Wednesday, 6. January 2016

Autor: Susanne Rowley

#Expertenmüde / Von Kitas schreiben und Kindertagespflege meinen

wir schreiben das Jahr 2016, und irgendwie stelle ich in den letzten Wochen beim Lesen des einen oder anderen Artikels fest:

Ich bin der Experten müde!

Diesen Artikel, den ich nur flankierend kommentieren möchte, weil ich ihn so oder ähnlich fast täglich lese, ist vom Inhalt her recht gut, trägt jedoch zum einen eine völlig irreführende Überschrift, und zum anderen handelt er von Institutionen, die leisten müssten, was Tagesmütter und -väter längst können. Drunter müsste also stehen: Thema verfehlt.

http://www.badische-zeitung.de/liebe-familie/sind-kinder-berufstaetiger-muetter-besser-in-der-schule--115798871.html

Weiterhin stoßen mir auch andere in sich nicht schlüssige Gedanken auf. Sind Ihnen auch schon einmal folgende Diskrepanzen aufgefallen? Es wird über frühe Bildungschancen und den damit einhergehenden Schulerfolg samt sich anschließendem Berufserfolg gesprochen. Schaut man dann jedoch die Experten-Argumente an, sprechen sie nicht von Bildung sondern von Bindung!

Zitat 1: >> Röhr-Sendlmeier: Erstens: Die Betreuungsperson muss liebevoll und zuverlässig sein und darf nicht öfter wechseln. Zweitens: Die Gewöhnung an die neue Betreuungsperson muss langsam und zu Beginn in Anwesenheit einer festen Bezugsperson stattfinden. Drittens: Die Qualität der Betreuung muss hoch sein, das heißt, dass eine Erzieherin nicht mehr als zwei bis drei Unterdreijährige betreuen sollte, sodass sie angemessen auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen und es anregen kann. Das ist, wie wir wissen, nur in sehr wenigen deutschen Kitas der Fall (..) Dann sind die Kontakte zu anderen Kindern sehr positiv für die sozial-emotionale Entwicklung. <<

Oder hier ein Auszug der gleichen Expertin aus dem Kommentar zu einer weiteren Studie: „Wieviel Mutter braucht das Kind“: >> Das Kind braucht sichere Bezugspersonen. Das sind – vor allem in den ersten Lebensmonaten – naturgemäß die Mutter und das nähere Umfeld. Allerdings ist der Glaube, der hierzulande immer noch weitverbreitet ist, dass die primäre Bezugsperson bis mindestens zur Einschulung ausschließlich die Mutter sein muss, wissenschaftlich nicht haltbar. Das Kind braucht mindestens eine Person, die sehr sensibel auf seine Bedürfnisse eingeht, die seine ersten Äußerungen deuten und seine Bedürfnisse richtig erkennen kann. Über das Stillen hinaus ist es dabei gar nicht so entscheidend, ob das nun die Mutter oder eine andere, liebevolle, einfühlsame Person ist. <<

Es ist die Rede von Bindung, oder hab' ich was an den Augen oder an den Ohren?

Also nennen wir doch im ersten Schritt bitteschön die Kerninhalte von echter Qualitätsentwicklung in der frühen Kindheit beim richtigen Namen! Und schauen dann bitte im zweiten Schritt, WER das realistisch bieten kann!

Es wird über Kitas und Einrichtungen geschrieben mit Inhalten, die nur der Kindertagespflege EIGEN sind! Warum steht sie dann nicht endlich da?

Weiterhin ermüdet mich zunehmend,

dass es im Grunde nur einen öffentlich vorzeigbaren Maßstab gibt, an dem sich Studien bezüglich der frühen Bildungschancen abarbeiten und eine gesellschaftliche Diskussion um ein angeblich „gelingendes Leben“ ranken? Und das ist ablesbarer beruflicher und wirtschaftlicher Erfolg. Zusatz- oder Gegenfrage – ganz wie sie mögen: Ist das Erklimmen der Karriereleiter und ein vollerer Geldseckel alleine per se gleichzusetzen mit späterer Lebenszufriedenheit? Überlaufene Praxen von Psycho- und Familientherapeuten erzählen Ihnen ganz sicher eine andere Geschichte - nämlich die, dass das Gros der Probleme, warum Menschen therapeutische Hilfe suchen „Beziehungs- und Bindungsprobleme“ sind, die sich auch mit bester Bildung nicht abschütteln lassen. Eine schlechte frühe Kindheit holt jeden Erwachsenen ein! Ohne Ausnahme! Wenn der Gesellschaft also schon die Kleinstkinder egal sind, dann tun ihr vielleicht die Erwachsenen leid, die sie mal sein werden. Leben ist nun mal nichts, was wir in behandelbare Teilbereiche aufsplitten können, sondern es baut Zug um Zug auf dem Fundament auf, das uns mitgegeben wurde! Warum fragt also niemand, was Kinder heute glücklich macht, und warum wagt es niemand, das immer gleiche Hamsterrad der ökonomisch so erfolgreichen Erwachsenenwelt zu hinterfragen, wenn es doch so viele ab irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens selber tun.

Es kommt mir mehr und mehr vor,

als ob wir in 2 Parallelwelten leben. In der öffentlichen sind wir gerade dabei, uns die Illusion vom kontrollierten Bildungsweg mit Glückgarantie zu kreieren. In der persönlichen Zone ringen die Menschen spätestens ab der Lebensmitte um Sinn und wahre Inhalte. Und ganz nebenbei spaltet sich hierbei die Gesellschaft in jene, die einen Maulkorb tragen und still mit dem Strom schwimmen, und jene die sich kritisch beäugen lassen müssen, weil sie „Ihren ureigenen Weg“ finden möchten.

Und warum muss ich im Jahr 2016 noch immer einen solchen Käse in Sachen Vereinbarkeit lesen:

>> Röhr-Sendlmeier: Was wir derzeit in Deutschland beobachten, ist, dass jede Mutter das Modell einer anderen Mutter als Angriff auf ihr eigenes sieht. Eine Mutter, die voll berufstätig ist und ein Kindermädchen angestellt hat, sieht es als Affront, wenn die Teilzeitmutter sagt, ich nehme mir auch viel Zeit für meine Kinder. Die Teilzeitmutter sieht es als Angriff, wenn ihr gesagt wird: Was ist denn mit deiner Rente? Und die Vollzeitmutter denkt, die anderen hielten sie für dumm, weil sie bewusst bei den Kindern bleibt. Da herrscht viel Misstrauen und wenig Toleranz. <<

Und hier der mit Abstand dümmste Satz aus dem gesamten Interview: >> Laut unserer Studien ist das verwunderlich. Sie zeigen nämlich, dass nicht das Modell entscheidend ist, sondern die Lebenszufriedenheit. << Was Sie nicht sagen Frau Professor – dann stellt sich doch im Grunde eine völlig andere Frage, auf deren Beantwortung ich viel gespannter wäre: Was ist dann speziell in D dafür verantwortlich, dass der Vereinbarkeits-Zicken-Krieg sich so hartnäckig hält? Welche systemische Schuld trägt die deutsche Frau und was nährt sie unaufhörlich? Denn: An anderer Stelle spricht sie von komplexen Lebenszusammenhängen, die geradezu danach schreien, die elende entweder/oder – Diskussion in Sachen Betreuung und Vereinbarkeit endlich in eine von sowohl/als auch zu verwandeln. Aber das ginge lt. Unserer Expertin im Interview offensichtlich immer noch nur hinter vorgehaltener Hand, wofür eine lange Tradition in deutschen Familien verantwortlich sei, die in den 60iger Jahren in die allseits bekannte Lagerdiskussion gemündet habe:

Echte Bindung nur zu Hause bei der Mutter. Echte Bildung nur in der Institution.

Ich hätte da einen hilfreichen Denkanstoß: Es geht grundsätzlich im Außen nicht voran, wenn wir im Innen stehen bleiben. Und stehen bleiben müssen die Eltern, wenn sie ihre Kinder in eine Betreuungslandschaft schicken, die ihnen keine guten Gefühle bescheren kann. Die Betreuungsangebote, die den immer flexibler arbeitenden Eltern gemacht werden, sind im schwarz-weiß Modus stehen geblieben, kollidieren aber permanent mit echtem bunten Leben, das völlig neue Herausforderungen mit sich bringt.

Neue Fragen brauchen neue Antworten - so einfach ist das!

Schlechte Betreuungsqualität und Betreuungsangebote, die mit starren Öffnungszeiten mehr Stress als Unterstützung bringen, machen aktuell zu Recht ein schlechtes Gewissen! Ergo haben wir ganz neue Gründe auf Elternseite, die Entweder Oder Frage fortgesetzt zu stellen, wollen wir unseren Kleinstkindern noch gerecht werden! Hinzu kommt allerdings in der gegenwärtigen Zeit auch noch die Komponente als Eltern immer seltener die Wahl zu haben, wenn von einem Gehalt kein Leben mehr ist.

Ich bleibe auch in diesem Jahr dabei: Wir brauchen in der Gesellschaft mehr Mut, der Kleinfamilie von heute eine Hilfestellung an die Seite zu geben, die beides kann: Enge Bindung zum Kind und gute Bildung, wenn es Zeit dafür ist.

herzlich Ihre Susanne Rowley

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