Friday, 25. April 2014

Autor: Susanne Rowley

Die einzig normale Familie sind die Simpsons

Oder: Warum Erwachsene in Eisdielen nicht winken.

www.daserste.de/unterhaltung/talk/beckmann/sendung/24042014-kinderlos-100.html

Die einzig normale Familie sind nur noch die Simpsons - oder warum deutsche Erwachsene in Eisdielen nicht winken

Absolut enttäuschend diese Sendung, um nicht zu sagen peinlich!

Liebe Wigwam-Freunde,

selten habe ich eine derart schlechte Sendung zum Thema Vereinbarung von Beruf + Familie über mich ergehen lassen. Ehrlich gesagt, bin ich in der Hälfte kurz eingeschlafen, habe aber dann später festgestellt, dass mein kleines Nickerchen sich mehr gelohnt hat, als die Passagen, die ich schlummernder Weise verpasst habe.

Ich bin unentschlossen,

ob ich im Nachgang einfach gelangweilt gähnen oder regelrecht wütend werden sollte. Ich frage mich, warum Reinhold Beckmann sich mit diesem zukunftsweisenden Thema und der Vorbereitung dieser Sendung nicht mehr Mühe gegeben hat. Der Vorwurf richtet sich sowohl an die Zusammensetzung der Gäste, als auch an die Moderation der abgefragten Themen, gepaart mit seinem Unvermögen, die entsprechenden Antworten der Teilnehmer irgendwie zusammen zu bringen. Zu Beginn war ich sehr hoffnungsvoll, als ich die Teilnahme des Journalisten Marc Brost, Leiter des Hauptstadtbüros "Die Zeit" auf der Gästeliste erblickte.

Sein provokativer Artikel, www.zeit.de/2014/06/vereinbarkeit-vaeter-kinder-karriere-luege, mit der spritzigen Aussage: Beruf und Familie seien in Wahrheit unvereinbar, ließen mich auf eine lebhafte Diskussion hoffen. Seinen Artikel habe ich auf diesem Blog bereits ausführlich kommentiert.

Auch wenn ich nicht in allen Punkten seiner Meinung bin, so ist er doch mal ein Vater, der sich tiefergehend und ernsthaft Gedanken um die Qualität seines Lebens und die Zukunft der Gesellschaft macht. Durch seine Aussage, Vereinbarkeit sei schlichtweg eine Lüge, und seine Forderung nach mehr Ehrlichkeit in der Debatte, erhoffte ich mir eine muntere und kontroverse Diskussion. Lieder blieb er mit seinen wertvollen Beiträgen allein auf weiter Flur, denn kaum ein Gast war in der Lage oder willens, ihm ernsthaft argumentativ etwas entgegensetzen.

Einziger Lichtblick,

aber ebenso an Brost vorbei, argumentierte die erfahrene Hebamme, die eine Form von Gelassenheit an den Tag legte, die sie sich zu Recht für viele junge und werdende Eltern in Deutschland wünscht. Von ihr erfuhren wir zumindest, dass Teilzeitmodelle und jahrelanger Ausstieg aus dem Beruf gebildeten Frauen den Anschluss an ihr späteres Berufsleben erschwert, und wir erfuhren auch: dass sie als Kind die Radieschen von oben hat wachsen sehen. Wahnsinn! Besser als von unten - nicht wahr.

Die Anwesenheit der Wissenschaft in Persona durch Frau Prof. Michaela Kreyenfeld, Soziologin am Max-Planck-Institut für demografische Forschung, hätte der Unterhaltung sicher mehr Tiefe geben können, denn sie untersucht das Ausmaß von Kinderlosigkeit in Deutschland. Alles was sie schlussendlich beitrug, war die Tatsache, dass Politik nicht an Familie interessiert ist, sondern daran, die Bevölkerungszahlen im überlebenswichtigen Rahmen zu halten. Aber genau jene Ferne der Politik zu Familien und deren Lebenswirklichkeit, die für die Reduzierung auf Zahlensalat dieser Art verantwortlich ist, hätte sie wesentlich intensiver kommentieren sollen – statt dessen schwieg sie über weite Strecken der Sendung hinweg, und ich fragte mich, ob sie überhaupt noch anwesend ist bzw. ob sie nicht insgeheim hofft, man würde sie nicht mehr ansprechen. In den wenigen Augenblicken, in denen sie sich zu Wort meldete, sagte sie jedenfalls sehr wichtig Dinge, ließ es aber leider bei einer Art von protokollarischen Überschriften bewenden.

Die Tatsache z.B., dass eine Flut von Familienleistungen sich in ihrer Zielführung widersprechen, hätte wirklich eines ausführlichen Statements von ihrer Seite bedurft. Kritisch nachgehakt bei Thesen, die sie in den Raum stellte, konstatierte sie lediglich, dass Entwicklung auch Zeit bräuchte – und Deutschland genau diese Zeit noch nicht gehabt hätte. *Na dann..

Kaum zu glauben,

aber zwischendurch blitzte das Thema „schlechte Betreuungssituation“ wirklich mal auf, als die erfahrene Hebamme von dem Umstand berichtete, dass verzweifelte Münchner Eltern überlegen, ein Flugzeug zu chartern, um einen Kitaplatz in Hamburg zu ergattern. Sehr natürliche und selbstverständliche Äußerungen kamen von der Schauspielerin Jasmin Tabatabai, die selbst dreifache Mutter ist. Jedoch hatte der Wert ihrer Aussagen ab einem bestimmten Wiederholungsgrad die Qualität von einem Psychologen, der seinem Patienten trotz schwerer psychischer Probleme rät: na gehen sie mal n bisschen durch die Luft – das wird schon wieder.

Völligst fehlbesetzt

war in dieser Sendung die Juristin Nicole Huber – kinderlose Buchautorin – die gleich zu Beginn stolz herausposaunte, warum sie denn keine Kinder haben wollte – die Frage sei ja wohl völlig überflüssig – ebenso könnte man sie fragen, warum sie keine Trompete gelernt habe. Sie habe als Buchautorin das Bedürfnis, dem Vorwurf, Kinderlose seien egoistische Konsumjunkies, etwas entgegen zu setzen, und keinesfalls habe sie dabei nur eine persönliche Befindlichkeit schriftlich absondern wollen. Ihren thematischen Höhepunkt erreichte sie dann zusammenhanglos, als sie Vergleiche mit Frau/Hund – Mutter/Kind anstellte. Und unter dem dauerhaft anhaltenden Kopfschütteln ihrer Nebensitzerin, Frau Tabatabai, die recht ehrenhaft versuchte, ob all dieser völlig weltfremden und teilweise geschmacklosen Äußerungen noch an sich zu halten, war dann etwas Spannung zu bemerken, die jedoch sofort wieder verpuffen musste, weil der Moderator nicht wusste, was er mit beiden anfangen sollte.

Der Ausstausch zwischen den Damen gipfelte in der Überlegung:

Warum winken Erwachsene Deutsche an Fenstern von Eisdielen nicht zurück, wenn deutsche Kinder von außen winken.

Wir erfahren, von der Nicht-Trompeterin, dass nur nette Menschen zurückwinken . Woraufhin die neuerliche Behauptung durch die Nebensitzerin in den Raum gestellt werden musste: Spanier winken aber! Ansonsten empfand die kinderlose Nichttrompeterin, Deutsche sollten sich anzahlmäßig durchaus endlich mal minimieren – das spare weltweite Ressourcen *lach und tröööt (nach Noten…), Kinder stören ggf. auch Nachbarschafts – und überhaupt soziale Verhältnisse – erwähnte sie noch am Rande - und dafür, dass Mann und Frau auch mal ihre Ruhe haben wollen, müsse man schließlich Verständnis haben.

Es fehlte mir in dieser Runde eigentlich nur noch Norbert Blüm,

der sagt; die Rente ist sicher.

Oder Dorothee Bär, die mir erklärt: "Die einzig normale Familie sind nur noch die Simpsons"

Kein Wort darüber, dass prekäre Arbeitsverhältnisse, unplanbares Leben mitverantwortlich sein könnten, dass weniger Kinder das deutsche Licht der Welt erblicken. Kein Wort darüber, wie die Gesellschaft an sich mit Müttern, die sich verwirklichen wollen, umgeht. Kein Wort darüber, wie Väter in all diese Entscheidungsprozesse eingebunden oder nicht eingebunden werden. Kein Wort darüber, wie die freie Wirtschaft sich zum Thema einbringt oder heraus hält.

Wenn Sie einen Hauch davon erahnen möchten, wie die ganze Sendung war, genügt es, wenn Sie sich ab Minute 70 mal kurz reinklinken. Der Abspann zeigt, wie lustlos und unkoordiniert alle Gäste in der Runde nur noch dem Ende entgegen hechelten, weil sie alle sich nichts zu sagen hatten, geschweige denn einander zuhörten.

Fazit:

schlecht gelaunte Menschen in Deutschland mögen halt keine Kinder – da hilft: einfach bissel mehr spielen – weniger perfekt sein wollen– einfach mal nachts unter der Bettdecke was Heißes machen - nicht wahr.

Wenn der Deutsche sich bewegt, dann nur schwarz oder weiß.

Entweder kommen wir zu dem Schluss, es geht halt nicht, dann sitzt Frau wieder zu Hause und stärkt dem Mann den beruflichen Rücken - oder es werden 24-Stunden-Kitas aus dem Boden gestampft, über deren Nutzung dann keiner sich zu äußern traut. Recht hat er der Brost, wenn er sagt, Kinderkriegen ist Privatsache – ist es ja auch – aber nur noch solange, bis wir erkannt haben, dass nebenan dann keiner mehr wohnt.

Wir müssen uns langsam mal entscheiden, ob wir uns dem Diktat der Politik, die den Bezug zu uns verloren hat, und dem Diktat der Wirtschaft, die immer nur "unser Bestes" will, wirklich vollends unterwerfen, um dann am Ende mit leeren Händen und leerer Wiege - und vielleicht (nur vielleicht) mit etwas vollerem Portemonnaie in die Grube zu hüpfen. Oder ob wir mal begreifen, wer der Staat eigentlich ist.

Wie auch immer - mir hat diese Sendung wieder vor Augen geführt, welche Pseydo-Aufregung hierzulande betrieben wird - in Wahrheit ist den Verantwortlichen das Thema völlig egal!

herzliche Grüße

Susanne Rowley

Wigwam 1994
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