Sunday, 26. April 2015

Autor: Susanne Rowley

Fremd in den Arbeitswelten, in die wir uns katapultierten..

..um etwas wert zu sein. 


http://blog.derbund.ch/berufung/index.php/34581/wir-brauchen-mehr-schulversager/

Wir brauchen mehr Schulversager?

So titelt der Artikel, den ich hier kommentieren möchte.

Ich weiß, die Überschrift des Artikels ist eine provokative, zunächst irreführende, und sie kratzt auch nur an der Oberfläche eines viel tiefer liegenden Problems. Die Überschrift, die ich dem Thema gebe, möchte eine Rückbesinnung auf das, was wir könn(t)en, wenn wir dürften..

Der Artikel behandelt im Kern ein Thema, das mir stark am Herzen liegt und dem in unserer Gesellschaft nicht differenziert genug Beachtung geschenkt wird.

Liebe Wigwam-Freunde,

sind Sie in Ihrem beruflichen Leben auch im falschen Kleid spazieren gegangen? Es glänzte schön, aber es kniff unaufhörlich an allen Ecken und Enden? Ich gebe zu, ich gehörte lange Zeit dazu.

Alle Eltern würden von sich sagen,

dass sie ihrem Kind wünschen, dass es „seinen Weg“ macht. Aber der Weg, den viele von uns gehen mussten, und viele junge Menschen noch gehen müssen, war und ist oft nicht der „unsere“.

Es ist nur ein Weg.

Ich hätte Lust an dieser Stelle schon ein Wortspiel zu beginnen:

Nur ein Weg ist "Einweg" - diesen Begriff kennen wir aus unserer Wegwerfgesellschaft. Ich lasse das, denn auch einen falschen Weg gegangen zu sein, bedeutet nicht, den richtigen nie mehr finden zu können.

Der Weg, der im gegebenen System am ehesten Erfolg verspricht, der wird uns als richtig ans Herz gelegt. Aber schon bei der Definition des Wortes Erfolg sollten sich alle Geister scheiden. Es gibt ihn eben nicht, den Maßstab, der „unseren“ Erfolg verspricht, darum ist im Grunde schon der Versuch, ihn zu vereinheitlichen, anmaßend und verantwortlich für mögliches individuelles Scheitern. 

Viele von uns kennen das Wort Berufung, und auch in diesem Artikel wird das Wort bemüht. Es verspricht, einer Tätigkeit nachgehen zu können, die erfüllt, weil sie geeignet ist, das eigene Potential zur Entfaltung zu bringen. Aber wo lernt man seiner Berufung zu folgen? Und ist es überhaupt notwendig diese zu finden? Ich denke ja auf jeden Fall für solche Menschen, die danach suchen.

Ich arbeite um zu leben - ich lebe um zu arbeiten.

Beides gefällt irgendwie nicht.

Beide Sätze sind mir in meinem Leben oft begegnet. Und beide, so finde ich, sind mit einem Hauch von Negativem belegt. Dr erste suggeriert, dass man nur (s)einen „Stiefel“ herunterarbeitet, nicht zwingend ein Interesse daran mitbringt, was man da schafft. Und der zweite Satz hat etwas von einem Lebenssinn, der nur in Arbeit mündet, und dabei gewisse Grenzen überschreitet. Beides klingt erst mal nicht ganz gesund.

Es klingt nicht gesund, weil es Schubladen sind.

Und schon die können nicht gesund sein,

weil Schubladen nicht mehr können, als auf und zugehen.

Der Artikel aber handelt von

gesunden Anpassungsprozessen,

die wir durchlaufen müssen, sollten wir auf der Suche nach so etwas wie Berufung sein. Und viele von uns kennen diese Prozesse nur zu gut; sie können langwierig und auch schmerzhaft sein. Und manch' einer fragt sich zu Recht ob jeder Umweg, den er hat gehen müssen, hätte sein müssen. Dabei darf die Anmerkung erlaubt sein, dass der Umweg selbst voller Erkenntnisse & Erfüllung sein kann; von daher sind Umwege sicher niemals sinnlos, vor allem dann nicht, wenn schlechtere Startvoraussetzungen auf jene Schubladen treffen und sie damit schon beinahe vorgezeichnet wurden. Umwege sind sicher gut, wenn sie zu einem besseren Leben führen sollen. 

Die Frage, die sich mir stellt ist:

Verhindern wir in unserem frühen Bildungssystem die Voraussetzungen für spätere individuelle Entfaltung von Potential? Oder schlimmer noch verbiegen wir vorhandenes? Und wenn ja, welche Auswirkungen hat das auf uns und die Gesellschaft. Alleine schon die Tatsache, dass unser persönliches Wohlergehen in vielen Lebensbereichen in einer auf perfekte Leistung ausgerichteten Gesellschaft kaum mehr einen Wert hat, ist ein Indiz dafür.

Für Mut zur Vielfalt,

Mut zum Anders sein, Mut & Zeit den eigenen Weg zu finden, ist wenig bis gar kein Raum. Vielmehr sind es Trampelpfade, die angeblich Erfolg versprechen, weil andere sie bereits gegangen sind. Diese Handhabe ist mit verantwortlich dafür, dass so viele Umwege gehen müssen, und erst mal ankommen, wo sie niemals hinwollten. Das sollte uns zu denken geben. «Ich wusste alles über Marketing, aber nichts über mich selber», «Ich war recht naiv in diesen Karrieresog geraten, stieg aufgrund meiner Leistungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit in die Wirtschaftselite auf und merkte, dass permanent gegen meine Werte verstieß.» Und ein anderer kommt im Artikel zu dem Schluss «Als ich ganz oben auf der Karriereleiter angekommen war, spürte ich zunächst eine groß Leere. Dann beschlich mich der Verdacht, dass ich die Leiter ans falsche Haus gestellt hatte.»

Ich finde diesen Artikel genial,

weil er anreißt, was ich an unseren Bildungsstrukturen kritikwürdig finde, und weil es zugegeben auch mich selbst einmal betraf. Ich bestieg vor der Wigwam-Gründung eine Karriereleiter, die mir nicht entsprach und beschrieb es damals so: als ich oben angekommen war, hatte ich das Gefühl, dass Stalaktiten & Stalagmiten von jeder Bürodecke herunterwuchsen und drohten mich erfrieren zu lassen. Die Kehrtwende war schmerzhaft und heilsam zugleich.

Heilsam, weil ich heute empfinde im richtigen Kleid zu arbeiten, und schmerzhaft, weil mir viel mehr als nur das falsche Kleid bewusst wurde. Ich erkannte einen Umweg mit Überlänge, weil ich mein Potential überhaupt nicht kannte, und als ich es erkannte, zunächst feststellen musste, dass mein Werkzeugkoffer zur möglichen Umsetzung auch noch leer war. 

Tiefergehende Fragen sind also mehr als berechtigt

Was hat das zu bedeuten, wenn Schulversager als Unternehmer durchstarten und Musterschüler beim Aufstieg früher oder später in die Identitätskrise geraten? Ganz viel, denn diese Geschichten erzählen uns von genau jenem Potential, das im Bildungssystem verkümmert sein muss, sonst hätte es sich nicht auf anderen Wegen so mühsam Raum geschaffen.

Man könnte an dieser Stelle auch einfach Naturgesetze bemühen und sagen, alles, worauf ich tapfer den Deckel halte, wird dazu führen, den Druck zu erhöhen. Von daher bin ich stets für's "Dampf ablassen" ;-).

Und ist es nicht spannend darüber nachzudenken,

was wäre wenn unser frühes Bildungssystem auf die Förderung jener Potentiale ausgerichtet wäre? Spricht man in Deutschland von Berufung, hat es immer noch was esoterisch Träumerisches; etwas von einem Künstler, der nicht davon leben kann.

Lieber arm aber ehrlich.

Müsste man diesen Satz nicht verkehren und sagen: Lieber ehrlich und reich? Es gibt Ökonomen, die durchaus mit entsprechendem Zahlenwerk zu dieser These aufwarten könnten - dazu mehr am Ende meines Artikels.

Dieser Artikel jedenfalls deutet nicht nur an, dass dem nicht so ist, sondern auch dass unsere Berufswahl und das, was wir uns selbst und damit erst für die Gesellschaft wert sein können, nicht nur mit Bildung im klassischen Sinne zusammenhängen kann, sondern sich aus vielen Faktoren zusammen setzt. Neben dem Potential auch mit dem Rucksack, den wir schon von Hause aus mit uns rumschleppen. Das, was wir in den vorhanden Rucksack noch zusätzlich rein packen, kann durchaus eine ziemlich explosive Mischung werden. Und die Rechnung unserer bildungspolitisch Verantwortlichen, die immer noch auf dem schmalen Brett spazieren gehen: Rein mit dem Arbeiterkind in die Kita – rauf auf’s Gymnasium, die werden‘ s da drin schon richten, kann nicht aufgehen.

Es geht um Barrieren im Kopf.

Barrieren, die sich zusammensetzen aus ausgelatschten Trampelpfaden, die zu Erfolgszwecken gegangen werden sollen, und völliger Ignoranz dem Rucksack gegenüber, der ggf. von Hause aus nicht alles enthält, um jenen Trampelpfad erfolgreich zu gehen. Da wundert es nicht, wenn viele ihn zu gehen versuchen, um zu bekommen, was ihnen in frühester Kindheit fehlte, und nicht um Mitzuwirken am Erwerbsgeschehen selbst. Brauchen wir das? Nein, niemand braucht das - weder der unglücklich werdende Mensch selbst, noch die Gesellschaft mit ihren Ansprüchen!

Jeder junge Mensch will etwas aus seinem Leben machen",

schreibt Marco Maurer schlicht in seinem Buch "Ich Arbeiterkind" . So einfach ist das. Und doch so schwer, in diesem Deutschland vollgepackt mit Glaubenssätzen und Vorurteilen. In "Ich Arbeiterkind" erzählt Maurer von dem Grundschullehrer, der seiner Mutter mit den Worten "Das hat doch keinen Wert bei ihm" für den Sohn den Gang auf die Haupt- statt die Realschule empfahl. Ein Urteil, das seine Mutter,  von einem Akademiker hinnahm. Und hinterher sagte: "Ich habe mich machtlos gefühlt." Marco selbst setzte seinen Werdegang bis zum anerkannten Journalisten alleine durch,inklusive Ehrenrunde. Ach nein, da gab es eine Deutschlehrerin, die bereit war, etwas abzuweichen vom Lehrplan; sie bescheinigte ihm das Zeug zur schreibenden Zunft, hingegen man ihm beim Arbeitsamt zu etwas "Vernünftigem" riet.

>> Wenn von zehn Berufstätigen nur zwei mit Herzblut am Werk sind, während die anderen Dienst nach Vorschrift leisten oder gar innerlich gekündigt haben, spricht das für ein weit verbreitetes Unbehagen in der auf Wachstum, Rationalisierung und Spezialisierung ausgerichteten Arbeitswelt. Viele Berufstätige empfinden sich als unbedeutendes Rädchen in einem großen Getriebe, sie sehen kein Resultat mehr ihres Tuns und finden keine Antwort auf die Frage, welchem übergeordneten Zweck ihre Arbeit eigentlich dient. <<

Da darf die Frage erlaubt sein: Sind die dann wirklich "was geworden"?

Ja und Nein. Etwas sind sie schon geworden. Gegen ihren erklärten oder noch nicht vorhanden sein könnenden Willen.

Und die Lebensmitte ist es dann wieder, die uns an den berühmten Wendepunkt führt, ein Zeitpunkt, zu dem viele erst die Kraft gesammelt haben, um lang Gehegtes umzusetzen. Oder aber es macht sich Resignation breit, und Menschen verharren im Unglück, weil Neuland auch Risiken birgt.

Und deswegen wäre Karriere eigentlich eine Definitionsfrage

eines jeden Einzelnen. Das ist sie aber nicht. Vielmehr ist sie ein Bild im Kopf der Gesellschaft. Und auf diesen Weg schicken wir unsere Kinder. Wir kommen nicht umhin, auf Dauer andere Faktoren mit einzubeziehen. Solche nämlich, die früh im Rucksack drin sein sollten, weil nur sie es uns ermöglichen, mit falschen Rat-schlägen, Zweifeln und Rückschlägen im Leben früh statt spät umzugehen.

Inspiration am Anfang eines Lebens eines jungen Menschen, statt fertiger Stoff.

Dass man solange die Gesellschaft aus "unserem Weg" noch „Ein-Weg“ macht, kluge Ersatzlösungen finden kann, zeigt die Schweizer failcon-Konferenz. failcon ist der Teil einer Unternehmensgeschichte, die vor dem Happy End stattfindet. Teilnehmer sind Menschen, die erkannt haben, dass eine Kultur des Scheiterns auch ökonomisch Sinn macht. 

Fehler als absolute Chance

Und natürlich geht es auch um den wirtschaftlichen Nutzen hoch inspirierter Mitarbeiter. Die Initiatoren wissen längst, dass der Gesellschaft in vielen Bereichen diese Fehlerkultur fehlt. Wesentlich mehr versprechen sie sich vom Lerneffekt und vom mutigeren, ehrlicheren Umgang mit Misserfolgen.

Ziel: weniger >> living dead <<, also lebende Tote. Das gilt sowohl für Mitarbeiter in den Firmen, als auch für tote Firmen, in denen gute Mitarbeiter ebenso verkümmern. Erschließt sich mir sofort. Denn es kann sowohl die Saat faul sein, als auch das Umfeld, in dem sie wachsen sollte. Also muss beides unter die Lupe.

http://thefailcon.com/ Dieses Thema ist immens wichtig, denn sowohl der Rucksack, mit dem wir auf die Reise müssen, wie der Zug in den wir dann einsteigen, wirken sich entscheidend auf alle Lebensbereiche aus – bis hin zur psychischen und physischen Gesundheit.

Und an deren Erhalt müsste einer Gesellschaft aus menschlichen & ökonomischen Gründen gelegen sein.

herzliche Grüße

Ihre Susanne Rowley

Wigwam 1994
Anerkannte Bildungseinrichtung
55583 Bad Kreuznach
06708 . 660636
info_at_wigwam.de

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