Monday, 27. January 2014

Autor: Susanne Rowley

Die Stiefkinder der Nation

Erzieher sind die Lehrer "für Arme".


Liebe Wigwam-Freunde,

das muss man muss es gelesen haben, sonst glaubt man es nicht.

Was da in Sachen Qualitätssicherung plötzlich alles geht. Erzieher sind also die "Lehrer für Arme", so wie die Tagespflegepersonen (egal welche Ausbildung sie zur Qualifikation noch mit bringen) "die Erzieher für Arme" sind.

Und das obwohl jene Berufsgruppen die wichtigste Begleitung am Beginn des Lebens eines kleinen Menschen leisten.

Danke an Prof. Dr. Stefan Sell / Aktuelle Sozialpolitik für die ausführliche Betrachtung der Situation.

Zitat:

>> Schon lange war und ist nichts mehr zu hören vom Thema Kita-Ausbau. Alles scheint in schönster Ordnung, der Rechtsanspruch ist umgesetzt, die Eltern sind glücklich und die Kinder unter drei sind ja auch kaum in der Lage, ihren verbalen Senf abzugeben - warum also darüber noch berichten? Der Aufstand der Eltern ist offensichtlich ausgeblieben und neue Themen stehen auf der Agenda und im Zentrum der punktuellen Aufmerksamkeit. Das sollte uns skeptisch stimmen. In diese Konstellation passen dann solche Artikel natürlich nicht:

"Azubis müssen Kita-Gruppen leiten", so ein Bericht aus Berlin:

www.berliner-kurier.de/kiez-stadt/fachkraefte-fehlen-azubis-muessen-kita-gruppen-leiten-,7169128,25796992.html.

»Im vergangenen Jahr hat Berlin beschlossen, dass bis zu einem Viertel der Erzieher Seiteneinsteiger sein dürfen, die während der Arbeit von den examinierten Kollegen ausgebildet werden. Die sind dadurch doppelt belastet, weil die Neulinge schon als normale Erzieher eingesetzt werden, teilweise schon Gruppen leiten müssen – teilweise schon vom ersten Tag an und vor dem Beginn der Schulungen. Die Zahl der Kräfte pro Kita steigt nicht.« Neben der Ausbildung zusätzlichen Personals hat das ganze natürlich einen Nebeneffekt: »

Vorteil für den Finanzsenator: Die Neuen arbeiten, verdienen aber weniger als ihre altgedienten Kollegen.« Das ist praktisch. Insofern soll hier über Geld geredet werden, aber nicht über solches, dass irgendwelche Kostenträger einsparen können, sondern über das Geld, das man den Erzieherinnen und Erziehern zahlt bzw. zahlen sollte. Sprechen wir also von der Vergütung. Hierzu ist in der Print-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" vom 25.01.2014 ein längerer Beitrag von Alex Rühle erschienen (derzeit leider nicht online verfügbar), aus dem im Folgenden zitiert werden soll: "Kann doch jede", so hat er seinen Artikel überschrieben: »Warum gelten Erzieherinnen und die paar Erzieher eigentlich als weniger qualifiziert als Lehrer?

Ein Plädoyer für eine angemessene Bezahlung«. Das hört sich interessant an, werfen wir also einen Blick auf seine Argumentation, denn es geht hier um mehr als 490.000 Erzieher/innen in Deutschland: »Der Erzieherberuf ist bis heute so etwas wie das ungeliebte Stiefkind unter den pädagogischen Berufen ... Erzieher sind heute Katastrophenmanager und Seelenstreichler für die Kinder, Ansprechpartner für die Eltern und Verwaltungsmanager. Sie backen vormittags mit den Kleinen mit Förmchen und versuchen nachmittags die Form zu wahren, wenn ihnen die Eltern erzählen, dass das Spielen im Sand nicht förderlich für das spätere Vorankommen des eigenen Nachwuchses ist. Abends schreiben sie detaillierte Entwicklungsprotokolle über jedes einzelne Kind. Sie kümmern sich oft ganztags um die Kinder, von denen heute immer mehr nur rudimentär Deutsch sprechen, wenn sie im Kindergarten anfangen.

Das Berufsbild hat sich dramatisch gewandelt.

Und dafür dann 1900 Euro netto? ... Das deutsche Jugendinstitut hat die Einkommen von Grundschullehrern und Erzieherinnen in Bayern verglichen. Ein Lehrer bekommt 3129 Euro brutto im ersten Jahr, eine Erzieherin 2438 Euro, im zehnten Jahr kriegt der eine 3578, die andere 2787 Euro. „Vereinfacht gesagt“, so das Resümee des DJI, „bekommt die Erzieherin brutto, was der Grundschullehrer netto bekommt.“« Und warum ist das so? Rühle zitiert in seinem Artikel Thomas Höhle, der als Vertreter der kommunalen Arbeitgeberverbände bei Tarifverhandlungen die Arbeitgeberseite repräsentiert.

Seine lapidare Antwort:

»Ein Lehrer hat ein Hochschulstudium, Erzieherin zählt zu den Ausbildungsberufen.« Das nun ist aber nur ein Teil der Wahrheit, denn auch die mittlerweile vorhandenen studierten Kindheitspädagogen, wie das heute so genannt wird, also die Fachkräfte mit einem frühpädagogischen Studium, darunter viele Erzieher/innen, die das auf ihre Ausbildung gepackt haben, bekommen in der Regel keinen Cent mehr für die Arbeit, die sie tun. Also nur daran kann es nicht liegen.

Dann kommt in diesem Artikel so ein Satz, der seit Jahren immer wieder gerne abgeschrieben wird, dadurch aber auch nicht mehr an Wahrheit gewinnt: »Mit Ausnahme von Österreich und Malta ist es in allen europäischen Ländern üblich, Erzieher an Hochschulen auszubilden.« Das stimmt so nicht und vor allem stimmt es nicht, dass in den Kitas außerhalb der deutschen Staatsgrenzen überall Akademiker herumlaufen. Man schaue sich nur einmal den Mix an Qualifikationen in den Einrichtungen an in Frankreich, in Skandinavien, erst recht in Großbritannien.

Was richtig ist:

In vielen dieser Länder gibt es ein lange Tradition auch der hochschulischen Ausbildung in der Frühpädagogik, während in Deutschland die ersten Studiengänge in diesem Bereich erst in den Jahren 2004 ff. eröffnet worden sind. Diese neue Entwicklungslinie wird in dem Artikel auch angesprochen und der Verfasser zitiert dabei auch Thomas Rauschenbach, den Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI): »Seit zehn Jahren gibt es die Möglichkeit, nach einem Studium der „frühkindlichen Bildung und Erziehung“ einen Bachelor-Abschluss zu erwerben, inzwischen kann man 62 verschiedene kindheitspädagogische Studiengänge belegen.

Rauschenbach rechnet damit, „dass wir in der Frühpädagogik an einer ähnlichen Zeitenwende stehen wie in der Sozialpädagogik in den sechziger Jahren, als die gesamte Ausbildungslandschaft reformiert und angehoben wurde.“« Alex Rühle reitet dann im Schnelldurchgang durch die seit Jahren vorliegende empirische Evidenz, dass sich die ganze Veranstaltung gerade aus volkswirtschaftlicher Sicht lohnt und er weist auch darauf hin, dass die Art und Weise der gegebenen Finanzierung mit ihrer kommunalen Schlagseite eine notwendige Systemweiterentwicklung hemmt. Und wieder landet er angesichts dieser seit langem bekannten Aspekte bei einer Anfrage: »Wie lässt es sich da volkswirtschaftlich rechtfertigen, dass eine Erzieherin nur die Hälfte von dem verdient, was ein Gymnasiallehrer bekommt? Dass sie brutto nur so viel erhält wie ihre Grundschulkollegin netto? Wie lässt sich argumentativ begründen, dass der Beruf des Erziehers bis heute nicht der Bildung zugeordnet wird, sondern der Kinder- und Jugendhilfe?«

Und wieder landet er bei der Frage

nach der Bezahlung der Fachkräfte: »„Es gibt ja kein Anreizsystem“, sagt Thomas Rauschenbach und erzählt von einem Versuch der Universität Bremen: „Die haben einen integrierten Studiengang initiiert, frühkindliche Pädagogik und Grundschule in einem. 90 Prozent der Studierenden haben sich danach für die Grundschule entschieden. Nicht weil sie das per se besser fanden. Sie haben nur gesehen, dass man mit dem Job verbeamtet wird, bessere Arbeitszeiten hat und besser bezahlt wird.“« Mittlerweile ist in vielen Gegenden, gerade in den teuren Großstädten wie in München, der Markt für Personal leergefegt. Nach allen Gesetzen der Ökonomie von Angebot und Nachfrage müsste jetzt der Preis für das Arbeitsangebot steigen, also deren Gehälter. Das allerdings hält sich in den Grenzen der öffentlichen Tarifsteigerungen. Aber man kann Angebotsprobleme hinsichtlich der Menge ja auch anders zu lösen versuchen: »Im vergangenen Jahr hat die Stadt München in ihrer Not in Athen griechische Erzieherinnen angeworben. Und das für einen Beruf, in dem ja auch Sprachkompetenz vermittelt werden soll.« Die gleiche Entwicklungslinie versucht man derzeit parallel im Pflegebereich voranzutreiben. Man sollte das - wenn überhaupt - als eine in Grenzen sinnvolle Ergänzung sehen, nicht aber als eine umfassende Lösung. Das wird nicht klappen.

Bleibt wie so oft die Hoffnung,

dass sich dann wenigstens in der Zukunft etwas verändern kann, wenn neu verhandelt wird über die Tarifverträge. Dazu Rühle abschließend in seinem Artikel: »Ab März wird neu über die Gehälter verhandelt. Das dürfte spannend werden.« Und schwierig - gerade auch für die beiden beteiligten Gewerkschaften, als GEW und ver.di, denn man muss wissen, dass auch wenn alle Beteiligten auf der Arbeitnehmerseite Arbeitskampfmaßnahmen durchführen möchten, um höhere Vergütungen durchzusetzen, Streiks nur in den kommunalen Kitas möglich wären, denn ein Streikrecht gibt es für die vielen Erzieher/innen in den konfessionell gebundenen Einrichtungen aufgrund des "Dritten Weges" der Kirchen im Arbeits- und man muss es so sagen - Nicht-Tarifrecht nicht. Das macht die Anhebung der Vergütungen durch die Gewerkschaften sicher nicht einfacher, ganz im Gegenteil.

Man darf also gespannt sein, ob im Frühling etwas passiert oder wieder nicht. <<

Zitat Ende

herzliche Grüße

Susanne Rowley

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