Saturday, 25. July 2015

Autor: Susanne Rowley

Wer bestellt, bezahlt noch lange nicht

24-Stunden-Kitas im Focus der Arbeitgeber.


Diese Kernaussage muss man den Forderungen & Äußerungen des Arbeitgeberpräsidenten Dulger in Sachen 24-Stunden-Kita wohl entnehmen.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/gesamtmetall-praesident-dulger-fuer-24-stunden-kitas-13719808.html

>> Wir müssen uns von erlernten Weltbildern verabschieden <<

sagt er.

Ich denke er meint eher: Verabschieden von den Maßstäben, die wir an gute Kinderbetreuung einmal ansetzen wollten.

>> Kindeswohl wird in der Debatte oft nur vorgeschoben <<

sagt er.

Ich übersetze: Stellt Euch bitte nicht so an. Und als Vater von 2 Kindern wisse er:

>> Die nehmen’s wie’s kommt <<

Wenn dem so sein sollte Herr Dulger, haben Sie uns gerade tiefer blicken lassen, als vorgesehen, und Friedrich Fröbel hatte wirklich recht, als er sagte: Erziehung ist Beispiel & ...

Gegenfrage:

Wenn Schwesig 100 Mio. für 24-Stunden-Kitas locker machen möchte, für ein Angebot also, das flächendeckend weder gebraucht noch genutzt, noch gewollt wäre, ist dann nicht auch die Frage berechtigt, warum für "die Unvollendete" - also für den qualitativen Ausbau kein Geld da ist? Und warum muss sich dann die wesentlich bindungsgerechtere und flexiblere Kindertagespflege fortgesetzt mit Klecker-Beträgen abspeisen lassen?

Zitat Prof. Dr. Stefan Sell / Portal "Aktuelle Sozialpolitik" speziell dazu:

>> Dass man die offensichtlich für diese Spielwiese vorhandenen Mittel vielleicht dafür nutzen könnte, bei den einzelnen realen Bedarfslagen eine individuelle und wesentlich kinngerechtere Lösung über qualifizierte Kindertagespflegepersonen zu realisieren, die dann aber für diese Arbeit unter besonderen und erschwerten Bedingungen auch deutlich besser vergütet werden müssten, darüber scheint man wieder einmal auf den Kommandobrücken des Betreuungssystems noch nicht einmal nachzudenken, so dass man darüber auch nicht diskutieren kann. <<

*Wofür wir uns herzlich bedanken!

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Den gesamten "Widerspruch" (ich würde es Einspruch nennen) von Prof. Dr. Stefan Sell, den ich in Gänze unterschreibe, lesen Sie bei Interesse hier:

https://www.facebook.com/aktuelle.sozialpolitik/posts/897711133633870

Zitat:

>> Hier ist meiner Meinung nach Widerspruch dringend notwendig: "Arbeitgeber-Präsident Dulger für 24-Stunden-Kitas", vermeldet die FAZ: www.faz.net/_/gesamtmetall-praesident-dulger-fuer-24_: »Der Staat müsse die ganztägige Kinderbetreuung viel stärker ausbauen, findet Arbeitgeber-Präsident Dulger. Er beklagt „eine völlig verkrampfte Haltung im Umgang mit Müttern“.« Nein, lieber Herr Bulger, "der Staat" muss und sollte gar nicht das tun, was sie hier fordern. Was das vor allem heißt:

Der Staat, also der Steuerzahler, soll eine Menge Geld in die Hand nehmen, um den Flexibilisierungsbedürfnissen einiger Arbeitgeber entgegenzukommen und denen das Wegorganisieren der Kinder der Beschäftigten zu völlig abseitigen Zeiten auch noch zu bezahlen. Denn genau darum geht es doch. Man könnte es sich einfach machen und sagen: Wir haben mittlerweile weit mehr als 50.000 Kitas in Deutschland und die Zahl der real existierenden 24-Stunden-Kitas beläuft sich auf eine Handvoll - über welches Thema im molekularen Bereich reden wir hier eigentlich? Aber einen Teilerfolg haben die Arbeitgeber schon erzielt: Die Bundeskitaministerin Manuela Schwesig hat für das kommende Jahr ein vorerst mit 100 Millionen Euro ausgestattetes Förderprogramm angekündigt, mit dem eben diese 24-Stunden-Kitas gefördert werden sollen. Also aus Steuermittel.

Vgl. dazu bereits meine kritische Kommentierung in dem Beitrag: "Kommen jetzt die 24-Stunden-Kita-Kombinate?

http://www.aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de/2015/07/kommen-jetzt-die-24-stunden-kita.html

Über ein gar nicht so neues Ferkel, das durchs Sommer-Dorf getrieben wird" vom 5. Juli 2015. Und das in einer Situation, in der in vielen Kitas der "Normalbetrieb" kaum oder teilweise nur unter kindeswohlgefährdenden Bedingungen aufrechterhalten werden kann, in der man die Fachkräfte in den Einrichtungen mit der Aussage abspeist, eine spürbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen, zu der nicht nur die Vergütung gehört, sondern vielleicht sogar noch entscheidender die Personalschlüssel, sei "leider" nicht finanzierbar. In einer Situation, in der die Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung in die gleiche "Falle" reinlaufen, in der die Menschen, die in der Pflege tätig sind, bereits seit Jahren sind und nicht mehr rauskommen. In einer Situation also, in der eine ganze Palette an Hausaufgaben für die normalen Kitas nicht annähernd erledigt worden sind.

Man muss sich klar machen, was es in praxi bedeuten würde, wenn man die Forderung des Arbeitgeberpräsidenten umsetzen würde - und keiner soll annehmen, er hat keine Vorstellung davon, was das betriebswirtschaftlich bedeuten würde: Wenn man schon die Normalbesetzung einer Kita nicht halbwegs adäquat finanziert bekommt - wie soll das in diesen Rund-um-die-Uhr-Einrichtungen geregelt werden?

Hat jemand da oben eine wirkliche Vorstellung, um wie viel höher allein die Personalkosten wären, einschließlich Sicherstellung eines Drei-Schicht-Betriebs (oder noch mehr, je nach Teilzeitanteil bei den Beschäftigten)? Und wenn man der Meinung sein sollte, die deutsche Wirtschaft muss solche Einrichtungen bekommen - warum wird dann nicht ein seriöser Finanzierungsvorschlag gemacht, beispielsweise eine Umlagefinanzierung nur der Arbeitgeber, denn die profitieren von diesem Angebot? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wenn er liest: "der Staat" soll gefälligst machen. Und wenn wir schon dabei sind: Bekanntlich ist alles, was mit "Familie" zu tun hat, in diesem Land primär ideologisch besetzt, wir haben das erst gerade wieder im Umfeld des Betreuungsgeldurteils des Bundesverfassungsgerichts erleben müssen. Und grundsätzlich kann man sich freuen über jede Stimme, die versucht, die typisch deutschen Schützengräben-Argumentation des Entweder-Oder aufzubrechen und darauf hinzuweisen, wir haben es im Regelfall mit einem Sowohl-als-auch zu tun.

Aber man muss die folgende Aussage einmal einen Moment wirken lassen: »Der Gesamtmetall-Präsident beklagte ein verkrampftes Familienbild und „eine völlig verkrampfte Haltung im Umgang mit Müttern“. Nach Meinung Dulgers sollte Müttern gesagt werden: „Es ist in Ordnung, wenn Du Dein Kind mal für 24 Stunden in einer Kita abgibst.“ Eine Mutter, die eine Dienstreise unternehme, werde zuerst gefragt: „Wo ist Dein Kind? Wer kümmert sich?“ Wenn die Frau dann antworte, dass das Kind in der Kita übernachtet, dann springe die Mehrheit der Deutschen auf und rufe: „Rabenmutter!“ Das deutsche Mutterbild sei viel zu überfrachtet.« Ich erspare mir an dieser Stelle die doch naheliegende Frage: Was für ein Mütterbild wird hier eigentlich transportiert? Was beispielsweise ist mit den Vätern? Nein, das bringt nicht wirklich viel. Auch die weiteren Ausführungen des Präsidenten des Arbeitgeberverbands Gesamtmetallsprechen sprechen für sich: »Dulger zeigte sich überzeugt, dass die Frage nach dem Kindeswohl „in dieser seltsamen Debatte oft genug vorgeschoben“ werde. Als Vater von zwei Kindern sage er, „die Kinder nehmen es, wie es kommt“. Der Gesamtmetall-Präsident bekräftigte zugleich die Haltung der Arbeitgeber, den Acht-Stunden-Arbeitstag abschaffen zu wollen.« Man kann das alles strategisch versuchen zu interpretieren, nach dem hier nach dem Motto agiert wird: Frechheit siegt, wir probieren es einfach, diese skurrile Aufgabe dem Staat in die Schuhe zu schieben und in seine Schatulle zu greifen. Womit auch schon die Prognose klar wird, wie das ausgeht.

Man wird pressewirksam als Tiger starten in Berlin und vor Ort als Bettvorleger landen, weil das schlichtweg nicht finanzierbar ist. Hinzu kommt: Die Erfahrungen mit bereits gelaufenen Versuchen, solche Angebote auszuweiten zeigen, dass oftmals gar kein relevanter Bedarf vorhanden ist. Dass man die offensichtlich für diese Spielwiese vorhandenen Mittel vielleicht dafür nutzen könnte, bei den einzelnen realen Bedarfslagen eine individuelle und wesentlich kinngerechtere Lösung über qualifizierte Kindertagespflegepersonen zu realisieren, die dann aber für diese Arbeit unter besonderen und erschwerten Bedingungen auch deutlich besser vergütet werden müssten, darüber scheint man wieder einmal auf den Kommandobrücken des Betreuungssystems noch nicht einmal nachzudenken, so dass man darüber auch nicht diskutieren kann.

Ich schreibe diesen Widerspruch als ein bekanntlich ausgewiesener Befürworter des Ausbaus guter Kindertagesbetreuung.

Aber es geht einfach nicht an, dass man noch nicht einmal auf halber Strecke stehen bleibt, was die Bedingungen in den Normaleinrichtungen angeht - von denen in der Kindertagespflege hier mal ganz zu schweigen - und dann gleich die nächsten Baustellen aufmacht. Das endet so, wie das viele von den Autobahnen kennen. Überall Baustellen, nur auf wenigen wird gearbeitet und alle anderen stehen im Stau.

Jetzt sollten erst einmal die Hausaufgaben im "Regelsystem" gemacht werden. Und wenn die Arbeitgeber Extrawünsche haben, dann sollen sie dafür bitte auch extra bezahlen - wir alle kennen das doch auch, wenn wir ein neues Auto bei einem der Mitgliedsunternehmen kaufen. Jedes kleine Extra muss dort extra happig bezahlt werden. Da wäre es doch nur fair, wenn "der Staat" das auch von den Bestellern aus der Wirtschaft verlangt. Dann kann man ja hier und da ganz tolle 24-Stunden-Kitas auf der Grundlage der modernsten Erkenntnisse der Frühpädagogik bauen und bestücken. <<

Zitat Ende

In der Hoffnung, liebe Wigwam-Freunde, dass Sie uns immer noch gerne lesen, verbleibe ich

mit lieben Grüßen

Ihre

Susanne Rowley

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