Monday, 9. May 2016

Autor: Susanne Rowley

Die Rechnung ohne den Betreuungswirt gemacht? Vom guten alten Babysitting

Was geschieht, wenn das gute alte Babysitting aus der Schublade muss?

Liebe Wigwam-Freunde, viele haben sich über diesen Artikel gefreut.

http://www.morgenpost.de/berlin/article207529539/Neuer-Service-fuer-Eltern-Kita-Erzieherin-kommt-nach-Hause.html

Liest sich ja auch ganz super, wenn die Kinderfrau wieder bequem ins Haus kommt, und damit der anonymen 24-Stunden-Kita etwas Persönliches entgegensetzt.

Was auf den ersten Blick so schön aussieht,

muss man in der Regel etwas näher unter die Lupe nehmen und einem Praxistest unterziehen. Als erfahrene Vermittlerin, die sich aus gutem Grund auf die Fahnen geschrieben hat, das Hauptaugenmerk grundsätzlich auf das Wohlergehen der Betreuer zu richten, u.a. weil nur dann das erfüllt werden kann, was Eltern unerlässlich finden, nämlich Kontinuität, möchte ich einige Gedanken zu der geplanten Betreuungsform aufwerfen.

>> Die Senatsjugendverwaltung hat die Leistung einer Servicestelle ausgeschrieben, die das Angebot koordinieren und Kontakte zwischen Firmen, Eltern und Betreuern vermitteln soll <<

Dazu wünsche ich den Verantwortlichen ein sehr gutes Händchen, und dem Koordinator/der Koordinatorin, die das aufbauen und umsetzen soll, ganz viel Geschick, denn damit wird sie oder er eine der schwersten Vermittlungsaufgaben übernehmen, die man im Betreuungsbereich haben kann. Schauen wir mal genauer hin:

Vornehmlich wird es um das Füllen der Randzeiten von Einrichtungen gehen und eben nicht, wie im Artikel suggeriert, „nur“ um Übernachtbetreuung. Eltern, die im Schichtdienst tätig sind, haben in der Regel nicht nur eine Schichtzeit zu bewältigen, sondern mehrere im Wechsel. Es gilt also Betreuer zu verpflichten, die sehr flexibel einsetzbar sind und die Betreuungslücken am Beginn einer Frühschicht, am Ende einer Spätschicht gemessen an den Öffnungs- und Schließzeiten von Einrichtungen abdecken. Faktisch erwarten diese Betreuer also Einsätze z.B. um 5 Uhr morgens bis ca. 8 Uhr, um Kinder für den Besuch einer Einrichtung vorzubereiten. Das gleiche gilt in der Abendschicht mit einem Hüten bis 20 oder 22 Uhr. In beiden Konstellationen wird es zudem zu Bring- und Abholfahrten kommen. Und das Ganze wechselt dann auch noch wochenweise. Betreuungslücken werden ebenfalls entstehen im Verlauf von Ferien / Urlaub / Krankheiten des Kindes.

Da der Artikel nichts über die Struktur der geplanten Vergütung preisgibt,

greife ich für Sie in meine 23-jährige Erfahrungskiste. Alleine schon die große Bereitschaftsflexibilität, die Betreuern hier abverlangt wird, macht es schwierig, Kontinuität für die zu betreuenden Kinder sicher zu stellen. Möchte man also keine Vermittlungen auf möglichen Zuruf fabrizieren, bleiben nicht viele Menschen, für die eine solche Tätigkeit attraktiv sein könnte. Die gelernte Erzieherin ist es ganz sicher nicht, denn diese hat ihren Beruf nicht erlernt, um auf eine stundenweise Beaufsichtigung reduziert zu werden.

Es wird also sehr wahrscheinlich zu dem Aufbau einer Kartei kommen mit folgendem Klientel: Studenten, die in den Semesterferien parat stehen, und während der Studienzeiten kaum oder gar nicht. Auf Suchaktionen hin werden sich auch arbeitssuchende Menschen melden, die sich einen Wiedereinstieg erhoffen. Genau an dieser Stelle wird es darauf ankommen, ob in Sachen Einkommen eine Auslastung bzw. ein kontinuierliches Einkommen zu erzielen ist oder nicht. Ist dem nicht so, wird es Kollisionen geben mit Job-Centern, die ihrerseits angehalten sind, nennenswerte Wiedereingliederungsmaßnahmen vorzunehmen. Das führt naturgemäß dazu, dass Betreuer aus dem Projekt abgezogen werden müssen. Bleiben uns noch RentnerInnen / FrührentnerInnen, die sich hier und da gerne engagieren möchten. Das tun sie allerdings nur, wenn durch Zusatztätigkeiten keine Kürzungen bei der Rente zu befürchten sind. Genügt einer schichtarbeitenden Familie ein solches "Zeitfenster" nicht, wird es zu Betreuungswechseln oder dem Teilen des Jobs kommen müssen. Schlussendlich könnte man noch Ausschau halten nach der betreuerischen Nadel im Heuhaufen, als da wären engagierte Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht auf einen auslastenden Lebensunterhalt angewiesen sind. Zum Spaß an der Freud?! Solche kommen allerdings nicht jeden Tag um die Ecke.

Die Vergütungsstruktur sowie die Arbeits- und Lebenssituation,

in der sich BewerberInnen befinden, spielt also eine ganz entscheidene Rolle dabei, ob aus einem solchen Dienst eine Art Taubenschlag-Agentur werden wird. Das ist den nutznießenden Eltern und Kindern nicht zu wünschen. Und ich kenne auch kein Elternpaar, das jede Woche ein neues Betreuungsgesicht im eigenen Wohnumfeld begrüßen möchte.

Wenn ein solches Projekt

also zufriedenstellend auf die Beine gestellt und erhalten werden soll, müssen sich nicht nur BetreuerInnen bewegen, sondern themenübergreifende Störfaktoren wie Vorschriften anderer Amtsstellen müssen auf den sinnmachenden Prüfstand. Wie sehr das von Erfolg gekrönt sein wird, kann sich wohl jeder vorstellen.

Erfahrungsgemäß zieht jede Behörde ihren Vorschriftenstiefel einfach durch. Zugeständnisse konnte ich hier immer dann erreichen, wenn ich ein Projekt zur Planung vorweise, das definitiv dazu führt, dass eine Betreuerin/Betreuer langfristig in lohnende kontinuierliche Arbeit kam.

Abschließend erlaube ich mir anzumerken:

Die Kunst beim Vermitteln heißt nicht, ein Glanzprospekt mit einer gut klingenden Idee zu bestücken, sondern ist das harte Erarbeiten von Lösungen, die für beide Parteien lebbar sind! Alles andere ist nichts weiter als eine Masse von kommenden und gehenden Menschen zu verwalten, ihnen jeweils Telefonnummern an den Kopf zu werfen, und sie abwechselnd in der Gegend herum zu schicken.

herzliche Grüße

Susanne Rowley

Wigwam 1994
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