
Saturday, 18. January 2025
Die Aufgaben einer Tagesmutter / Tagesvater
Kinder beaufsichtigen kann jede(r) - einen Berufsstand professionell ausfüllen, die wenigsten
Liebe Wigwam-Freunde,
Jeder, der sich mit dem Berufsstand Kindertagespflege befasst, oder plant, diesen zu ergreifen, oder ihn bereits mehr oder weniger erfolgreich ausübt, oder just dabei ist, den berühmten "Löffel" zu werfen, wird sich früher oder später, so hoffe ich doch, mit der Aufgabenstellung befassen.
Grundlagen der qualifizierten "Kindertagespflege", die man im Netz oder bei Jugendhilfeträgern findet, sind schnell erklärt, spiegeln aber in keiner Weise die realen Herausforderungen wider. Daher widme ich diesem formalen Teil nur wenige Worte.
Viele googeln. Auf die Schnelle finden sie unter den Stichworten "Tagesmutter werden" Infos im Netz wie:
Eine Tagesmutter oder ein Tagesvater übernimmt die Aufgabe, Tageskinder in Obhut zu fördern und zu betreuen. Dazu gehören neben der Betreuung und Erziehung, auch die Förderung der individuellen Fähigkeiten und die Unterstützung in der persönlichen Entwicklung der Tageskinder. Zusätzlich spielen Pflege und Sicherheit eine große Rolle, um den Kindern eine geborgene und geschützte Umgebung zu bieten.
In der Regel absolvieren Interessierte einen Kurs zur Qualifikation, sorgen für ansprechende Räume und machen sich auf die Suche nach potenziellen Elternkunden. Vielleicht googelt man noch, was eine Tagesmutter/-vater verdient, bastelt sich einen Betreuungsvertrag zusammen, und los geht’s.
Wenn Du diesen Blog-Beitrag beim Recherchieren gefunden hast,
erwartet Dich eine tiefergehende Betrachtung.
Hinweis: Tagesmutter/-vater benenne ich fortgesetzt als TPP
Mein Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch Beispiele, die ich aus Jahrzehnten an Erfahrung anführe, sind keinesfalls als allgemeingültig zu betrachten. Nimm' meine Zeilen als Anregung, Dir Deine ureigenen Gedanken zu machen.
Vorab stelle ich anonym Original-Auszüge einer E-Mail einer schier verzweifelten TPP aus dem hohen Norden (außerhalb von Wigwam) meinem Beitrag voran, der mich Anfang des neuen Jahres 2025 erreichte:
(..) Ich bin seit vielen Jahren Tagesmutter; in all den Jahren habe ich so viele Dinge mit Eltern erlebt, dass ich jetzt den Löffel werfe. Ich bin und war nie Tagesmutter gewesen, wie ich es mir immer ausmalte. Ich bin für Eltern nicht weiter als ein Einkaufsladen ohne Öffnungs- und Schließungszeiten. Es wird nicht gehört, was ich sage, was ich brauche und was ich mir wünsche. Kinder werden fast nie pünktlich gebracht oder geholt. Sicher, es kann immer mal was dazwischenkommen, aber täglich? Mir ist klar geworden, dass ich allen Eltern zu viel "durchgehen" lasse. In Zukunft wird es so sein, dass ich nicht mehr anzutreffen bin, wenn Eltern zu spät kommen. Vereinbarte Pauschalbeträge sind doch pauschal, oder? Was ich erlebe, sind Kürzungen, wo immer es Eltern passt. Mal ehrlich, fänden Sie es nicht unangenehm, um fest vereinbartes Geld im Nachgang betteln zu müssen? In jedem Sportverein werden die Monatsbeiträge bezahlt, ob Ferien sind oder das Kind mal krank war. Warum dann bei der Tagesmutter nicht; vor allem wenn es doch abgesprochen war? Möchten Sie nach Erhalt Ihres Gehaltszettels ständig ins Personalbüro laufen, um über die Höhe Ihrer Vergütung zu diskutieren? Auch hier werde ich jetzt andere Seiten aufziehen. Alles wird jetzt im Voraus bezahlt. Und dann die Zahlungsmoral. Wochen warte ich auf Überweisungen; Ausreden dazu kennen keine Grenzen. Was würden Eltern denn sagen, wenn ich mal vergesse, ihr Kind zu wickeln oder gar zu füttern? Ich habe also ein Recht darauf, dass meine Dienstleistung pünktlich und prompt bezahlt wird. Und bitte, wenn ein Kind fiebert, einen ansteckenden Darmvirus hat, warum bringen Eltern es dann trotzdem, auch wenn ich hier klar meine Grenzen gezogen habe? Meine eigenen Kinder werden durch Tageskinder dauern krank. Können solche Eltern sich nicht vorstellen, dass ich auch den anderen Eltern gegenüber dann ständigen Erklärungsbedarf habe? Hier wünsche ich mir mehr Solidarität. Ich beschäftige mich ausgesprochen viel mit allen Kindern. Nichts davon wird honoriert. Was ich auch anstelle, alles wird als selbstverständlich angesehen. Das alles ärgert mich maßlos, und ich habe schlicht keine Lust mehr. Ob ich Ausflüge unternehme oder dem Kind zeige, wie man schneidet und malt; logisch - gehört ja zu meinen Aufgaben. Warum hab ich dann ständig das Gefühl, je mehr ich ein Kind fördere, umso undankbarer sind Eltern. Warum geht meine Saat, die ich bei Kinder lege, bei Eltern zu Hause nie auf? Bsp. aus der Körperpflege: Seit ich begonnen habe, Kinder zu waschen, werden sie mir morgens dreckig gebracht. Der Gipfel war sogar einmal, mit voller Windel. Wenn ich Eltern darauf anspreche, hören sie mir nicht zu oder streiten alles ab. Ich bitte alle Eltern wiederholt zu doch verstehen, dass ich Anerkennung und Respekt brauche. Eine gute Tagesmutter hat wahrlich großes Organisationstalent, 10 Augen und 24 Hände, und wir halten allen den Rücken frei. Letztens habe ich eine besonders schlimme Mutter gefragt, ob sie auch nur 1 Tag mit mir tauschen möchte. Gott bewahre hat sie gesagt (..)
Selbstverständlich habe ich auf diese E-Mail geantwortet. Da mir weder Einzelfall-Konstellationen, noch die Gesamtsituation jener TPP bekannt sind, enthalte ich mich einer persönlichen Wertung - in diesem Fall. Dennoch ist aufgrund meiner nunmehr 31-jährigen Erfahrung sonnenklar, dass jene TPP sich nicht ausreichend auf die Anforderungen des Berufsstandes vorbereitet hat. Vielmehr ist sie - vermutlich schrittweise - in eine unerfüllte Erwartungshaltung hineingerutscht, die mit jeder neuen schlechten Erfahrung, die Rutschbahn nach unten weiter befeuerte. 15 Jahre geht dies schon so. Um hier das Ruder noch einmal herum zu reißen, hilft keine Einzelfallbetrachtung. Ich muss sagen, es bedürfte der Entscheidung:
Alles auf Null.
Bevor ich einsteige,
vorab eine gesellschaftliche Anmerkung
zur „Kinderbetreuung“ im Allgemeinen
Sprechen wir von Kinderbetreuung in Deutschland, sind wir ganz schnell beim Begriff „Fremdbetreuung“ und seiner Bewertung angekommen. Die Lager von Befürwortern und Gegnern und ihrer Argumente pro/contra kennen wir. Ein Grund ist die berechtigte Forderung, dass ein jedes Kind frühkindlicher Bindung bedarf, damit Bildung infolge aufsatteln kann. Das bringt uns sofort zur Qualität der Kindertagesbetreuung, die in weiten Teilen zu wünschen übriglässt. Auch dieser Aspekt steht in meinem Beitrag nicht zur Diskussion.
Vernachlässigt wird eine viel maßgebendere
gesellschaftlich / historische Betrachtung, die uns zuweilen nicht mehr bewusst ist, die aber bis heute einen großen Einfluss auf das Meinungsbild hat. Kinder zu betreuen ist per se Vertrauenssache. An dieser Tatsache kommt keine Betreuungsform und keine Gesellschaft vorbei. Jedes Kleinkind muss in „gute Hände“ kommen. In früheren Zeiten, als es noch eine Großfamilie gab, oder das vielbeschworene „Dorf“, das man brauche, um ein Kind großzuziehen noch gelebt wurde, gibt es nicht mehr. Fakt ist jedoch, dass die tiefe Sehnsucht und der berechtigte Wunsch von Eltern nach vertrauenswürdigen betreuenden Händen nie seinen Stellenwert verlieren wird. Heute nicht. Und morgen auch nicht.
Die Realität in globalisierten Zeiten ist aber, dass es die innerfamiliären und damit selbstverständlichen Großeltern-Hände in greifbarer Nähe nicht mehr gibt. Das Gefühl, sein Kind in familiären Zusammenhängen in Obhut zu geben, hatte also einen vollkommen anderen Stellenwert als die heutzutage vorherrschende „bezahlte Dienstleistung“ in Kita oder Kindertagespflege.
Du findest, dass ist Schnee von gestern?
Oh nein. Ich behaupte das Gegenteil, und bringe es überspitzt auf einen banalen aber zutreffenden Nenner.
Betreuung hat neben einer Förderung viel mit Liebe und Fürsorge zutun. Geld ist in solchen Zusammenhängen immer ein kritischer Störfaktor. Wer für Liebe bezahlt, wird den Wert der Liebe immer hinterfragen und prüfen.
War das nun ein Plädoyer für Kinderbetreuung für Umme?
Nein. Diese Betrachtung soll meine Lesenden darauf einstimmen, warum in modernen Zeiten die Anforderungen an eine „vergütete Betreuung“ vollkommen andere, viel Höherwertige sein müssen.
Nicht umsonst gibt es oben erwähnte Lager, von einem schlechten Gewissen gebeutelte Eltern, und Scharen von Erziehenden und TPPs, die nicht müde werden zu beteuern, dass ihr Beruf eine Berufung sei, sie diesen mit „Herzblut“ ausübten. Auch das ist per se nicht schlecht. Es ist aber auch der Versuch, den „gefühlten Widerspruch“ zwischen "Liebe gegen Geld" auf die ein oder andere Weise zu glätten / aufzuheben.
Was bedeutet die Erkenntnis für die Kindertagespflege?
Wenn Du diesen Beruf ergreifst, oder darüber nachdenkst, solltest Du Dir im Klaren darüber sein, dass es einer der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt ist, sofern Du den Anspruch erhebst, ihn professionell und langfristig mit Freude ausführen zu wollen.
Ich leite mein Thema niederschwellig ein.
Dein erster Gedanke sollte Deiner Motivation gewidmet sein.
Warum möchtest Du den Beruf ergreifen? Deine Motivation wird Leitfaden und Motor dafür sein, wie Du die Betreuungsrealität später erlebst. Um nicht zu weit auszuschweifen, fokussiere ich an dieser Stelle beispielhaft, was die falschen Baustellen wären. Du würdest selbst Deine Kinder nie in Betreuung geben, möchtest aber Kinder anderer Eltern begleiten. Schon diese Grundhaltung macht Dich zum selbsterklärenden nonverbalen Gegner Deiner Elternkunden, für die Du gut zu sorgen hast. Du möchtest beruflich nicht (mehr) außer Haus gehen, und stellst Dir das Geldverdienen at home easy going vor? Du suchst nur Spielkameraden für Deine Kinder? Du suchst andere Eltern, mit denen Du befreundet sein möchtest? Du möchtest die xte unliebsame Kita verlassen und endlich ohne nervige Leitung arbeiten? Du findest, Dein Erziehungsstil ist der einzig wahre, und möchtest andere Eltern missionieren. All‘ das und noch viel mehr sind Bewerbungsgründe, die ich in Jahrzehnten 1000fach hörte, und die von vorneherein Ausschlusskriterien sind. Nicht "nur" zum Schutz von Eltern und Kindern. Sondern auch zum Schutz für Dich. Treiben Dich diese o.ä. Gedanken an, kann es geschehen, dass Du langfristig Frust anhäufst und in diesem Berufsstand niemals Zufriedenheit erlangst.
Folgende Gedanken und Kriterien und die Bereitschaft, sich mit u.g. Themen auseinander zu setzen, würden Dich der Sache näherbringen:
- Ehrliche Selbstreflexion, Empathie und innere Reife
- Gewaltfreie Kommunikation auf der Meta-Ebene
- Trennung Bildungsauftrag SGB VIII / Unternehmen KTP nach BGB
Klingt auf den ersten Blick hochtrabend, ist aber entscheidend für Deinen Erfolg.
Besonders der Begriff der Selbstreflexion wird schier inflationär miss-/ge-braucht, aber kaum gelebt.
Im Berufsstand Kindertagespflege entsteht unweigerlich eine große Nähe zu mehreren abgebenden Eltern; die anders leben, anders aufgewachsen sind als Du. Du kannst den Berufsstand also in keiner Weise damit vergleichen, dass Du Kinder „der Freundin“ oder „der Nachbarin“ auch schon gut betreut hast. Sicher können Eltern einmal zu Freunden werden, das jedoch ist in diesem Berufsstand die Folge von Professionalität, nicht die Voraussetzung. Vielmehr muss es Dir auf lange Sicht gelingen, das Wertesystem von Eltern unangetastet zu lassen, und sie gleichzeitig dennoch soweit anzuleiten, dass sie verstehen, dass ihr Kind in Deinem Zuhause, mit Deinen Gepflogenheiten, haltgebenden Ritualen und Abläufen „ankommen“ können muss, damit es dem Kind gut geht. In einer institutionellen Kita-Einrichtung konntest Du Dich beim nicht Gelingen oder Widerspruch von Eltern auf die Leitung oder den Träger rechtfertigend stützen. In Kindertagespflege jedoch obliegt allein Dir die liebevolle Führung, die Du entwickeln und irgendwann gut beherrschen solltest.
Du bist vom Fach! Nicht die Eltern.
Diese wenigen Fragen können Dir einen ersten Eindruck verschaffen, worum es geht:
- Gehst Du auf Menschen unbefangen zu?
- Bist Du ein guter Zuhörer und kannst Dich in deren Lage versetzen?
- Kannst Du Deine Sichtweisen darstellen, ohne in die Vorwurfsschiene abzurutschen?
- Nimmst Du auch nonverbale Botschaften wahr?
- Kannst Du mit Kritik gewinnbringend umgehen?
- Kannst Du pro-aktiv Probleme angehen, bevor Frust sich einschleicht?
- Sorgst Du für das Einhalten von Vereinbarungen; wenn ja, wie?
- Bleibst Du vorurteilsfrei, auch wenn schlechte Erfahrungen Dich prägten?
- Kennst Du Deine Möglichkeiten und Grenzen?
- Wie kommunizierst Du? Auf welchem Ohr hörst Du? Auf welcher Ebene sendest Du?
Diese und andere Fragen erscheinen zunächst sehr persönlicher Natur. In Wahrheit sind diese entscheidend für das Geschäftsleben in der Kindertagespflege. Bewusst oder unbewusst bringen Eltern und TPPs eigene Kindheitserfahrungen mit in die Elternpartnerschaft. Wenn man das weiß und akzeptiert, kann Professionalität erst aufsatteln.
Den meisten Tagesmüttern und -vätern ist ihr Berufsstand in juristischer Form vollkommen unbekannt; egal wie lange sie ihn ausüben.
2 Felder sind zu betrachten, und explizit zu unterscheiden:
- Eine TPP hat einen staatlichen Bildungsauftrag nach SGB VIII. Das bezieht sich auf Deine Pflegeerlaubnis.
- Eine TPP pflegt als selbständig Tätige mit Elternkunden auch ein Dienstverhältnis im Sinne des BGB. Das betrifft Deine Selbständigkeit.
Dass dies kaum bis gar nicht gelingt, erkennt man u.a. auch daran, dass Gerichte landauf landab die Zuständigkeitsfelder mal zum Recht der Eltern, mal zum Recht einer TPP geraderücken müssen. In der Praxis sehen diese Missstände dann so aus, dass TPPs sich insgesamt in beiden Feldern als „Erfüllungsgehilfen“ ihrer Jugendhilfeträger empfinden, kommunale Satzungen nicht verstehen, nicht prüfen, nicht hinterfragen. Überhaupt haben die wenigsten TPP verinnerlicht, was es mit dem Rechtsanspruch, dem Willen des Bundes als Gesetzgeber, den Ländern und den final ausführenden Kommunen insgesamt auf sich hat. Fachberatungen einer Kommune sind zwar zuständig für Deine Pflegeerlaubnis, jedoch oft nicht vom Fach, wenn es um die unternehmerische, die BGB-Seite geht.
Kaum ein privatrechtlicher Betreuungsvertrag, der mir in Jahrzehnten vorgelegt wurde, hätte im Fall der Fälle einer rechtlichen Prüfung standgehalten.
All' diese Umstände sind bedauerlich. Entlassen Dich als TPP jedoch in keiner Weise davon, Dich selbst zu kümmern. Oder anders ausgedrückt:
Unwissenheit schützt vor Strafe in einem Rechtssystem selten bis gar nicht.
Die Kernthemen Deiner Selbständigkeit sind:
- Wie präsentiere ich m/ein authentisches Betreuungsangebot und kreiere zeitgleich betriebswirtschaftlich Einkommen.
- Wie schließe ich professionelle Betreuungsverträge, die nach Abschluss mit Eltern in der Schublade bleiben.
- Wie führe ich professionelle Elternpartnerschaften an, weil ich vom Fach bin.
Schwenken wir auf die menschliche Seite Deiner unerlässlichen Führungsqualitäten zum Wohle der Eltern / des Kindes.
Nehmen wir an, Du triffst auf Eltern mit Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen ihrem Kind gegenüber. Solche können sich auf vielen Wegen äußern. Zugewandt im freundlichen Gespräch, aber auch mit anspruchsvoller Haltung Dir gegenüber, bis hin zu Druck, der auf Dir "abgeladen" werden soll. Erkennst Du den Wert, die Hintergründe solchen Verhaltens? Wann bist Du persönlich "angeschossen", und wann - warum nicht? Kannst Du Eltern begleiten, sie auffangen, zeitgleich Deine Grenzen wahren, Möglichkeiten und Lösungen aufzeigen, ohne Eltern zu nahe zu treten? In die Vorwurfs- und Klärungsschiene abzurutschen? Wann bist Du warum persönlich unterwegs, und wann für die gute (auch geschäftliche) Beziehung?
Wenn Du weißt, warum Du wie tickst, und wenn Du weißt, was Deine Aufgaben sind, kannst Du Dich erfolgversprechend auf den Weg machen.
Finde die Waage zwischen guter Nähe und unguter Distanz zu Eltern
Gerade bei sympathischen Eltern und TPPs, die sich gegenseitig handfeste Unterstützung zusichern, ist die Versuchung groß, von Tag 1 an, ins „Du“ zu rutschen. Das würde aber bedeuten, den emotionalen Abstand zu verringern; eine unnatürliche Nähe, die von Natur aus noch nicht entstanden sein kann. In der aktuellen Situation mag das gepasst haben, macht aber Schwierigkeiten für die Folgezeit, wenn beide Seiten konstruktiv Kritik üben möchten, und Du als TPP noch nicht sattelfest bist. Frage Dich also ehrlich: Wann kann ich das "Du", und die Botschaft, die nonverbal damit einhergeht, stemmen.
Wie pflege ich ein Betreuungsverhältnis?
Anders als bei der Betreuung in Institutionen ist bei der KTP ein wechselseitiger Einblick in Lebensumstände, Anschauungen und Probleme der beteiligten Erwachsenen gegeben. Eine völlige Reduzierung des Verhältnisses auf „das Kind“, ohne Wahrnehmung der Situation der Eltern ist kaum möglich. Sympathie ist immer erwünscht, doch eine enge Beziehung nicht Vorbedingung. Wichtiger ist, dass eine authentische Nähe besteht, die keinen Teil überfordert.
Die Tatsache, dass gesamtgesellschaftlich die nicht berufstätige Mutter als „bessere“ Mutter gilt, gibt der TPP in vielen Fällen einen Normenvorteil, was bei unsicheren Eltern eher zu Verschlossenheit führen kann, was wiederum einen höheren Anspruch an die sensitive Haltung einer TPP stellt. Bei einer toleranten Grundeinstellung der TPP, die nichts „persönlich“ nimmt, der man alles sagen kann, weil sie sich die „Schuhe der anderen“ nicht wirklich anzieht, und daher die Begleiter Rolle nicht verlässt, sind Konflikte leichter zu lösen.
Kritische Situationen - Wie sag ich's den Eltern
Natürlich gibt es Situationen, in denen wir mit Führung allein nicht mehr weiterkommen.
Jetzt musst Du das Gespräch mit Eltern suchen. Immer früh. Immer pro-aktiv. Gib‘ Eltern nie das Gefühl dieses Problem "seit Wochen und Monaten" vor Dir her gewälzt zu haben und jetzt nicht mehr zu können. Das zerstört Vertrauen. Nachhaltig. Beschreibe die Lage und enthalte Dich jeglicher Wertung; trete keine Beweise an. Beziehe Eltern mit ein – frage nach, ob die Eltern bereits ähnliche Situationen beobachtet haben. Gib Eltern das Gefühl, dass diese bei der Lösung des Problems gebraucht werden. Interessiere Dich unaufdringlich für evtl. veränderte Lebenssituationen in der abgebenden Familie; ziehe evtl. vergleichbare Situationen aus Deinem Familienleben mit heran, um Eltern die offene Reaktion zu erleichtern.
Über eine Sache muss im Vorfeld Klarheit herrschen:
Wie steht der "Pegel" bei Dir zu Beginn? Bin ich daran interessiert, das Verhältnis aufrecht zu erhalten? Oder möchte ich schon lange alles hinschmeißen? Kläre das vor Beginn mit Dir selbst. 2 Gesprächspartner mit unterschiedlichen Zielen können nur "aneinander vorbeireden".
Hilfreich ist im privaten und beruflichen Leben, das Wort "eigentlich" zu verbannen. Eigentlich zeigt das Wort eigentlich schon an. Ich will es nicht.
Kindertagespflege ist nicht auf "Dankbarkeit" ausgelegt
Auch dann nicht, wenn sich dies aus schönen Beziehungen und Erlebnissen zuweilen ergibt. Nimm' solche Umstände mit Freude an, mache sie jedoch nicht zur Voraussetzung für Dein Ansinnen.
Eltern und TPP im Dialog
Auf Dauer wirst Du feststellen, dass Dir Deine Arbeit grundsätzlich mehr Spaß bereitet, wenn Du Dich in Deinem Auftreten sicher fühlst. Dazu gehört, dass Du Gespräche stets wertschätzend und absolut gewaltfrei führen kannst.
Es gibt zum Thema Kommunizieren einen Ausspruch von Paul Watzlawick, der das Thema verdeutlicht:
Ein Mensch kann nicht nicht kommunizieren
Auch ein Mensch, der nicht spricht, teilt seiner Umgebung (nonverbal) etwas mit. Sitzt Du im Wartezimmer einem Menschen gegenüber, der den Kopf gesenkt hält und dessen Hände verkrampft sind, er auf dieselben starrt, teilt er mit, dass er in Ruhe gelassen werden möchte. Jeder Mensch kommuniziert immer als Ganzes, also auch mit Körpersprache; Gestik, Mimik und Tonfall spielen eine entscheidende Rolle. Auch stumm zu bleiben, ist eine Antwort. Es sind also nicht nur gesprochene Worte, die eine Botschaft übermitteln, sondern auch die innere Haltung, der Gesichtsausdruck, die Hände, die Stimmlage. Der Mensch kann – bewusst oder unbewusst – mit Worten lügen; der Körper kann es nicht.
Kommunikation ist die Ursache aller Missverständnisse
und gleichzeitig die einzige Möglichkeit, diese zu beseitigen.
Die Meta-Ebene im Gespräch mit Elternkunden
Zwischenmenschliche Konflikte werden meist als etwas Unangenehmes empfunden. Dabei bietet jede Meinungsverschiedenheit auch die Chance, den eigenen Horizont zu erweitern, Grenzen & Möglichkeiten zu festigen; sich persönlich weiterzuentwickeln. Hierzu musst Du Dich jedoch auf die Metaebene begeben. Was es damit auf sich hat, erkläre ich Dir im Folgenden:
Laut Dudendefinition beschreibt die Metaebene eine übergeordnete Stufe. Da das ein wenig abstrakt klingt, müssen wir ins Detail gehen. Stell' Dir vor, Du hast Dich gestern mit einer anderen Person unterhalten. Das Gespräch ist nicht gut gelaufen. Einen Tag später haben sich die Gemüter beruhigt, sodass beide Parteien erneut aufeinander zugehen könnten. Das Gespräch, das einen Tag später stattfindet, ist sehr wahrscheinlich nah an jener Metaebene, die Du besser schon an Tag 1 eingenommen hättest.
Gesunden Abstand vom drohenden Konflikt auch dann einzunehmen, wenn er Dich innerlich „trifft“.
Man nennt die Meta-Ebene auch „Vogelperspektive“
(Vorstufe zum 4-Ohren-Modell)
Vogelperspektive passt hervorragend, denn es geht im Kern darum, eine Sache „von oben“ zu betrachten. Wenn Du eher ein emotionaler Mensch bist oder von Natur aus zu impulsiven Reaktionen neigst, empfehle ich, Pausen zwischen "Reiz & Reaktion" gezielt zu üben. Wirst Du im Alltag von jetzt auf gleich von Eltern-Anforderungen überrollt, auf die Du im gebotenen Augenblick keine professionelle Antwort parat hast, kannst Du trotzdem angemessen handeln, in dem Du Dir angewöhnst, Deinem Gegenüber zu signalisieren: "Oh, das Problem / das Thema nehme ich gerne auf. Vielen Dank. Lass‘ mich das einen Moment verinnerlichen, ich melde mich dazu in Kürze."
Beispiel im TPP-Alltag mit Eltern
Eltern, mit denen Du bis dato hervorragend ausgekommen bist, erweisen sich hier und da als schwierig. Das verblüfft Dich total, denn gerade das ein oder andere Reizthema, und da bist Du Dir absolut sicher, hast Du früh und mehrfach geklärt. Jetzt plötzlich kommen Vater oder Mutter mit einer Anforderung auf Dich zu, die all' dem widerspricht. Viele Gefühle überrollen Dich während Du aufmerksam zuhörst. Folgende Gefühle könnten das z.B. sein: Du empfindest die Eltern als unzuverlässig, weil das Thema doch geklärt war. Oder Du empfindest die Eltern urplötzlich als undankbar, denn gerade eine Woche zuvor bist Du ihnen an anderer Stelle außergewöhnlich entgegengekommen.
Du merkst
Es entsteht gerade eine ungute Verknüpfung der beiden vollkommen unterschiedlichen Vorkommnisse in Deinem Kopf.
Was es auch immer sein mag,
was Mutter oder Vater gerade von Dir wollen, oder unterlassen: Du verspürst "persönlichen" Klärungsbedarf, der womöglich auf „Wer hat Recht – wer hat Unrecht“ hinauslaufen könnte. Keine gute Idee.
Jetzt ist es Zeit für ein innerliches STOP
Kommen solche Gefühle in Dir auf, bevor Du Dir ein „Bild mit Abstand“ machen konntest, reagiere nicht, denn es kommt sehr wahrscheinlich kein konstruktives Ergebnis dabei heraus. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass Du persönlich und damit unsachlich wirst, ungesunde Nähe aufbaust, was Dich auf lange Sicht in anderen, unbeteiligten Bereichen Deine Führung kosten wird.
Was dann?
Schlaf‘ drüber. Nimm‘ Dir Zeit. Lass' das Gespräch Revue passieren. Allein. Dein Unmut sollte in jedem Fall verrauchen, bevor Du Stellung beziehst. Du überlegst Dir stattdessen, was der vorgetragene Punkt mit Deinen persönlich getriggerten Gefühlen real zutun hat. An diesem Punkt erfolgt bereits der erfolgversprechende Schritt auf die Metaebene: Du versetzt Dich in die Lage der Eltern; ggf. sind sie gar nicht unzuverlässig; bzw. das zu klären ist ohnehin nicht Deine Aufgabe. Aber Du hälst es gedanklich für möglich, dass sie Druck von anderer Seite (Arbeitgeber) erhalten haben, der ungut/unberechtigt auf Dich abgewälzt wurde. Das stimmt Dich an dieser Stelle versöhnlich, denn Druck von Außen musst Du nicht per se von Elternschultern nehmen. Du fokussierst jetzt auf den vorgetragenen Punkt der Eltern und suchst zunächst allein nach Lösungen, die Du unter Wahrung Deiner persönlichen Grenzen auch dann vertreten kannst, wenn von Eltern nichts an anderer Stelle zurück kommt. Tage später gehst Du auf den Elternpart zu, signalisierst Dein Grundverständnis und schlägst pro-aktiv Wege vor.
Welche Rolle spielt die Metaebene in Deiner Kommunikation mit Eltern?
Du weißt jetzt, zur Kommunikation gehört nicht nur das gesprochene Wort gehört. Auch die Körpersprache, also Gestik und Mimik, spielen eine wichtige Rolle. Die besten Argumente verlieren sofort an Überzeugungskraft, wenn die Körpersprache nicht mit Gesagtem übereinstimmt.
Die Wissenschaft der Kommunikation unterscheidet grob zwischen folgenden Elementen:
1. Sender
2. Botschaft
3. Störquelle
4. Empfänger
Die Bedeutung der Elemente ist selbsterklärend: Beim Sender handelt es sich um die Person, die gerade spricht. Sie sendet, kann aber nie sicher sein, ob auf gleicher Ebene empfangen wird.
Deswegen ist die Vogelperspektive im KTP-Geschäftsleben elementar für Deine Professionalität. Die Metakommunikation ermöglicht es Dir, Missverständnisse und Irrtümer zu vermeiden, bevor Du Dich an falscher Stelle berufen fühlst, Aufklärung zu betreiben, wo Du ggf. gar nicht gefordert bist, um Deinen Job gut zu machen.
Dein mentaler TPP-Werkzeugkoffer
• Realitätsüberprüfung (Sind meine Gefühle berechtigt?)
• Werteanalysen (Was ist mir wichtig als TPP?)
• Zielanalysen (Wo soll's hingehen mit den Eltern?)
• Problemlösung (Welche Methoden führen zum Ziel?)
Nur so bekommst Du einen Eindruck davon, wie andere Personen Deine Worte auffassen könnten.
Finde heraus auf welchem "Ohr" Du vorrangig hörst
• Sachebene (neutrale Fakten)
• Beziehungsebene (Wie stehen die Eltern zu mir?)
• Appell (Die Eltern möchten mich über Umwege zu einer Handlung veranlassen)
• Ich-Botschaft (Die Eltern geben etwas preis von sich)
Es fällt Dir schwer das anzuwenden?
„Ich habe Hunger.“
Diese Aussage von Eltern kann von der TPP auf folgende Arten interpretiert werden:
• Sachebene: Der Sender teilt mit, dass er etwas essen möchte.
• Beziehungsebene: Der Sender vertraut mir an, dass er eine Pause braucht.
• Appell: Der Sender möchte, dass ich ihm eine Mahlzeit zubereite.
• Ich-Botschaft: Der Sender gibt preis, dass er sich hungrig / unwohl fühlt.
Was der Sender (Eltern) wirklich gemeint oder mit seiner Aussage bezweckt hat, lässt sich nur herausfinden, indem man ihn direkt fragt.
❗️Besondere Herausforderungen in der modernen Zeit
Heutzutage finden viele Gespräche nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, sondern telefonisch oder per Textnachricht bzw. E-Mail statt. Bei Letzterem fehlen die nonverbalen Signale komplett, was das Risiko für Missverständnisse signifikant erhöht. Am Telefon gibt zumindest die Stimmlage noch ein wenig Aufschluss über den emotionalen Zustand des Gesprächspartners. Bei SMS'en ist die Chance nahe Null. Daher würde ich mit Eltern niemals Themen per SMS erörtern. SMS'e können maximal zu Terminabsprachen oder dem Bilder versenden herhalten.
Bevor Du lange interpretierst, einfach nachfragen:
„Ich habe Deine Aussage auf diese Weise verstanden, ist das richtig?“
Durch gezieltes Nachfragen ersparst Du Dir Grübeleien und beiderseitigen Frust. Sollte dennoch ein Konflikt drohen, geh‘ auf die Meta-Ebene. Meine Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte belegt:
Es erhält Dir die Freude am Tagesmutter/-vater-Dasein, zeichnet Dich als professionell aus, und hilft Dir auf vielen Wegen bei der ganz persönlichen Weiterentwicklung.
Dankbarkeit, die Du Dir immer wünschen wirst, bekommst Du nicht, wenn Du sie "blank" einforderst, oder Deinen aufgestauten Frust hinausschreist. Er ist schlicht und einfach stille Folge Deiner vorhergehenden Mühe um Professionalität.
Wenn Du gerade vor diesem Text sitzt, gerne mehr erfahren möchtest, aber nicht zu unserer Wigwam-Gemeinschaft gehörst, kannst Du eine externe Beratung anfragen.
Es grüßt herzlich
Susanne Rowley
