass die Tagesmütter den Weg in die Selbständigkeit finden (was sie ja heute schon sind :-) ).* 

Kommen wir zum Punkt:

Die Umsetzung all dieser Herrlichkeiten. Wie oben schon erwähnt, stieg meine Spannung von Seite zu Seite. Ich wartete auf weitere Inhalte des Entwurfes der auch an die "andere Seite" der Medaille denkt - den Ball eben rund macht - nämlich die Tagesmutter! Dann kam ich zu dem Punkt, der meine Hoffnung auf den Nullpunkt brachte.* 

Zitat:

"Die Fragen der Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung werden vom Entwurf nicht besonders geregelt, weil sie sich eine Vielzahl von Unterfällen unterschiedicher Versicherungspflichten oder -freiheiten aufgliedern. So können die Tätigkeiten von Tagesmüttern z.B. bei einer von der öffentlichen Hand gezahlten Betreuung von bis zu fünf Kindern steuer- und damit rentenversicherungfrei sein. In dieses austarierte Gefüge von Versicherungsfreiheit und Versicherungspflicht greift der Gesetzentwurf nicht ein"

Das dachte ich mir,

dass sich keiner durch diesen Regelungsdschungel schlagen möchte. Danke schön - kann ich da nur sagen - das wäre aber genau das, worauf wir alle hier warten! An dieser Stelle verweise ich auf meine vorangegangenen Info-Briefe zum Thema "was bleibt einer Tagesmutter vom Verdienst in der Tat übrig". Das Betreuungsgeld minus Betriebskostenpauschale, minus Rentenversicherung, minus Krankenversicherung (die Krankenkassen stufen die Tagesmütter, insbesondere die, die aus der Familienversicherung herausfallen, als Kleinunternehmer ein) läßt einen verschwindend geringen Verdienst übrig. Dann stelle ich fest, dass dieser Entwurf einen Idealfall schildert, der in der Praxis so gut wie gar nicht vorkommt; die allerwenigsten Tagesmütter beziehen Gelder aus öffentlicher Hand. Warum? weil nicht nur Kinder von allein Erziehenden zu Tagesmüttern gehen und nicht alle allein Erziehenden überhaupt Anspruch auf Zuschuß vom Staat haben; und wenn doch, bleibt immer noch eine stattliche zu versteuernde Differenz übrig; nämlich die Differenz, die man als abgebendes Elternteil auf dem freien Markt tatsächlich zahlen muß. Die vom Staat gegebenen Tagespflegezuschüsse entsprechen längst nicht mehr dem wahren Lohn einer Tagesmutter. Die oben zitierte "Vielzahl von Unterfällen" sind die Fälle, mit denen wir täglich zu kämpfen haben. Tagein tagaus, versuche ich Tagesmütter "bei der Stange" zu halten, obwohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen in keinster Weise motivierend sind. Zudem möchte ich an dieser Stelle den Herren von der CDU versichern, dass die stattliche Zahl von Tagesmüttern, auf deren vorhandenes Betreuungspotential sie in dem Entwurf zählen, nicht mehr da sein wird, wenn dieser Gesetzentwurf durchgeht ! Hier beißt sich die Katze also wieder in den Schwanz. Warum frage ich, wird ein Problem immer nur einseitig angepackt - wieso vergessen Sie die Beleuchtung der anderen Seite ? Ist es nicht vielleicht so, dass dieser Gesetzentwurf in Wahrheit nur dazu dient, den Steuerseckel füllen zu helfen, "schwarzarbeitende Tagesmütter" zu entlarven ? Und das alles unter dem heren Deckmäntelchen, den Berufsstand anheben zu wollen. Wenn dies umgesetzt wird, gibt es nicht nur keine Grauzone für Tagesmütter mehr, sondern keine Tagesmütter mehr*! 

Und man schreibt noch ein weiteres Meisterstück zum Thema:

wie bringe ich die Mütter (Tagesmütter und abgebende Mütter), die sich gegenseitig ja stützen und respektieren sollen, noch weiter gegeneinander auf!

So liebe Leser, das wars für heute von dieser Stelle - mit Sicherheit werden wir noch viel präsentiert bekommen und noch lange warten müssen, bis die Menschen gehört werden, die "an der Betreuungsfront" tatsächlich kämpfen und nicht im Hinterzimmer hochkomplizierte weltfremde Modelle ausarbeiten.

Es grüßt herzlich
Susanne Rowley

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