Sunday, 18. January 2015

Autor: Susanne Rowley

Das Elend einer schwarz weiß geführten Vereinbarkeitsdebatte

... oder sollte ich besser schreiben: „Schrei vor Einseitigkeit“.


www.deutscherarbeitgeberverband.de/aktuelles/2015_01_08_dav_aktuelles_familienpolitik.html

Harter Tobak liebe Wigwam-Freunde,

und in Sachen schauriges Betreuungsszenario kaum zu überbieten. These sucht Argument. Getroffen haben sie sich im Kopf der Verfasserin, die in die untersten Schubladen greifen muss, um ihre Ideologie an die Familie zu bringen Solche und andere Artikel häufen sich, und ich habe mir mal die Mühe gemacht, genauer hinzuschauen, wie diese und andere Autoren es immer wieder schaffen, das „böse WAS“ gegen ein „gutes WIE“ auszuspielen, indem sie eine entsprechende Argumentationskette aufblasen.

Der Artikel fordert, dass Kinder grundsätzlich bei ihrer Primärbetreuerin „der Mutter“ zu bleiben haben. Ist dem nicht so, erkranken sie alle auf das Übelste, weil echte Bindungsqualitäten nur von „der Mutter“ geboten werden können. Diese Behauptung wird untermauert mit Studien von Neurobiologen, deren Ergebnisse sich auf eine mangelnde Bindungsqualität im Säuglingsalter beziehen und aufzählen, welche Krankheiten - vorrangig seelischer Natur – uns lebenslang erwarten, wenn wir als Säugling mit erhöhten Cortisol-Werten aufgrund von Stress zu tun hatten.

Um diese neurobiologischen Ergebnisse nun in den Kontext mit Kinderbetreuung und aktueller Familienpolitik zu bringen, muss eine schlagkräftige These her.

Es geht in diesem Artikel also darum, den Nachweis dieser Kernthese zu führen:

>> Erziehung ein wichtiges Werk des Staats, und der Staat ein fortdauerndes Werk dieser Erziehung." Und das geht so: <<

>> Die deutsche Familienpolitik und das Erbe des Totalitarismus <<

So titelt sie.

Wir haben es also lt. Autorin mit einer Familienpolitik zutun, die diktatorisch auf uns einwirkt und versucht, mit ihren Vorstellungen neue Menschen nach ihrem Gusto aus uns zu machen. Dazu bemüht sie durch den gesamten Artikel hindurch ganz heftig die Geschichte. Schon in der Überschrift tummelt sie sich begrifflich in Mussolinis Garten, bemüht zwischendurch die Säuglingsfibel von 1972 aus DDR-Zeiten; Johanna Haarer, deren Maxime Härte statt Liebe war, darf auch nicht fehlen. Schaut bei Lenin und Marx mal vorbei, die eine rückständige Auffassung von Gleichberechtigung mit einer Eingliederung der Frau in die soziale Wirtschaft propagierten, in dem sie Speisehäuser, Wasch- und Raparaturanstalten, Krippen und Kinderheime und sogenannte Erziehungsinstitute ins Leben zu rufen seien. Wem das zur Überzeugung noch nicht genügt, dem bietet sie noch das antike Sparta, in dem die Auflösung familiärer Bindungen sowie die Gleichschaltung jeglicher menschlicher Regung der Gemeinschaft zum Opfer dar gebracht wurden. Spartanische Wärterinnen wurden wegen der harten Erziehung, die sie den Kindern angedeihen ließen, in Griechenland berühmt. >> Wenn ein Kind stark und wohlgebildet war, übergab man es einer solchen Wärterin. War es jedoch schwächlich und missgestaltet, warf man es in den Abgrund der Berge << Eheliche Liebe, Mutterliebe, kindliche Liebe oder Freundschaft – nichts davon hatte einen Wert. >> Sobald das Kind geboren war, gehörte es dem Staat.

Sie sehen, es ist ganz einfach,

den Bogen ins Heute zu schlagen. Es gibt also nichts Neues unter deutscher Sonne. Wir schauen ein bisschen zurück in die schwärzeste Zeit Deutschlands, in der an der Geburtenrate per Mutterkreuz ein bisschen gefummelt wurde, ansonsten aber empathische Mutterliebe als Affenliebe gebrandmarkt wurde, spicken das mit ein bisschen Geschichte aus vergangenen totalitären System, verwenden dabei angstmachende Reizwörter, wie „Anstalten, Heime und Wärterinnen“ und haben schwups den Beweis, dass unsichere Bindungspersönlichkeiten „herangezüchtet“ werden sollen, um sie für den Staat besser nutzbar zu machen.

Ein Bild von deutscher Eiszeit, die auf einen Schulterschluss von Wirtschaft und gendergewandeltem Feminismus zurück zu führen ist, und das Kind und seine Bindungsfähigkeit dafür opfert.

Der Artikel wäre nicht rund, würde er nicht damit enden, dass der Staat sein Ziel verfehlt hat, denn:

Diese Kinder würden als zukünftige Arbeitnehmer nicht mehr belastbar sein, privat von Beziehungskrise zu Beziehungskrise taumeln, ins Burn Out verfallen, süchtig werden und somit Staat und Wirtschaft nicht mehr dienlich sein können. Schlimmer noch: Unternehmen würden den Standort Deutschland gar verlassen, weil Arbeitskräfte hier teuer und krank sind.

Liebe Frau Hanne Kerstin Götze, Sie haben Bibliothekswissenschaften studiert; vermutlich konnten Sie deswegen so aus dem Vollen schöpfen. In einer Sache sind wir uns ja einig:

Bindung ist der Stoff, von dem wir alle leben,

und den wir nur bemerken, wenn er fehlt. Bindung braucht Zeit für Gemeinschaft von klein an. Und in diesen Stoff muss man früh investieren.

Mit einer bindungsgerechten Betreuung in guten Gemeinschaften.

Sie dienen den Kindern nicht, und Sie dienen den Müttern nicht, wenn sie diese große Aufgabe einer einzigen Person auf die Schulter legen. Der Mutter. Wann – so frage ich – hören diese Prediger endlich auf, die Lagerdiskussionen der Gutmenschen zu befeuern! Der Kampf der Ideologien ist keine Auseinandersetzung die anders denkenden und fühlenden Menschen Luft zum Leben lässt, wie wir in aktuell anderen politischen und religiösen Zusammenhängen erleben müssen. Die künstliche Kluft zwischen erwerbstätigen Eltern und solchen, die gerne zu Hause sein möchten, schafft ein Klima der Lähmung und Schuld, und auch das nehmen unsere Kinder wie Seismograpfen auf. Wir haben sie allesamt satt, jene, die wissen, wie lieben und leben „richtig“ geht. Es dreht sich das immer gleiche ermüdende Karussell zwischen jenen, die dafür plädieren, dass Kinder ausnahmslos zu Hause betreut werden und solchen, denen die vielgepriesene Bildung und Förderung schon im Mutterleib am liebsten wäre, so dass Familie sicherheitshalber „in Anstalten“ schon mal outgesourct ist. Dass die Welt sich weiter gedreht hat, und immerzu dazwischen Menschen klemmen, die mit ganz persönlichen Voraussetzungen, eigenem sozialen Gefüge und daraus resultierenden Bedürfninssen eine Wechselwirkung aufeinander ausüben und eine Beurteilung nur auf individueller Basis erlauben, wird der Ordnung halber ausgeblendet.

Müssen sich solche Autoren und Autorinnen nicht mal fragen lassen, in welcher persönlichen Erlebniswelt sie gefangen sind? Wäre es nicht fair, wenn sie uns „davon“ mal berichten, statt uns die Folgen einseitig um die Ohren zu hauen? Die Antwort muss ich mir leider wieder selbst geben. Die Autorin nimmt die negativen Auswüchse der Betreuungslandschaft, wie sie sich derzeit gestaltet, als gottgegeben hin, malt ein teuflisches Gesamtbild, und lässt Eltern ausweglos zurück. Das ist ein verantwortungsloser Umgang. Sie nimmt unterschiedliche Bedürfnisse von Familien nicht ernst, zeigt keine gangbare Lösungen auf. Kein Wort darüber, dass es an Qualität mangelt, und sie es ist, die eigentlich an den Pranger gehört und nicht die Menschen, die schlechte Angebote mangels Alternative nutzen müssen! Und das fordere ich vor dem Hintergrund, dass wir an sozialer Kälte – auch mitgetragen durch solche Ideologien – eher erfrieren könnten, sowohl am Lebensanfang als auch am Lebensende, wenn im Minutentakt wieder andere nach ihrem Gusto mit uns „abrechnen“. Ich möchte keine Prediger mehr um mich haben, die von Großen selbstlose Opfer fordern, damit aus Kleinen gute Große werden.

Die Gleichung geht nicht auf.

Sie geht nicht auf, weil Große auch mal klein waren und tunlichst gelernt haben sollten, ihr eigenes Glück zu finden.

Man möchte solchen Autoren zurufen, sie mögen sich mehr mit Zusammenhängen beschäftigen und mit der Umsetzung des „guten Wie“ statt uns unaufhörlich vom „bösen Was“ zu erzählen. Die berechtigte Kritik an schlechter Betreuung darf nicht auf dem Rücken derer ausgetragen werden, die sich eine Gute wünschen.

Sie werden es kaum glauben,

ich wäre ebenfalls in der Lage, in wenigen Minuten einen Artikel aus dem Hemd zu zaubern, der die seelisch geistige Zerstörung eines Kindes allein darauf zurückführt, dass es keine authentischen Bezugspersonen um sich hat, die auch tun, was sie meinen.

Aber eines nehme ich der Autorin so richtig übel:

Sie zitiert leicht-fertig aus einer Studie, die ergeben haben soll, dass „Fremdbetreuung“ auch bei vernachlässigendem Familienhintergrund nicht kompensierend, sondern additiv wirke. Nehme ich die Autorin beim ideologisch angehauchten Wort, muss ich leider daraus schließen, wenn das Kind zu Hause vernachlässigt wird, muss mit guter Betreuung auch nicht mehr dagegen gesteuert werden.

Das untermauert sie tatsächlich mit dem Zusatz: >> …je intensiver die mütterliche Brutpflege, desto weniger empfindlich reagieren die Kinder im späteren Leben auf Stress. Und umgekehrt (…). Gerade bei schwierigen sozialen Verhältnissen seien jene Hilfen am effektivsten, die vor allem Eltern helfe, mehr Verständnis, Geduld und Umsicht bei der Erziehung ihrer Kinder walten zu lassen. <<

Liebe Wigwam-Freunde, bitte nicht vergessen, sich den letzten Absatz in der Praxis vorzustellen. Im Extremfall schicken wir die elterliche Familienpflegerin „bis der Arzt kommt“ und vermeiden außerhäusige Fremdeindrücke für’s Kind, die die Chance böten zu erkennen, dass Leben auch anders gehen kann.

Wenn zwei sich streiten, freut sich immer schon der Dritte, und so kämpfen die Lager gegeinander, und nur scheinbar für's Kind - auf alle Fälle aber lassen sie uns Mütter wieder links liegen, die es sich erlauben, nach der Erfüllung ihrer eigenen Bedürfnisse Ausschau halten, um gleiches ihren Kindern als Erziehungsbotschaft mit ins Leben zu geben. Mütter wie eh und je der Sündenbock für eine miese Familienpolitik, die für echte Qualität in der Kinderbetreuung nichts locker macht.

Nein danke - das hatten wir schon!

Und abschließend möchte ich nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass der Eindruck, der beim Lesen des Artikel bei mir entstanden ist, aus dem gleichen Holz geschnitzt ist, wie der Vorwurf, den er erhebt.

herzliche Grüße

Ihre Susanne Rowley

Wigwam 1994
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