Friday, 1. October 2004
Die Aufgaben einer Tagesmutter / Tagesvater
im Überblick
Hallo liebe Wigwam-Freunde,
nachdem ich Ihnen in meinem letzten Info-Brief in scherzhaft überzogenem Maße "die Traum-Tagesmutter" vorgestellt habe, möchte ich heute den Aufgabenbereich dieser wichtigen Berufsgruppe mal näher und vor allen Dingen mit einem ernsten Hintergrund beleuchten.
Täglich erhalte ich die Nachfrage nach einer "guten Tagesmutter". Was ist eine gute Tagesmutter? Mal abgesehen davon, dass für jede suchende Familie etwas anderes als "gut" gilt, so gibt es selbstverständlich Grundlagen und Voraussetzungen, die eine potentielle Tagesmutter eigentlich immer mitbringen sollte. Dieser Info-Brief ist also wichtig für unsere Tagesfamilien und gibt allen Tagesmüttern Gelegenheit, den gewählten Berufsstand nochmal unter die Lupe zu nehmen und nochmal zu reflektieren, wie es denn mit der Praxis im Alltag so bestellt ist. Die sogenannten Standard-Aufgaben der Tagesmutter im Überlick setzen sich zusammen aus
- der Förderung eines Tageskindes
- der Erziehung
- der Betreuung
- der Pflege
- und nicht zuletzt der eigenen Bildung
Um diese Bedingungen gut erfüllen zu können ist die "Motivation", das leisten zu wollen, der Hauptmotor - versteht sich von selbst. Nur was man auch gerne tut, macht man auch wirklich gut. Aber nicht nur die Motive müssen "tragfähig" sein, auch andere Aspekte müssen einer Prüfung standhalten können.
Der äußere Rahmen / Wohnung / Sicherheit
Die Wohnung sollte kindgerecht gestaltet sein; es sollte Raum sein für ungestörtes Spielen und natürlich Rückzugsplätze, Raum für Hausaufgaben, Schlafen vorhanden sein. Wenn die eigenen Kinder der Tagesmutter schon im Schulalter sind, man aber gerne noch Krabbelkinder betreuen möchte, so wäre es wirklich hilfreich, sich mal wieder auf die "Gesichtshöhe" eines Kleinkindes zu begeben. In dieser Haltung einen Rundgang durch die Wohnung gemacht, dürfte Ihnen Gefahrenquellen - z.B. ungesicherte Steckdosen ect. - aufzeigen.
Tagesmutter-Dasein und eigene Familie
Der Arbeitsplatz der Tagesmutter ist nunmal der eigene Haushalt und die eigene Familie. Die Aufgaben der Betreuung der eigenen und der fremden Kinder muß richtig eingeschätzt und austariert werden, damit es nicht zu Überforderungen kommt. Da heißt es als 1. die Prioritäten richtig setzen und sein eigenes Organisationstalent nochmal überprüfen. Die Betreuungsaufgabe an sich muß in jedem Falle immer den Vorrang haben. Die parallel laufenden Aufgaben, wie Ernährung der Kinder, Hygiene im eigenen Haushalt, die Kontakte nach außen und vieles mehr müssen gleichzeitig laufen können. Zudem muß die Tagesmutter noch die für ihre Familie passenden Strategien entwickeln: Entscheidungen, von denen andere in der Familie mitbetroffen sind, gut überdenken; z.B. kann mein eigenes Kind mit allen Tageskindern zurecht kommen? richtiger Umgang mit Nähe und Distanz in der Beziehung zu den abgebenden Eltern; z.B. inwieweit lasse ich mich von persönlichen Problemen von abgebenden Eltern beinträchtigen - wie weit gehen hier meine Hilfsangebote. Zudem ist - wie immer - das sich abgrenzen können ein Dauerbrenner, deutlich "Nein-Sagen", wenn man eine Vereinbarung nicht treffen will, oder mit Umständen, die mit der Zeit Einzug gehalten haben, definitiv nicht mehr einverstanden ist.
Zusammenarbeit / Kooperation mit den abgebenden Eltern
Das Tageskind bewegt sich zwischen 2 Familien. Das Bindeglied ist die Tagesmutter. Das bedeutet, eine Erziehungsgemeinschaft zu bilden, in der die Wünsche der abgebenden Eltern mit den Vorstellungen und Machbarkeiten in der Tagesfamilie abgeglichen werden müssen. Hierbei hat immer das Wohl des Tageskindes aber auch das Wohl der eigenen Kinder der Tagesmutter im Vordergrund zu stehen. Da Situationen und Lebensumstände sich mit der Zeit ändern können, gilt es im Gespräch zu bleiben - und zwar ständig.
Förderung / Kommunikation - Austausch
Um das leisten zu können, muß man sich seines gewählten Berufsstandes erstmal "bewußt" werden. Professionelle Tagespflege - ist nicht einfach "auf Kinder anderer Leute aufpassen"...... Professionelle Tagespflege erfordert Selbstbewußtsein, Selbstvertrauen, und individuelle aber trotzdem klare Vorstellungen von Erziehungsstilen und -zielen. Die Tagesmutter hat die klare Aufgabe, das Tageskind im Rahmen seiner erkennbaren Möglichkeiten zu fördern; und da sie oft den größeren Teil der Tageszeit mit ihm verbringt, sind die Eltern auf Informationen bezüglich Weiterentwicklung, Verhalten etc. angewiesen.
Und mal ganz ehrlich -
das Fachwissen einer Tagesmutter kann nicht nur aus dem Punkt "Erfahrungsschatz" bestehen. Tagesmütter haben im Vergleich zu anderen Erziehungsberufsgruppen wenig Feedback und Ausstauschmöglichkeiten nach "außen" - Kollegen, Mitareiter etc. sind keine vorhanden. Bildlich genommen "schmoren Tagesmütter im eigenen Saft". Von daher ist es sehr wünschenswert, wenn eine Tagesmutter sich mit anderen Tagesmüttern austauschen kann. Es ist auch in keinster Weise ein Zeichen von Versagen, wenn mal professionelle Hile (Psychologen, Erziehungsberatungsstellen ect...) aufgesucht werden. Wie "im richtigen Leben" gilt eben auch hier, dass es Konflikte geben kann, die nur noch ein "Dritter" lösen kann. Jede Tagesmutter sollte auch bereit sein anzuerkennen, wenn sie an die eigenen Grenzen stößt.
Und zu guter Letzt:
man muß mögen, was man da angefangen hat. Es gibt keine schlechtere als eine "genervte" Tagesmutter. Und sollte der Frust doch mal eingekehrt sein - und wer kennt das nicht - muß ehrlich überprüft werden, woher der Wind denn wirklich weht. In den allermeisten Fällen stellt sich bei näherem Hinsehen heraus, dass durch schlechte Erfahrungen, die man mit früheren abgebenden Eltern gemacht hat, die Gesprächs- und Konfliktbereitschaft massiv gesunken ist; oft bekommen das dann Eltern ab, die nicht der Stein des Anstoßes waren; ein Teufelskreis, der neue Probleme schafft. Hier gilt es, das Steuer wieder rumzureißen, wenn man das erkannt hat. Eine Tagesmutter bietet eine Dienstleistung an, die ein klares Angebot enthalten muß, das auch seine Grenzen hat. Und bitte - zeigen Sie ihre Grenzen auch deutlich auf, damit sie selbst zufrieden sind.
Besonders sehr erfahrene Tagesmütter
können im übrigen ein Lied davon singen. Von daher veröffentliche ich heute einen Brief einer sehr erfahrenen Tagesmutter, die sich ihren Frust von der Seele schrieb. Auf jeden Fall ist dieser Brief - weil voller Erkenntnisse auch für eigene Fehler - die Chance auf einen Neubeginn...
>> Fast hätte ich den "Löffel" geworfen
An alle Eltern, die sich hier wiedererkennen
Ich bin seit vielen Jahren Tagesmutter; in all den Jahren habe ich so viele Dinge mit Ihnen als abgebende Eltern erlebt, dass ich mir jetzt mal richtig Luft machen muß. Ich bin keine Tagesmutter mehr, sondern ein Einkaufsladen ohne Öffnungs- und Schließungszeiten ! Wie konnte das passieren - frage ich mich. Es wird nicht gehört, was ich sage, was ich brauche und was ich mir wünsche. Hier wird sich ab sofort etwas ändern.
Ihre Kinder werden fast nie pünktlich gebracht oder geholt. Sicher, es kann immer mal was dazwischen kommen, aber doch wirklich nicht fast täglich, oder? Mir ist klar geworden, dass ich Ihnen zuviel "durchgehen" lasse; gar zuviel Verständnis für Ihre Anliegen demonstriere und meine in den Hintergrund geschoben habe. Ich werde mein Anliegen an Sie jetzt deutlicher formulieren müssen. Es kann Ihnen aber auch passieren, dass ich irgendwann mal zu der von Ihnen wieder mal frei gewählten Abholzeit nicht zu Hause sein werde. Wer nicht hören will......
Vereinbarte Pauschalbeträge sind doch pauschal, oder? Nein, Sie kürzen einfach, wie sie lustig sind und glauben, dass die Tagesmutter ein schweigendes Einsehen hat. Mal ehrlich, fänden Sie es nicht unangenehm, um fest vereinbartes Geld im Nachgang betteln zu müssen? In jedem Sportverein werden die Monatsbeiträge bezahlt, ob Ferien sind oder das Kind mal krank war - warum dann bei der Tagesmutter nicht; vor allem wenns doch abgesprochen war? Möchten Sie nach Erhalt Ihres Gehaltszettels ständig ins Personalbüro laufen, um über die Höhe Ihrer Vergütung zu diskutieren ? Sicher nicht. Auch hier werde ich jetzt einen Schlußstrich ziehen und bei den nicht so einsichtigen Eltern die Pauschale im Voraus verlangen.
Nachdem ich Ihnen nun die Monatsabrechnung in die Hand gedrückt habe, warte ich oft vergebens 2 Wochen und länger auf die versprochene Überweisung. Wieder peinlich! Begründung: man hat den Weg zum PC oder zur Bank noch nicht gefunden. Da frage ich mich des öfteren, was Sie eigentlich sagen würden, wenn ich hin und wieder mal vergesse, ihr Kind zu füttern und zu wickeln - kann und darf das mal vorkommen? Also sollten Sie sich auch klar machen, dass auch meine Dienstleistung, die ich prompt erbringe Ihren gerechten Preis hat. Und auch ich als Tagesmutter muß zum Monatsanfang meinen üblichen Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachkommen. Wie oben schon erwähnt, wird meine Vorauskasse dieses Problem lösen.
Und bitte, wenn Ihr Kind nachts gefiebert oder gar einen ansteckenden Darmvirus übers Wochenende entwickelt hat, wieso geben Sie es dann am nächsten Tag mit luschigen Vorinformationen bei mir ab? Meine eigenen Kinder werden durch Ihre Kinder immer öfter krank. Können Sie sich vorstellen, welchen Erklärungsbedarf ich dann gegenüber den Eltern anderer gesunder Tageskinder hab? Hier wünsche ich mir mehr Solidarität und werde das in Zukunft umgehend thematisieren. Sollte das klärende Gespräch keine Besserung bringen, werde ich mir erlauben, Sie bezüglich Ihres Kindes auf Ihrem Arbeitsplatz anzurufen und Sie bitten, Ihr Kind abzuholen.
Ich beschäftige mich ausgesprochen viel mit Ihrem Kind, und es ärgert mich maßlos, dass alles was ich anstelle, zunehmend als selbstverständlich angesehen wird. Ob ich nun große Ausflüge unternehme oder dem Kind zeige, wie man schneidet und malt; logisch - gehört ja zu meinen Aufgaben werden Sie sagen. Warum hab ich dann sogar ständig das Gefühl, je mehr ich ihr Kind fördere und pflege, umso mehr läßt ihre heimische Eigenfürsorge, die meine Saat ja aufgehen lassen soll, mehr und mehr nach? Bsp. aus der Körperpflege: Seit ich begonnen habe, Ihr Kind regelmäßig zu baden, bekomme ich es von Ihnen zunehmend ungewaschen gebracht ??!! Sie werden das abstreiten, wenn ich Sie darauf anspreche, darum werde ich Ihnen meinen entstandenen Eindruck auch nicht wirklich schildern, weil zwecklos. Ich werde Sie nur bitten, mir Ihr Kind so sauber zu bringen, wie ich es Ihnen beim Abholen wieder übergebe.
Ich bitte alle Eltern, die das hier Geschriebene betrifft, um mehr Anerkenneung und Respekt für die Arbeit der Tagesmütter. Eine gute Tagesmutter hat wahrlich großes Organisationstalent, 10 Augen und 24 Hände, und wir halten Ihnen den Rücken frei. Möchten Sie als abgebende Mutter einen Tag mit mir tauschen? Sicher kommen wir dann ganz neu ins Gespräch
In diesem Sinne grüßt Sie... <<
eine arg gebeutelte Tagesmutter, die den Glauben an ihren Berufsstand noch nicht ganz verloren hat - aber Ihre Tätigkeit ab sofort auf neue Füße stellt.
So, für heute solls das auch gewesen sein. Wie immer freue mich auf Post mit viel Anregungen und natürlich auch mit Kritik.
Es grüßt herzlich
Susanne Rowley