Friday, 18. April 2014

Autor: Susanne Rowley

Ergebnisse Bertelsmann Studie

Prof. Dr. Stefan Sell kommentiert


Hallo liebe Wigwam-Freunde,

Ergebnisse der neuen Bertelsmann-Studie – Prof. Dr. Stefan Sell kommentiert auf „Aktuelle Sozialpolitik“ – ein studierter Blick in die realen Untiefen der Kleinkindbetreuung

eigentlich hätte der Tag gut anfangen sollen -

nicht aber bei solchen Nachrichten. Das, was uns die neue Studie der Bertelsmann-Stiftung in kalten Rechenmodellen zu sagen hat, ist mehr als nur unangenehm, und ich frage mich, ob es überhaupt möglich ist, sich das, was dies für die ganz Kleinen wirklich real bedeutet, anhand von Zahlen vorzustellen. Eigentlich sind auch diese Studien selbst mittlerweile ein Abbild davon, wie distanziert wir mit den Seelen dieser Kinder umgehen. Bindung und Liebe, das natürlichste auf der Welt, können wir uns nur noch im Messbecher vorstellen. Frühkindlichen Stress glauben wir nur noch, wenn wir die Cortisol-Mengen am Morgen auch beobachtet haben. Alles, was Babys und Kleinstkinder brauchen, Liebe, Zuwendung, ungeteilte Aufmerksamkeit muss gegeben sein, damit Bildung und Förderung draufgesattelt werden können. Ich hatte es ja an vielen Stellen schon angekündigt, ich werde bei zunehmender Entwicklung in diese Richtung noch viel deutlicher für die Betreuung in Familienbündnissen der Kindertagespflege werben – Kinder, die so klein sind, haben rein gar nichts in Großgruppen von Einrichtungen zu suchen. Jede Betreuungsform hat ihre Berechtigung, und alle sollten Hand in Hand Vereinbarung von Beruf und Familie möglich machen – aber nur, wenn die Qualität auch wirklich stimmt.

Ein wie immer lesenswertes Statement zur Studie

haben wir bei Prof. Dr. Stefan Sell gesehen. Wenn Sie die Studie selbst einsehen möchten, geben Sie bitte den Link am Ende des Artikels in Ihren Brouwser ein.

Ein studierter Blick in die realen Untiefen der Kleinkindbetreuung. Von der Nicht-Einhaltung grottenschlechter Personalschlüssel, einer defizitären Kita-Finanzierung und fehlenden politischen Forderungen.

Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung

kommt zu beunruhigenden Ergebnissen: Für mehr als drei Viertel aller unter Dreijährigen in Potsdam wird der gesetzlich vorgeschriebene Personalschlüssel nicht realisiert. Die Kita-Finanzierung in Brandenburg reicht nicht aus und geht zu Lasten der Qualität:

www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-90A98D3E-EA237610/bst/hs.xsl/nachrichten_120439.htm

Wenn die Stiftung mitteilt,

dass in den Potsdamer Kindertageseinrichtungen mehr als drei Viertel aller Kinder im Alter von unter drei Jahren keine Betreuung finden, die den gesetzlichen Rahmenbedingungen entspricht, dann muss hier darauf hingewiesen werden, dass selbst die gesetzlichen Standards in der Fachdiskussion als deutlich zu schlecht kritisiert werden. Insofern haben wir es hier - vor allem mit Blick auf die Tatsache, dass wir über sehr kleine Kinder sprechen - mit einem Doppel-Problem zu tun. Wie aber kommt es, dass noch nicht einmal die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden (können)? Offensichtlich gibt es ein "Planungs- oder Kalkulationsproblem": »Das Missverhältnis ergibt sich daraus, dass die Mehrzahl der Kinder deutlich länger in der Kita bleibt als vom Gesetzgeber einkalkuliert ... Demnach ist in Potsdamer Kitas im Durchschnitt eine vollzeitbeschäftigte Erzieherin für 7,2 Kinder unter drei Jahren zuständig. Das brandenburgische Kita-Gesetz schreibt aber einen Personalschlüssel von ein zu sechs vor.« Nochmals an dieser Stelle: Selbst ein Schlüssel von 1 zu 6 ist viel zu schlecht. Auch die Stiftung weist auf diesen Punkt hin: »Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt für die Betreuung von unter Dreijährigen einen Schlüssel von eins zu drei, also doppelt so viele Erzieherinnen wie in Brandenburg vorgesehen.«

Die eigentliche Dramatik

der Ergebnisse erschließt sich einem erst, wenn man bedenkt, wie es zu diesem Befund, der in einer repräsentativen Studie am Beispiel der Kitas in Potsdam ermittelt worden ist, kommen kann. Die Stiftung schreibt dazu: »Bei der Bemessung und Finanzierung des Personals nach dem brandenburgischen Kita-Gesetz wird pauschal nur zwischen den Betreuungszeiten bis zu sechs Stunden oder mehr als sechs Stunden täglich unterschieden. Deshalb reichen die öffentlichen Mittel nicht aus, um bei Betreuungszeiten von über 7,5 Stunden den gesetzlichen Personalschlüssel einzuhalten. Werden Kinder dann länger als 7,5 Stunden täglich betreut wie derzeit für die Mehrzahl üblich – muss das vorhandene Personal über die längeren Betreuungszeiten verteilt werden. Dadurch kann der gesetzlich vorgeschriebene Personalschlüssel nicht mehr eingehalten werden und die Qualität der Betreuung verschlechtert sich für alle Kinder.«

Und dann konkret:

»Wie die Studie ermittelt, werden aktuell 78 Prozent der unter Dreijährigen an Postdamer Kitas länger als 7,5 Stunden betreut: Knapp 32 Prozent besuchen ihre Kita täglich für mindestens acht Stunden und 46 Prozent sogar zehn Stunden oder länger. Daher können die gesetzlichen Vorgaben nicht realisiert werden.« Das sind nun wirklich richtig "heftige" Betreuungszeiten für Kinder unter drei Jahren. Das wird aber an sich gar nicht thematisiert bzw. problematisiert in der Studie. Konsequent zünde gedacht sind solche Werte und Zeiten skandalös problematisch. Leider zeigt dieses Beispiel erneut, dass die Befürchtungen der Kritiker eines rein quantitativen Ausbaus der Kindertagesbetreuung berechtigt sind. Allerdings ist es auch schade, dass die Stiftung zwar die unzureichende Kita-Finanzierung in Brandenburg kritisiert, aber es tauchen keine wirklichen Lösungsvorschläge auf. Und angesichts der an anderer Stelle vielfach beschriebenen Problem der Verteilung der Finanzierungslasten im Bereich der Kindertagesbetreuung sollte es mittlerweile immer klarer geworden sein, dass wir dringend bundesweit, also über alle Bundesländer hinweg, eine neue Finanzierungssystematik benötigen, bei der eine regelgebundene Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten (und das sind vor allem Personalkosten) der Kitas eine wichtige Komponente darstellen würde. Keiner soll annehmen, dass die Kommunen als Hauptkostenträger und die Bundesländer in der Lage sein werden, eine halbwegs ausreichende Finanzierung der Kitas (und der Kindertagespflege, die hier mal wieder nicht auftaucht) sicherstellen zu können.

Aber auch wenn man mal völlig unplausibel annehmen würde,

dass das mit der Finanzierung endlich in Angriff genommen wird und sogar mehr und ausreichend Geld zur Verfügung stehen würde - an den Zahlen hinsichtlich des gegebenen und des eigentlich anzustrebenden Personalschlüssels kann sich jeder ungefähr ausmalen, wie viele zusätzliche Fachkräfte wir benötigen würden, um das auch Realität werden zu lassen. Insofern wäre eine weitere notwendige Forderung, die aber auch nicht auftaucht, dass man eine nationale Qualifizierungsoffensive diskutiert, plant und umsetzt. Das schreit förmlich nach einem koordinierten Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen. Aber die Forderung nach einem "Krippengipfel", der als Startpunkt für so was fungieren könnte, ist zuletzt vor der Bundestagswahl gehört worden. Seitdem ist Schweigen im Walde. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Die ganze Studie kann hier als PDF-Datei abgerufen werden:

Bertelsmann-Stiftung: Bessere Lebens- und Bildungsbedingungen für alle Kinder in Brandenburgs KiTas. Gute Rahmenbedingungen durch eine wirksame Finanzierung strukturell verankern. Zentrale Ergebnisse des Simulationsprozesses in der Modellkommune Potsdam im Überblick, Gütersloh 2014:

www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-90A98D3E-EA237610/bst/xcms_bst_dms_39488_39489_2.pdf

So liebe Tagesfamilien, Eltern und liebe LeserInnen, wenn Sie Fragen oder Anregungen zu den Themen haben, schreiben Sie mir. Ich hoffe, Ihnen allen geht es gut in unserer Kinderbetreuungslandschaft und ich verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Susanne Rowley

Wigwam 1994
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