Sunday, 1. December 2013

Autor: Susanne Rowley

Jetzt mal Butter bei die Fisch - je früher desto besser.

Aus dem Betreuungsalltag.


Liebe Wigwam-Freunde,

heute möchte ich Ihnen ein bisschen aus dem "Nähkästchen" erzählen.

Ich bemühe mich seit 20 Jahren recht nah an den laufenden Betreuungsverhältnissen dran zu bleiben. Erfahrungen, die sich daraus ergeben, führen zu einer ergiebigen Beratungsarbeit, die ich gerne allen Tagesfamilien und Eltern zugute kommen lasse.

Aus den täglichen Telefonaten, persönlichen Gesprächen, Emails und Briefen, die mich erreichen, ergibt sich ein unerschöpflicher Thementopf von kleinen und großen Geschichten.

Es fällt jedoch auf,

dass vielen kleinen Konflikte zwischen Tagesfamilien und Eltern oft nur 1 wirkliches Problem zugrunde liegt: Die Art und Weise, wann und "wie" sie vorgetragen werden. Stellen Sie sich mal vor: Am Anfang des Betreuungsverhältnisses hat es der Tagesmutter sehr gut gefallen, dass die abgebende Mutter beim Abholen Ihres kleinen Max noch Zeit für eine gute Tasse Kaffee hatte. Beide - Tagesmutter und Mutter - konnten sich so schnell näher kommen, sich über alle wichtigen Dinge austauschen; ja es entstand sogar zunehmend eine Art von Freundschaft zwischen den Frauen. Mit der Zeit jedoch wird die Tagesmutter immer nervöser, weil sie sich an manchen Tagen fest vorgenommen hat, noch wichtige Einkäufe zu erledigen.

An anderen Tagen spürt sie,

dass sie einfach nur ihre Ruhe möchte nach einem anstrengenden Tag und keine Lust auf das Plauderstündchen hat. Max Mutter jedoch genießt wie immer das gewohnte Plauderstündchen, das für Sie ein Abspannen nach getaner Arbeit geworden ist, macht sich's gemütlich und kommt im Gespräch von Hölzchen auf Stöckchen. Um der Tagesmutter eine Freude zu machen, hat sie sogar noch schnell in der Mittagspause einen Abstecher auf dem Markt gemacht, um der Tagesmutter frischen Spargel mitzubringen, weil die ja nicht dazu kommt.

Aber an diesem Tag hat die Tagesmutter parallel dazu beschlossen, es der Mutter von Max zu sagen, dass es so nicht mehr bleiben kann. Wie sagt Sie's dann?

Oder - versetzen Sie sich mal hier hinein:

Jonas ist 1 Jahr alt. Seit 6 Wochen wird er jeden Morgen um 7 Uhr von seiner Mutter gebracht, und zwar im Schlafanzug. Warum? Weil seine Mutter zu Beginn mal äußerte, ihn nicht so früh aufwecken zu wollen, und er so herrlich weiterdösen kann, wenn sie ihn nicht anzieht; somit bleibt auch die nicht mehr ganz so frische Windel da, wo sie die ganze Nacht schon war.....Sie verstehen...... Die "Morgentoilette" bleibt also immer und immer an der Tagesmutter "hängen". Was zunächst wie eine Ausnahme aussah und auch so dargestellt wurde, und von daher von der Tagesmutter zunächst einmal in Kauf genommen wurde, entwickelt sich zunehmend zum Ärgernis. Jetzt reicht's der Tagesmutter; wie sagt sie's dann?

Oder, was sagen Sie denn dazu?

Frau Müller bringt Jonas jeden Morgen zur Tagesfamilie und holt ihn abends auch ab. Jetzt plötzlich haben sich ihre Arbeitszeiten am Nachmittag gravierend verändert, und der Vater von Jonas muss das Abholen übernehmen.

Die Tagesmutter findet es zunächst schön,

dass sie auf diese Weise intensiven Kontakt zu beiden Elternteilen bekommt. Es fällt jedoch zunehmend auf, dass die Koordination und der Austausch zwischen Vater und Mutter nicht so gut klappt. Vor 4 Tagen hat die Tagesmutter mit dem Vater von Jonas gesprochen, dass neue Windeln gebraucht werden. Da bis gestern immer noch keine Windeln bei der Tagesmutter angekommen sind, hat die Tagesmutter nun Frau Müller daran erinnert; doch die wusste noch gar nichts davon. Und so ging es weiter......Jonas durfte mal ein Spielzeug von einem anderen Tageskind mit nach Hause nehmen; statt es wie vereinbart am nächsten Tag zurückzubringen, brauchte es 5 Tage und jeweils 2 Rückfragen persönlich und telefonisch, bis das Spielzeug dem anderen Tageskind zurückgegeben werden konnte. Zudem hatte die Tagesmutter noch Erklärungsbedarf der Mutter des anderen Kindes gegenüber.....*wie anstrengend. Die Tagesmutter wittert zu Recht weitere Vorkommnisse und nerv tötende Nachfragen für die Zukunft.....An wen wendet sie sich denn nun - und wie?

Jetzt fragen Sie sich sicher,

was ich denn im Einzelfall geraten habe?

Natürlich ein offenes Gespräch - aber da wären Sie sicher auch ohne mich drauf gekommen. Den Punkt, den ich hier heute beschreiben möchte, dreht sich nicht um die jeweilige Lösung in den oben beschriebenen Einzelfällen, also nicht darum "was" dazu gesagt wurde, sondern um das "wie". Wie vermeide ich, dass eine berechtigte Kritik, die in allen Fällen folgen muss, damit aus einer Mücke kein Elefant wird, so schlecht ankommt, dass Peinlichkeiten entstehen, oder schlimmer noch eine Trübung des bislang guten Verhältnisses dabei herauskommt.

Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, weil ich auch selbst in meinem Alltag - sei es beruflich oder privat - merke, dass der alte Spruch stimmt:

"wie es in den Wald hineinruft, so schallt es auch zurück".

Die Lösung sind die "Ich-Aussagen". Nehmen wir einmal einen Dialog als Fallbeispiel, der durchaus so laufen könnte: Am Nachmittag werden die Tageskinder bei der Tagesmutter abgeholt. Die Tagesmutter hat sich vorgenommen, die Mutter von Claudia, die in letzter Zeit mittags so schlecht schläft, darauf anzusprechen. Die Mutter ist jedoch in Eile, sie hat den Wagen im Parkverbot stehen und drängt zum Aufbruch. Die Tagesmutter ist enttäuscht und sagt: "Nie haben Sie Zeit - immer sind sie so kurz angebunden, wenn Sie Ihr Kind abholen!" Die Mutter ruft zurück: "Ach, das stimmt doch gar nicht, Frau ....." und verschwindet mit Claudia auf dem Arm hastig im Treppenhaus.

Frage:

Lag es wirklich nur an der Eile der Mutter, dass der Gesprächsverlauf so furchtbar unbefriedigend war? Sicher, wäre heute in dieser Eile ohnehin kein ruhiges Gespräch zustande gekommen, ohne dass die Mutter dabei vielleicht einen wichtigen Termin verpasst hätte. Aber beide Seiten hätten trotzdem dafür sorgen können, dass Sie nicht so enttäuscht (Tagesmutter) und kritisiert (Mutter) zurückbleiben müssen. Der Fehler startet damit, dass die Tagesmutter ihren wahren Wunsch - nämlich den nach einem ruhigen Gespräch - nicht deutlich geäußert hat, sondern sie wirft statt dessen der Mutter ihr Verhalten in Form einer "Du-Aussage" vor: "Immer sind Sie so kurz angebunden, wenn Sie Ihr Kind abholen".....die Mutter nimmt diese Aussage natürlich wörtlich, bezieht sie auf "immer und jedes Mal", und weil " immer und jedes Mal" ja gar nicht stimmt, streitet sie es auch ab. Der notwendige 2. Anlauf dieser Tagesmutter könnte sich z.B. so anhören: "Ich möchte gerne in Ruhe mit Ihnen über .......sprechen. Können Sie das nächste mal mehr Zeit mitbringen?" Wo liegt der Unterschied? Die Tagesmutter ist "bei sich" geblieben. Sie spricht über sich selbst und informiert die Mutter klar über ihr Bedürfnis, ohne einen Vorwurf, eine Beschuldigung oder eine Forderung auszusprechen. Da die Mutter durch diese Form nicht angegriffen wird, steigt sicherlich auch deren Bereitschaft, darauf einzugehen. Als ich vor vielen Jahren darüber las, war das auch für mich sehr lehrreich.

Im Vordergrund der "Ich-Botschaft"

steht immer das wertfreie Mitteilen der eigenen Empfindungen, Bedürfnisse und Wünsche - man teilt einfach seine Sicht der Dinge mit. Eine "Du-Botschaft" hingegen ist immer mit Negativem beladen und enthält bereits die Wertung im Gepäck. Wenn man's genau nimmt, geht es eigentlich nur um einen Perspektivenwechsel: "Du hast den Kinderwagen schon wieder im Treppenhaus stehen lassen........" / besser wäre: "Mich stört es, wenn Du den Kinderwagen im Treppenhaus stehen lässt, weil.............". Nur so hat mein Gegenüber auch eine echte "Chance", frei von Vorverurteilung und Beschuldigungen meine Gefühle zu verstehen. Also ich glaube, das kann in vielen Beziehungen nur von Vorteil sein - man wird ernst genommen, wenn man zu seinen Bedürfnissen steht, man übernimmt selbst die Verantwortung für das Erfüllen seiner Wünsche, man ist sicher auch "authentischer" beim direkten Sprechen; die Missempfindungen, das gesprochene Wort passen zur Mimik und Gestik - das kommt glaubhaft rüber (und man glaubt ja gar nicht, wie viele Botschaften in der nonverbalen Kommunikation gleich mitgesendet werden). Und man vermittelt seinem Gesprächspartner auch Respekt, ermuntert dazu, das Gleiche zu tun und schickt auch eine Portion Vertrauen mit voraus, so dass der Angesprochene an der Lösung des Problems auch Interesse entwickeln kann.

Ich möchte nicht in ein althergebrachtes Klischee abrutschen;

aber beim Studieren dieses Themas kam mir auch der Verdacht, dass noch immer besonders Frauen Hemmungen haben, mit klaren Ansagen aufzuwarten. Sie haben Sorge, dann egoistisch und nicht mehr fürsorglich zu erscheinen. Und auf der rechten oder linken Schulter sitzt oftmals noch der kleine Teufel, der einer Tagesmutter heimlich ins Ohr flüstert, dass sie irgendwie mehr Pflichten als Rechte hat, was dazu führt, dass sie ihre Bedürfnisse herunterspielt und sich gerne an falscher Stelle hilfsbereit und aufopfernd zeigt.

Ein kleiner Perspektivenwechsel könnte da schon Abhilfe schaffen. Wenn man bedenkt, dass es sich zugunsten des Kindes immer um eine gleichwertige Erziehungspartnerschaft handeln sollte, deren Werte dem Kind als Vorbild auch vermittelt werden, dann fällt die Umstellung vielleicht etwas leichter; denn ein Kind lernt vornehmlich aus dem, was es sieht und spürt und weniger aus dem, was wir ihm so gerne „nur“ erzählen. Stehen wir also zu dem, was wir wirklich meinen, und sind wir auch in der Lage das respektvoll an unser Gegenüber heranzutragen, wird auch das Kind im späteren Leben das Recht empfinden, zu sich und seinen Bedürfnissen stehen und sich beizeiten mitteilen zu dürfen.

So besehen tut es letztendlich also keinem der Beteiligten gut, sich zu verbiegen, auch dann nicht, wenn man dem Gegenüber auf die Schnelle einen Gefallen erweisen und Unmut vermeiden wollte. Was auf jeden Fall langfristig auf der Strecke bleibt, ist das gegenseitige Vertrauen, denn die Erfahrung, dass lange nicht gemeint war, was gesagt und zugelassen wurde, bleibt; und wer von uns hört schon gerne „gesammelte Werke“, die dann ja doch irgendwann auf einen niederprasseln, wenn der Kanal entsprechend voll ist und die noch vor Wochen ganz anders geklungen haben.

In diesem Sinne wünsche ich allen nur das Beste

Eure Susanne Rowley

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