Monday, 1. April 2013
Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan
- der Mohr kann gehen.
Kindertagespflege Bremen
www.weser-kurier.de/bremen/politik2_artikel,-Tagesmuetter-gegen-Neuregelung-_arid,556772.html
Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen
Liebe Wigwam-Freunde,
das tut weh - da meldet man sich in einem Forum für bundesweite Kindertagespflege an, um Gleichgesinnte zu entdecken, die sich für die Stärkung ihres Berufsstandes einsetzen, und was finde ich da?
Einen Kommentar der verantwortlichen Seitenbetreiberin zur derzeitigen Problematik der Bremer Tagesmütter (siehe Artikel), denen mit einer neuen Satzung ab August d. J. das Entgelt und damit der Lohn für ihre Leistungen massiv beschnitten werden soll. Dass die neue Satzung in Bremen kommt, ist mir bereits durch andere Quellen bereits bekannt, dass aber möglicherweise zukünftig betroffene Tagesmütter dem zustimmen würden, und schlimmer noch, verantwortliche Schreiberlinge des Forums, auch noch öffentlich abnicken, dass dieser Humbug bald bundesweit gelten könnte, lässt mir graue Haare entstehen.
Sie schreibt u.a.:
>> Natürlich ist vielerorts die öffentliche Bezahlung sehr schlecht. <<
Diese Einleitung hätte sie besser nicht wählen sollen…, denn da kommt immer ein unrühmliches ABER Sie schreibt weiter:
>> Andererseits fordern wir eine Gleichstellung mit den Kitas. Sie erhalten zwar höhere Zuschüsse, haben aber auch höhere Sachkosten, allein durch die Personalkosten. Ich finde es gut, wenn die Zahlungen für die Eltern gedeckelt werden, denn nur dadurch hat man die Chance, die Kindertagespflege für die breite Masse finanzierbar zu gestalten, und dadurch auch ein längerfristiges und bestandsfristiges Betreuungsangebot zu sein.<< ?!?
Bei dieser ersten Aussage passt ja nichts mehr zusammen; sie argumentiert mit "andererseits" fordern wir die Gleichstellung - und endet mit dem Hinweis auf die hohen Personalkosten?!; hierauf solle sich die Gleistellung also nicht beziehen?! Und im weiteren Kontext hat die Dame im Unterricht auch nicht aufgepasst – billige Betreuung ist nicht massenkompatibel und bleibt schon gar nicht dadurch länger erhalten – interessante Argumentationskette, die ich nur andersherum kenne; lange erhalten bleiben Menschen nicht, wenn sie sich billig verkaufen müssen, sondern sie bleiben, wenn eine Tätigkeit für sie erfüllend ist und sie sich honoriert und anerkannt sehen.
Und weiter geht’s:
>> Die Eltern orientieren sich an den Kosten, und je mehr Eltern sich die Kindertagespflege leisten können, umso mehr werden sich „unter Umständen“ für die Kindertagespflege entscheiden. <<
Aha, erwischt – ich muss nicht lange überlegen, welche „Umstände“ sie genau meint – Und lese da wieder den Bückling – Betreuungsform 2. Klasse heraus.
Vorbildlich – so was sollte eine Seitenbetreiberin schreiben, die sich tatkräftig für den Rückschritt des Berufsstandes einsetzen möchte. Wir punkten mit „billig“ (Geiz ist geil) gegen die „eigentlich“ anerkannte Betreuungsform „Kita“. Gut gemacht. Und – wer weiß; vielleicht gäbe es da noch das ein oder andere Elternpaar, das sich auch an Qualität orientiert?
Aber sie hat noch mehr auf Lager:
>> Was sich ändern sollte, wäre die Bezahlung durch die Kommunen, also der öffentlichen Anteil. Dies sollte aber nie zu Lasten der Eltern gehen, denn dann werden wir für die sehr schnell unattraktiv. <<
Aja – ihre Argumentationskette erschließt sich mir nun mehr und mehr und erinnert mich stark an: wir starten vorne stark, um hinten nachzulassen. Vadder Staat zahlt zwar schlecht, aber er zahlt wenigstens auch für die, die mit dem Benz als Zweitwagen bei der Tagesmutter vorfahren.
Weiter weiß sie noch:
>> Im übrigen kann man bei rein privaten Kindern seinen Stundenlohn komplett alleine bestimmen, so wie rein private Kitas auch andere Beiträge verlangen dürfen. Nur das können sich nur die wenigsten Eltern leisten. <<
Ich korrigiere, weil zu spät gelesen , die mit dem Zweitwagen sollen bei den nicht bezuschussten privaten Plätzen vorfahren. Na, dann haben wir jeden dahin geräumt, wo er hingehört.
Aber ihre letzte Idee ist die schönste:
>>Es sollte also immer an der Schraube der öffentlichen Bezuschussung gedreht werden, und nicht die mangelnde Bezahlung zu Lasten der Eltern ausgleichen. Dann werden viele demnächst keine Kinder mehr haben, denn die werden noch mehr in die Krippe abwandern. <<
Und das ist jetzt mal rundum schlüssig, und ich übersetze wie folgt: Die Zuschusshöhe der Bremer Kommune kritisiert sie also an keiner Stelle ihres Kommentares, sondern verallgemeinert ihre Aussage in – man sollte. Dem von ihr explizit herausgearbeiteten Problem „wir sind alle zu teuer“ begegnet sie nicht etwa mit der Forderung die Zuschüsse müssen hier explizit rauf, sondern sie nimmt dies als gottgewollt hin und stimmt zeitgleich der Lösung durch Minderbezahlung ihrer Kolleginnen zu. Hernach untermauert sie ihre überaus demotivierende Haltung durch Gerichtsurteile, die aufzeigen, dass das auch anderswo schon klappt hat, wenn die Kommunen halt nicht erhöhen will.
Dass ihr gesamtes Statment im Zusammenhang mit dem Bremer Artikel nicht nur eine Ohrfeige für den Berufsstand ist, sondern auch Eltern ihre Fähigkeit abspricht, womöglich selbst entscheiden zu können oder zu wollen, was ihnen welche Betreuung wert ist (Wahlfreiheit) wird ihr nicht bewusst. Sie baut ihre gesamte Argumentation auch an anderen Stellen ihrer Seite stets darauf auf, dass sich Tagesmütter kommunalen Vorgaben besser beugen, damit ihnen die Eltern nicht weglaufen. Die Vergütung zu deckeln ist aus meiner Sicht der absolute Todesstoß für den Berufsstand und die bislang mühselig in kleinen Schritten erreichten Verbesserungen im Status an sich. Und ich erschrecke geradezu, wenn ich von Tagesmüttern, also ausgewiesenen Expertinnen auf dem Gebiet, so etwas lesen muss. Hilfreich sind da auch die hehren Zusatzkommentare wie: „mir geht’s ja gar nicht ums Geld, ich mache meine Arbeit gerne“, die einerseits im stillen Kämmerlein angezweifelt werden dürfen, andererseits wieder die Pseudo-Gleichung aus der Taufe heben:
Soziale Arbeit darf nichts kosten.
Diese in der Begründung versteckte Bückhaltung „klein, klein…und hoffentlich sieht uns keiner und nimmt uns einer“ entspringt wieder dem alten und völlig falschen Denkansatz, doch immer nur die 2. Wahl für mögliche Randzeiten zu sein. Und genau das braucht der Berufsstand heutzutage wirklich nicht mehr! Dass andersherum ein Schuh daraus wird, der Berufsstand Anerkennung der Leistung braucht, einerseits durch maximale Qualifizierung und andererseits durch maximalen Handlungs- und Gestaltungsspielraum, um den großen Herausforderungen der Zukunft in Sachen Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt motiviert und kreativ begegnen zu können, hab ich in meinen Artikeln ausreichend erläutert. Es hat sich noch niemals bewährt, flexible Anforderungen solchen „Be-grenzungen“ gegenüber zu stellen.
Eine Tagesmutter ist „Erziehungspartner“ der Eltern,
und mit dieser Einstellung wird sie wieder zum Handlager und damit der Berufsstand auf breiter Front unattraktiv. Ich habe es vor Tagen schon an anderer Stelle geschrieben; Je stärker die Auswirkungen des demografischen Wandels zu Tage treten, je flexibler unsere Arbeitswelt sich gestalten wird, desto deutlicher wird die eigentliche Schlüsselrolle der Kindertagespflege werden, und dieser Rolle sollten sich alle Tagesmütter heute endlich bewusst werden, statt sich wie einen Fußabtreter und Billiglöhner fortgesetzt behandeln zu lassen.
Die Chance,
dass schlussendlich für alle Berufsgruppen und für Eltern verschiedener sozialer Schichten etwas dabei sein wird, wächst mit der Vielfalt des Angebots, aber vor allem mit der Zufriedenheit des Berufsstandes und sinkt mit jeder neuen Einschränkung durch die Politik.
Im Übrigen scheint jene Seitenbetreiberin auch keinen Widerspruch darin zu sehen,
dass sie bei voller finanzieller Abhängigkeit und hohem Leistungsanspruch, angefangen von der Bildung und Förderung bis hin zur Vertretungsregelung seitens der Kommunen während der Betreuungszeiten, in Ausfallzeiten aber wieder völlig „frei gestellt“ ist. Sie darf also auch gerne ihr Brot mal ohne die Wurst… In diesem Finanzierungschaos ist nämlich längst nicht gelöst, von was eine Tagesmutter in Fehlzeiten leben soll. Und diese Fehlzeiten werden von Eltern immer dann "produziert", wenn es etwas zu sparen gibt. Also ist der gesamte Ansatz, nur die tatsächlich betreuten Stunden zu bezuschussen völlig kontraproduktiv, weil es den falschen Anreiz für Eltern setzt, eine ohnehin schon "billige" Betreuung weiter kaputt zu sparen. Grundsätzlich gehört der Zuschuss in Elternhände, und die Überwachung von Qualitätsmaßstäben in die Hände der Kommunen. Mit allen anderen hochsensiblen Aufgaben wie der Vermittlung von Menschen, dem innovativen Aufbau von passgenauen Plätzen für anspruchsvolle Berufsbilder, sind Kommunen aufgrund ihrer Strukturen nicht gewachsen.
Ich wünsche den Bremer Kindertagespflegepersonen viel Kraft
herzlich Susanne Rowley